22-0608.01

Rassistisch motivierte Gewalt und Diskriminierung

Antwort

Letzte Beratung: 18.12.2025 Bezirksversammlung Bergedorf Ö 6.8

Sachverhalt

Auskunftsersuchen

der BAbg. Basener, Brodbeck, Potthast und der Fraktion GRÜNE Bergedorf

Mit der Fortschreibung der Hamburger Antidiskriminierungsstrategie (Drucksache 22/11417) hat die Bürgerschaft der Stadt Hamburg das Ziel gesetzt, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken, diskriminierungsfreie Teilhabe zu ermöglichen und insbesondere die Rechte von Betroffenen rassistischer und antisemitischer Gewalt und Diskriminierung systematisch zu verbessern. Die Strategie setzt daher auf eine umfassende Datenerhebung, stärkere Einbindung von Communities und Beratungsstellen sowie innovative Meldewege und transparente Evaluationen.

Vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen erleben wir einerseits eine verstärkte Sensibilisierung und Dokumentation insbesondere durch Beratungsstellen wie Empower, Migrantenselbstorganisationen, Religionsgemeinschaften und zivilgesellschaftliche Initiativen. Andererseits zeigen aktuelle Studien und Praxiserfahrungen, dass rassistisch und antisemitisch motivierte Vorfälle und Diskriminierung häufig unentdeckt und unbehandelt bleiben, weil die polizeiliche Statistik und amtliche Daten die Realität nicht ausreichend abbilden. Viele Übergriffe werden aus Angst, Misstrauen oder Unkenntnis nicht gemeldet. Gerade für einen vielfältigen Bezirk wie Bergedorf fehlen belastbare und differenzierte Daten, was die politische Bearbeitung erschwert.

r Verwaltung und Behörden bedeutet dies: Die systematische Erhebung, Überprüfung und Veröffentlichung von Daten ist keine Formalie, sondern Voraussetzung dafür, dass gesellschaftliche Missstände sichtbar und bearbeitbar werden und Handlungsdruck entsteht. Ohne Belege für das tatsächliche Ausmaß rassistischer und antisemitischer Übergriffe bleibt Diskriminierung unsichtbar und das politische wie gesellschaftliche Interesse an Gegenmaßnahmen gering. Die Arbeit der Behörden, diese Daten zu gewinnen und zu bewerten, ist somit zentraler Bestandteil einer aktiven Antidiskriminierungspolitik und unverzichtbar für die Weiterentwicklung gezielter Maßnahmen.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Behörde für Inneres und Sport:

Bei allen der Polizei zur Kenntnis gelangenden Straftaten leitet die Polizei strafrechtliche Ermittlungsverfahren ein und führt die erforderlichen Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhaltes durch. Delikte im Sinne der Fragestellungen werden dabei der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) zugeordnet und durch die Abteilung Staatsschutz im Landeskriminalamt (LKA 7) bearbeitet und im Kriminalpolizeilichen Meldedienst Politisch motivierte Kriminalität (KPMD PMK) statistisch erfasst.

Zur Erfassung von Straftaten der PMK sowie zu den Auswertemöglichkeiten und deren Grenzen siehe Drs. 21/3165. Bei der PMK wird zwischen folgenden Phänomenbereichen unterschieden: PMK links, PMK rechts, PMK ausländische Ideologie und PMK religiöse Ideologie. Kann ein Sachverhalt keinem dieser vier Phänomenbereiche eindeutig zugeordnet werden, wird der Sachverhalt dem Phänomenbereich PMK sonstige Zuordnung zugeordnet.

Zur Funktion der Statistik KPMD PMK als Frühwarnsystem, entsprechenden Unterschieden zur Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) sowie Interdependenzen der Statistiken siehe https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/faqs/DE/themen/sicherheit/pmk/pmk.html. Zu den Erfassungsmodalitäten betreffend echte und unechte Staatsschutzdelikte vgl. die einschlägigen Erfassungsrichtlinien (Ziffer 2.1.4), abrufbar unter

https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/PolizeilicheKriminalstatistik/2022/Interpretation/02_Rili/Richtlinien.html.

Daten und Erkenntnisse externer Stellen werden vom LKA 7 zur Kenntnis genommen und ggf. ergänzend zu den aus der Sachbearbeitung und den statistischen Daten gewonnenen Informationen herangezogen.

