22-0632

Offene Fragen zur Genehmigungspraxis von Schülerpraktika

Auskunftsersuchen nach § 27 BezVG

Letzte Beratung: 18.12.2025 Bezirksversammlung Bergedorf Ö 6.3

Sachverhalt

Auskunftsersuchen

der BAbg.Brodbeck, Vlamynck, Basener und Fraktion der GRÜNEN

Schülerbetriebspraktika sind ein zentraler Bestandteil der Berufsorientierung.

Die Schüler:innen sind während des Praktikums und auf dem Weg dorthin über die Unfallkasse Nord versichert; die Freie und Hansestadt Hamburg schließt zudem eine Haftpflichtversicherung ab. Laut der Hamburger Handreichung für das Betriebspraktikum an allgemeinbildenden Schulen bestehen keine regionalen Einschränkungen dieser Versicherungen sie gelten bundesweit.

Im Bezirk Bergedorf sind im Zusammenhang mit der Durchführung solcher Praktika wiederholt Fragen aufgetreten, die aus unserer Sicht eine dringende Klärung durch die Behörde für Schule, Familie und Berufsbildung erfordern.

Die Arbeitszeiten während des Praktikums richten sich nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz.

Mit dem Betriebspraktikum verbinden Eltern und Schüler:innen nachvollziehbar die Erwartung, eine reale Unterstützung bei der Berufswahlentscheidung zu erhalten. Auch dies erkennt die Handreichung ausdrücklich an: Die individuellen Interessen der Schüler:innen sollen bei der Wahl des Praktikums berücksichtigt werden.

Zugleich formuliert die Handreichung den Wunsch der Behörde, Praktika möglichst im HVV-Bereich durchzuführen. In Fällen jedoch, in denen bestimmte Betriebe oder Institutionen in Hamburg nicht zur Verfügung stehen, seien „Ausnahmen möglich. Die Entscheidung darüber liegt bei den Schulen.

Die Handreichung nennt zudem als Bedingung, dass während des Praktikums „eine persönliche Betreuung durch eine Lehrkraft gewährleistet“ sein müsse. In der Praxis bedeutet dies jedoch in der Regel lediglich einen einzelnen kurzen Besuch vor Ort sofern er überhaupt stattfindet. Die tatsächliche Betreuung erfolgt nahezu vollständig durch die Betriebe selbst. Die Behörde erweckt an dieser Stelle den Eindruck einer umfassenden schulischen Begleitung, der mit der gelebten Praxis jedoch nicht übereinstimmt.

Damit entsteht ein Spannungsfeld zwischen schulischen Erwartungen, elterlichen Rechten und den realen Abläufen:

Die elterliche Sorge (Art. 6 GG) umfasst das Recht, über Bildungs- und Entwicklungswege der Kinder mitzuentscheiden.

Die Schulpflicht (Art. 7 GG) begründet die Teilnahme an staatlich organisierten Bildungsangeboten stellt aber nicht automatisch die Befugnis her, Entscheidungen über außerschulische Praktikumsorte zu erzwingen.

Die freie Berufswahl (Art. 12 GG) schützt das Recht der Jugendlichen, berufliche Interessen zu erkunden und entsprechende Einblicke zu erhalten.

Das Zusammenspiel dieser Verfassungsnormen legt nahe, dass Schulen zwar organisieren und Empfehlungen aussprechen dürfen, Eltern und Schüler:innen jedoch nicht ohne klare gesetzliche Grundlage von einem geeigneten Praktikumsplatz abhalten können.

In der Praxis zeigt sich jedoch, dass Schulleitungen die Handreichung der Behörde so auslegen, als könnten sie Praktika außerhalb des HVV-Bereichs grundsätzlich untersagen selbst dann, wenn entsprechende Praktikumsplätze in Hamburg faktisch nicht existieren. Dies betrifft u. a.:

uniformierte Bereiche der Bundeswehr,

maritime oder umweltschutzbezogene Einrichtungen,

größere technische Betriebe außerhalb Hamburgs (z. B. Werften).

Gleichzeitig schließen die Schulen selbst keine Praktikumsverträge ab. Diese werden ausschließlich zwischen Erziehungsberechtigten und dem Praktikumsbetrieb geschlossen. Die Schule ist weder Vertragspartnerin noch haftet sie für die Durchführung.

Trotzdem wird Eltern regelmäßig vermittelt, sie hätten „keine Wahl“ oder „kein Mitspracherecht“ obwohl es weder ein Vertragsverhältnis zwischen Schule und Betrieb noch eine eindeutige Rechtsgrundlage für ein solches schulisches Verbot gibt.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Behörde für Schule, Familie und Berufsbildung:

  1. Welche konkrete Rechtsgrundlage berechtigt Schulen dazu, ein von Erziehungsberechtigten rechtswirksam abgeschlossenes Betriebspraktikum zu untersagen?
  2. Erlauben die bestehenden Rechtsgrundlagen oder die von Schulen angenommenen Rechtsgrundlagen tatsächlich, dass Schulen die Wahl eines Praktikumsplatzes außerhalb des HVV-Gebiets verbindlich ablehnen?
  3. Wie soll eine Schule ein solches Verbot durchsetzen, wenn sie selbst kein Vertragsverhältnis zum Betrieb unterhält und keine rechtliche Verfügungsmacht über die elterliche Entscheidung besitzt?
  4. Inwieweit müssen Schulen eine Ablehnung eines Praktikumsplatzes begründen und wie verhält sich dies zu Art. 6 GG (elterliche Sorge) und Art. 12 GG (Berufswahlfreiheit)?
  5. Wie bewertet die Behörde das Spannungsfeld zwischen schulischer Organisationsmacht, elterlicher Sorge und dem verfassungsrechtlichen Recht der Jugendlichen auf berufliche Orientierung?
  6. Wie bewertet die Behörde die Tatsache, dass Eltern, die bereit sind, ihre Kinder aktiv zu begleiten oder zu unterstützen (z. B. in maritimen Betrieben, Bundeswehrdienststellen oder anderen spezialisierten Einrichtungen), dennoch als „nicht entscheidungsberechtigt“ dargestellt werden obwohl die Schule keine vertragliche Verantwortung trägt?
  1. lt die Behörde es für zeitgemäß, Schüler:innen verpflichtend auf den HVV-Bereich zu beschränken, wenn Eltern die Praktika außerhalb Hamburgs aktiv unterstützen können und geeignete Praktikumsplätze innerhalb Hamburgs gar nicht existieren?
  2. Welche rechtliche oder pädagogische Begründung sieht die Behörde dafür, dass insbesondere Praktika bei der Bundeswehr regelmäßig abgelehnt werden obwohl im Bereich der uniformierten Laufbahnen in Hamburg keinerlei Praktikumsplätze zur Verfügung stehen, gleichzeitig aber eine Debatte über die Wiederbelebung der Wehrpflicht läuft?
  3. Plant die Behörde eine Überarbeitung der Handreichung, um die Rolle der Eltern, die Grenzen schulischer Befugnisse und die tatsächlichen Zuständigkeiten klarzustellen?
Petitum/Beschluss

Beschluss:

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Hamburg

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