Öffentlichkeitsbeteiligungen während der SARS-CoV-2-Epidemie
Letzte Beratung: 03.06.2020 Stadtentwicklungsausschuss Ö 4.1
Mit dieser Drucksache soll der Stadtentwicklungsausschuss über die wesentlichen gesetzlichen Regelungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung in den Bauleitplanverfahren informiert werden sowie über die Modifikationen, die während der derzeitigen Epidemielage vorgesehen sind. Entsprechend diesem Anlass liegt der Schwerpunkt der Ausführungen auf der Frage, wie die Öffentlichkeit trotz der geltenden Kontakteinschränkungen an den Planverfahren teilhaben kann.
Grundsätzlich ist die Beteiligung der Öffentlichkeit in § 3 des Baugesetzbuchs geregelt. Demnach muss in vielen Planungsfällen eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden. In nahezu allen Planverfahren ist eine öffentliche Auslegung eines Planentwurfs vorgeschrieben.
Zum Zeitpunkt der Erarbeitung dieser Drucksache wird auf Bundesebene der Entwurf für ein Planungssicherstellungsgesetz diskutiert, mit dem die Auswirkungen von epidemiebedingten Kontaktbeschränkungen auf Planverfahren bewältigt werden. Das befristet vorgesehene Gesetz soll nicht nur für Bauleitplanverfahren gelten, sondern auch z.B. für Planfeststellungsverfahren, Verfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz, dem Bundesnaturschutzgesetz und anderen Gesetzen.
Mit dem Gesetz sollen formwahrende Alternativen zur Verfügung gestellt werden, bei denen sonst die Verfahrensbeteiligten zur Wahrnehmung ihrer Beteiligungsrechte physisch anwesend sein bzw. sich in großer Zahl zusammenfinden müssten.
1.1 Darstellung der gesetzlichen Regelungen und ihre Umsetzung in der Praxis
Für frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligungen regelt § 3 Absatz 1 des Baugesetzbuchs unter anderem:
Die Öffentlichkeit ist möglichst frühzeitig über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung, sich wesentlich unterscheidende Lösungen, die für die Neugestaltung oder Entwicklung eines Gebiets in Betracht kommen, und die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung öffentlich zu unterrichten; ihr ist Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung zu geben.
Diese Vorschrift fordert u.a., dass ein freier Zugang zu allen relevanten Informationsquellen erfolgt. Weiterhin ist die Öffentlichkeit nicht nur zu unterrichten; vielmehr ist ihr auch Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung zu geben.
Auf welche Weise die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt ist, ist nicht geregelt. Im Folgenden werden drei Möglichkeiten vorgestellt:
Eine Möglichkeit ist die Durchführung einer öffentlichen Plandiskussion (ÖPD) an einem Versammlungsort, in dem die Planungsideen und deren Auswirkungen von der Verwaltung und anderen Experten vorgestellt und mit allen diskutiert werden. Nach dem Bergedorfer Modell für Öffentlichkeitsbeteiligungen macht der Bezirk von dieser Möglichkeit in der Regel Gebrauch.
Eine andere Möglichkeit ist die Durchführung einer frühzeitigen öffentlichen Auslegung eines Planentwurfs in einem Dienstgebäude. In diesem Fall werden die Planidee und ggf. bereits vorliegende Untersuchungen für einen angemessenen Zeitraum der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt, z.B. für die Dauer von zwei Wochen. In diesem Zeitraum können die Planunterlagen während der Öffnungszeiten in Dienstgebäuden eingesehen werden und steht die Verwaltung für Äußerung und Erörterung nach Vereinbarung zur Verfügung.