Dies vorausgeschickt, beantwortet die Behörde für Inneres und Sport die Fragen wie folgt:

  1. Welche aktuellen, zentral von der Behörde erhobenen Zahlen zu rassistisch und/oder antisemitisch motivierten Straftaten liegen für Hamburg und Bergedorf vor? Bitte differenziert nach Deliktarten, Tatverdächtigen und Geschädigten sowie mit Angaben zur Erhebungsmethodik, sowie die Jahre 2020-2025.

Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg berichtet der Hamburgischen Bürgerschaft regelmäßig in Antworten auf Schriftliche Kleine Anfragen zu den von der Fragestellung umfassten Delikten.

r den Zeitraum 2020 bis einschließlich des dritten Quartals 2025 sind dies zu Straf- und Gewalttaten mit rassistischem, rechtsextremistischen und/oder ausländerfeindlichem Hintergrund die Drs. 22/713, 22/711, 22/2121, 22/3038, 22/4120, 22/5264, 22/5929, 22/6939,22/7883, 22/8780, 22/9566, 22/10582, 22/11667, 22/12505, 22/13494, 22/13931, 22/14134, 22/14906, 22/15687, 22/16619, 22/17457, 23/140, 23/143, 23/374, 23/985 und 23/2392 sowie zu Hasskriminalität, darunter antisemitisch motivierte Delikte, die Drs. 22/12173, 22/12374, 22/12375, 22/14135, 23/139, 23/144, 23/984 und 23/2391.

Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

  1. Wie schätzt die Behörde die Dunkelziffer rassistisch und/oder antisemitisch motivierter Straftaten und Vorfälle bezogen auf Hamburg und Bergedorf für die Jahre 2022 bis 2025 ein?

Gemäß Beschluss der Innenministerkonferenz aus dem Jahr 2017 ist die Viktimisierungsbefragung zu Sicherheit und Kriminalität in Deutschland (SKiD) künftig regelmäßig durchzuführen. Neben Viktimisierungserfahrungen und Anzeigeverhalten zur besseren Schätzung der Dunkelziffer werden auch Themen wie die Wahrnehmung von Sicherheit, Wohngegend und Polizei abgefragt. Bundesweite Ergebnisse aus dem Jahr 2020 finden sich unter: https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Forschung/ForschungsprojekteUndErgebnisse/Dunkelfeldforschung/SKiD/Ergebnisse/Ergebnisse_node.html.

Ergebnisse der SKiD-Befragung für Hamburger Befragungsteilnehmende werden in der zuständigen Kriminologischen Forschungsstelle im Fachstab des LKA (LKA FSt3) derzeit erarbeitet und demnächst veröffentlicht. Differenzierte Einschätzungen für den Bezirk Bergedorf sind nicht möglich. Eine Vorab-Auswertung der Hamburger Daten aus der zweiten SKiD-Befragungswelle 2024 zeigt, dass 5,9 Prozent der in Hamburg befragten Personen für das Jahr 2023 angaben, Opfer einer fremdenfeindlich motivierten Gewaltstraftat (aufgrund von Zuwanderung, Herkunft oder Hautfarbe) geworden zu sein. 2,1 Prozent der befragten Hamburgerinnen und Hamburger gaben an, eine religionsfeindliche Gewaltstraftat erlebt zu haben. Zu beachten ist hierbei, dass auch Personen ohne Migrationshintergrund oder ohne Religionszugehörigkeit angeben konnten, von entsprechenden Taten betroffen zusein und die Angabe immer die subjektive Wahrnehmung der befragten Person über das Tatmotiv widerspiegelt.

  1. Lassen sich seit Erfassung Tendenzen feststellen?

a) Bei den von der Behörde erhobenen Zahlen und

Siehe Antwort zu 1.

b) bei der Dunkelziffer.

Aussagen zur Veränderung der Dunkelziffer lassen sich nur anhand regelmäßig durchgeführter Viktimisierungsbefragungen ableiten. Da die SKiD-Befragung erst seit einer Befragungswelle Aussagen zur Hate Crime-Viktimisierung in Hamburg ermöglicht, können aktuell noch keine Tendenzen festgestellt werden. Durch die regelmäßige Teilnahme an zukünftigen Befragungswellen können hierzu Erkenntnisse gewonnen werden, auch wenn die Schätzungen aufgrund der geringen Anzahl betroffener Personen grundsätzlich mit statistischer Unsicherheit behaftet sein werden.

  1. Welche Methoden oder behördlichen Quellen werden zur Ermittlung der Dunkelziffer herangezogen?

Die Dunkelziffer lässt sich basierend auf Daten aus der SKID-Befragung schätzen. Hierbei sind Schätzungen von Viktimisierungserlebnissen für Hamburg möglich. Für kleinräumigere Schätzungen auf Stadtteilebene ist die Anzahl befragter Personen zu gering.

Im Übrigen siehe Antwort zu 2.

  1. Inwieweit fließen Daten, Statistiken und Lageeinschätzungen von externen Akteuren (z. B. Beratungsstellen wie Empower, Vereinen, Religionsgemeinschaften und Migrantenselbstorganisationen) in das behördliche Monitoring und die offizielle Berichterstattung zu rassistisch und/oder antisemitisch motivierten Übergriffen ein?

Die Analyseergebnisse des LKA FSt 3 zu SKiD fließen in die polizei-interne Befassung ein und werden regelhaft in SKiD-Berichten veröffentlicht. Zur Interpretation der SKiD-Ergebnisse werden auch externe Daten und Studien herangezogen, z.B. die Studie HateTown (vgl. Schriftenreihe_IKriS_Band_2_Haefele_HateTown.pdf)

Das LKA 7 steht mit polizeilichen Dienststellen wie mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, wie beispielsweise empower oder Hate Aid, künftig der Meldestelle bei der Lawaetz-Stiftung, in einem kontinuierlichen Dialog mit dem Ziel einer detaillierten Analyse der von den zivilgesellschaftlichen Akteuren übermittelten Fallmeldungen sowie eine kritische Reflexion der dahinterliegenden Meldewege.

Gemäß Drs. 22/14493 (Senatsstrategie zur Prävention und Bekämpfung von Anti-Schwarzem Rassismus) und Drs. 22/15346 (Senatsstrategie zur Bekämpfung es Antiziganismus und zur Förderung der gleichberechtigten Teilhabe der Sinti und Roma in Hamburg) veröffentlicht die zuständige Behörde für Gesundheit, Soziales und Integration künftig regelmäßig Lagebilder/Factsheets in den erfragten Bereichen.

Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

  1. Wie werden die Qualität, Verlässlichkeit und Aussagekraft der von externen Trägern und zivilgesellschaftlichen Stellen erhobenen Daten bewertet und gesichert? Gibt es einheitliche Kriterien oder Schnittstellen in der Datenverarbeitung?

Der Polizei ist die Bewertung der Qualität, Verlässlichkeit und Aussagekraft externer Daten nicht abschließend möglich, da externe Träger Daten nach eigenen Kriterien erfassen und bewerten. Die Frage richtet sich daher an die erhebenden Stellen der Zivilgesellschaft. Schnittstellen in der Datenverarbeitung zwischen Polizei und Externen existieren nicht.

Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

  1. Sind aktuell Maßnahmen in Planung oder in Umsetzung, um die Zusammenarbeit und den Austausch mit externen Monitoringstellen und zivilgesellschaftlichen Organisationen weiterzuentwickeln und die statistische Erfassung rassistisch und/oder antisemitisch motivierter Vorfälle zu verbessern?

Zur Erfassung antisemitischer Straftaten wurde bereits ein Leitfaden für Polizei und Justiz entwickelt, der Entwurf eines Leitfadens für die Erfassung antiziganistischer Straftaten liegt vor.

Im Übrigen siehe Antwort zu 5.

  1. Welche aktuellen oder geplanten Maßnahmen und Projekte verfolgt die Behörde im Rahmen der fortgeschriebenen Antidiskriminierungsstrategie (vgl. Drucksache 22/11417 Eckpunkte zur Fortschreibung der Hamburger Antidiskriminierungsstrategie) und der landesweiten Monitoring-Initiativen zur besseren Erfassung, Bewertung und Prävention rassistisch und/oder antisemitisch motivierter Übergriffe insbesondere mit Blick auf innovative Ansätze zur Dunkelzifferermittlung, digitalen Meldewege und verstärkte Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Akteuren? Wie ist der Stand der Umsetzung dieser Maßnahmen und ab wann sind Ergebnisse oder Erkenntnisse auch für Bergedorf verfügbar?

r die Polizei wird im Folgenden der aktuelle Sachstand, differenziert nach den beteiligten Stellen dargestellt:

  1. Kriminologische Forschung LKA FSt 13

Die Befragung zu Sicherheit und Kriminalität in Deutschland (SKiD) wird seit 2020 regelmäßig durch das Bundeskriminalamt (BKA) durchgeführt. Hamburg hat sich bislang an den beiden Befragungswellen 2020 und 2024 beteiligt und wird auch an der dritten Befragungswelle 2026 teilnehmen. Im Übrigen siehe Antwort zu 2.