Eine dritte Möglichkeit ist die gleichzeitige Durchführung einer frühzeitigen öffentlichen Auslegung eines Planentwurfs sowohl in einem Dienstgebäude als auch im Internet. Auch in diesem Fall werden die Planidee und ggf. bereits vorliegende Untersuchungen für einen angemessenen Zeitraum der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt und steht die Verwaltung im Dienstgebäude für Äußerung und Erörterung nach Vereinbarung zur Verfügung. Gleichzeitig kann die Öffentlichkeit Stellungnahmen online abgeben. Falls auch online eine Erörterung stattfinden soll, beantwortet die Verwaltung Fragestellungen ebenfalls online bzw. nimmt online dazu Stellung. Der Aufwand für diese Beteiligungsmöglichkeit ist hoch, wenn auch Online Erörterungen stattfinden sollen, und führt u.U. zu Verlängerungen von Planungszeiträumen.
In allen Beteiligungsvarianten werden die Beiträge dokumentiert und dem zuständigen politischen Gremium zur Beratung und Entscheidung über das weitere Vorgehen vorgelegt.
1.2 Frühzeitige Beteiligungen während der SARS-CoV-2-Epidemie
1.2.1 Online-Beteiligung
Während der Epidemie gelten aus Gründen der Gesundheitsschutzes Kontaktbeschränkungen. Entsprechend können insbesondere Veranstaltungen, zu denen eine größere Zahl von Interessierten an einem Versammlungsort erwartet werden können, nicht durchgeführt werden. Daher können Öffentliche Plandiskussionen in der bisherigen Form bis auf weiteres nicht mehr durchgeführt werden. Auch in den Dienststellen kann der Besuch von Gruppen, die üblicherweise erwartet werden können und die Planung erörtern möchten, nicht so gesteuert werden, dass der Gesundheitsschutz für Besucher und Beschäftigte gewährleistet werden kann.
Gesetzlich nicht erforderlich ist, dass die Öffentlichkeit mit der Verwaltung und anderen Experten physisch in Kontakt kommt. Öffentliche Plandiskussionen sind ohnehin keine rechtlichen Voraussetzungen für Planverfahren, da die frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligungen auch heute schon mit anderen Formaten durchgeführt werden können, eine Erörterung online oder telefonisch ist grundsätzlich ausreichend.
Somit besteht die Möglichkeit, die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung ausschließlich im Internet bzw. online durchzuführen. Der Planentwurf und andere Unterlagen (z.B. Gutachten) werden für eine angemessene Zeit im Internet bereitgestellt. Die Öffentlichkeit kann Stellungnahmen schriftlich, online oder telefonisch abgeben. Damit auch online eine Erörterung stattfinden kann, beantwortet die Verwaltung Fragestellungen ebenfalls online bzw. nimmt online dazu Stellung.
Von eingeführten technischen Plattformen für Beteiligungen kann Gebrauch gemacht werden. Näheres wäre in Abhängigkeit vom Planungsfall zu entwickeln.
Gegenüber Öffentlichen Plandiskussionen ist von einer Verlängerung von Planungszeiträumen auszugehen, insbesondere wegen der Bereitstellung und Diskussion der Planungsunterlagen über einen angemessenen Zeitraum.
1.2.2 Online-Beteiligung plus Auslegung
Nicht zwingend erforderlich, aber grundsätzlich möglich ist eine Online-Beteiligung, die von einer Auslegung ergänzt wird. In diesem Fall würden Planunterlagen nicht nur online, sondern auch in einem Dienstgebäude ausgelegt werden, um z.B. diejenigen zu erreichen, die keinen Internetzugang haben. In diesem Fall gelten jedoch die Kontaktbeschränkungen und die sonstigen Nachteile gemäß Ziffer 2.2 dieser Vorlage, und die Kommunikation würde nur schriftlich, telefonisch oder online erfolgen.
Der Aufwand für diese Beteiligungsmöglichkeit ist außerordentlich hoch, insbesondere da sie zweigleisig durchgeführt würde und die räumlichen Voraussetzungen für Kontaktbeschränkungen geschaffen werden müssen. Entsprechend verlängern sich die Planungszeiträume noch über die Zeiträume von Online-Beteiligungen nach Ziffer 1.2.1 hinaus.