  1. Abteilung Staatsschutz LKA 7

Das LKA 7 bearbeitet alle Onlineanzeigen, die beispielsweise über die verschiedenen, bundesweiten und hamburgischen (z.B. memo, OHNe Hass, Hate Speech konsequent anzeigen) Meldeportale für Hasskriminalität angezeigt werden oder dem LKA 7 über die Schnittstelle der Zentralen Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet (ZMI) vom BKA übersandt werden.

Zudem hat das LKA 7 im Rahmen der Umsetzung der Gesamtstrategie zur Bekämpfung des Antiziganismus und zur Förderung der gleichberechtigen Teilhabe der Sinti und Roma in Hamburg (Drs. 22/15346) gemeinsam mit der Zentralstelle Staatsschutz der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg einen Leitfaden zur Erkennung antiziganistischer Straftaten für den Dienstgebrauch erstellt. Darüber hinaus siehe Antworten zu 5 und 7.

  1. Beschwerdemanagement und Disziplinarangelegenheiten BMDA

Die Untersuchung von Vorwürfen mit diskriminierenden Inhalten bezüglich polizeilichen Handelns ist als besonders sensible Aufgabenbereich ein Schwerpunkt der Dienststelle Beschwerdemanagement und Disziplinarangelegenheiten (BMDA). Die Bearbeitung im BMDA ist interdisziplinär ausgerichtet. Im erfragten Zusammenhang können folgende Maßnahmencluster genannt werden:

(1) Outreach: Im Bewusstsein der schwierigen Historie in Bezug auf das Verhältnis der Polizei zu besonders schutzwürdigen Communities wurden diverse vertrauensfördernde Maßnahmen eingeleitet, um die Bereitschaft der Communities, das BMDA zu nutzen, zu erhöhen. Das Angebot, das BMDA und dessen Arbeitsweise bei Hamburger Communitys vorzustellen, wurde teils angenommen.

(2) Networking mit Wissenschaft und Zivilgesellschaft: Beispiele sind der Austausch mit Antidiskriminierungsstellen sowohl behördenintern als auch mit freien Trägern (z.B. Lawaetz-Stiftung, amira, empower), die Teilnahme an Fachtagungen sowie die gemeinsame Durchführung des Projektes Zivilgesellschaft und Polizei mit der Sozialbehörde

(3) Im Rahmen der polizeiinternen Arbeit findet u. a. ein regelmäßiger Austausch mit dem Institut für Demokratie, Diversität und Führung (IDDF) als auf das Themengebiet spezialisierte Fachdienststelle der Akademie der Polizei statt. Außerdem wird umfangreich in der polizeilichen Aus- und Fortbildung gearbeitet.

(4) Analyse: BMDA berichtet über die Ergebnisse im jährlichen Tätigkeitsbericht (Beispiel: https://www.polizei.hamburg/resource/blob/789944/2ebce3a3e19f049689cfb0859e58a101/ bmda-taetigkeitsbericht-22-23-do-data.pdf .

  1. Institut für Demokratie, Diversität und Führung IDDF

Das IDDF arbeitet fortlaufend im Rahmen des Community Policings mit einer Vielzahl ziviler Institutionen und Organisationen zusammen, um das Vertrauen zwischen Polizei und Zivilgesellschaft zu stärken. Hierzu zählen insbesondere Communities text-align:justify;">Über diese Aktivitäten geben die Jahresberichte des IDDF ausführlich Auskunft, siehe hier: https://akademie-der-polizei.hamburg.de/wir-ueber-uns/institut-fuer-demokratie-diversitaet-und-fuehrung. Darüber hinaus existiert auf der Seite Zivilgesellschaft und Polizei eine Darstellung verschiedener Aktivitäten im Kontext des Community Policings, siehe hier: https://www.polizei.hamburg/ihre-polizei/zivilgesellschaft-und-polizei.

Petitum/Beschluss

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