1.3 Erwartete Änderung gemäß dem Planungssicherstellungsgesetz
Soweit erkennbar, wird das Planungssicherstellungsgesetz für frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligungen in der Bauleitplanung keine Änderungen bringen. Die Möglichkeit für Online-Beteiligungen, die heute schon besteht, soll nun offenbar explizit bzw. offiziell eingeführt werden („Online-Konsultationen, Telefon- oder Videokonferenz“). Möglicherweise wirkt sich das Gesetz in Bezug auf frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligungen dem Grunde nach nicht auf Bauleitplanverfahren, sondern auf Verfahren nach anderen Gesetzen aus.
Ggf. wird der aktuelle Sachstand im Stadtentwicklungsausschuss mitgeteilt.
2.1 Darstellung der gesetzlichen Regelungen
Für öffentliche Auslegungen regelt § 3 Absatz 2 des Baugesetzbuchs unter anderem:
Die Entwürfe der Bauleitpläne sind mit der Begründung und den (…) umweltbezogenen Stellungnahmen für die Dauer eines Monats (…) öffentlich auszulegen.
Diese Vorschrift fordert unter Berücksichtigung der langjährigen Rechtsprechung u.a., dass Planunterlagen im wahrsten Sinne des Wortes „ausgelegt“ oder „aufgehängt“ werden müssen. Dies bedeutet, dass physische Plandokumente gezeigt werden müssen, mithin gestempelte und unterzeichnete Pläne sowie andere Unterlagen in nicht-digitaler Form. Weiterhin bedeutet die Vorschrift, dass der Zugang zu der Einsichtnahme öffentlich ist. Entsprechend können die Unterlagen während angemessener Tagesstunden im Dienstgebäude eingesehen werden.
Des Weiteren regelt § 4a des Baugesetzbuchs unter anderem:
Die nach § 3 Absatz 2 Satz 1 auszulegenden Unterlagen sind zusätzlich in das Internet einzustellen und über ein zentrales Internetportal des Landes zugänglich zu machen.
Dies bedeutet u.a., dass eine Auslegung von Planunterlagen in Form von Papier o.ä. und eine Einsichtnahme in einer Dienststelle in jedem Fall zu erfolgen hat, dass aber die auszulegenden Unterlagen „zusätzlich“ online zugänglich zu machen sind. Eine Internetauslegung ersetzt nicht die Auslegung vor Ort.
2.2 Auslegungen während der SARS-CoV-2-Epidemie gemäß neuem Handlungsleitfaden
Während der Epidemie ist die Einsichtnahme in ausliegende Unterlagen wegen der Kontaktbeschränkungen nicht ohne weiteres möglich. Die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen hat daher nach Abstimmung u.a. mit dem für diesen Fachbereich federführenden Bezirk Bergedorf einen Leitfaden abgestimmt. Dieser Leitfaden zeigt Möglichkeiten auf, wie trotz der Beschränkungen eine ordnungsgemäße Auslegung stattfinden kann. Einige Auszüge:
- Zugang zum Auslegungsraum hat immer nur eine Besuchspartei (eine Person, zwei zusammen erscheinende Personen oder in häuslicher Gemeinschaft lebende Personen).[1] Wartezeiten sind möglich.
- Ggf. erfolgt ein Einlass nur nach vorherigem Anruf oder Klingeln.
- Der Auslegungsraum sollte möglichst von außen zugänglich oder auf kurzem Weg von außen erreichbar sein.
- Bei Einlassbeschränkungen ist sicherzustellen, dass das Betreten des Auslegungsortes durch Kontaktaufnahme mit dem Einlasspersonal einfach möglich ist. Soweit dies nach den örtlichen Gegebenheiten erforderlich erscheint, kann vorgesehen werden, dass das Einlasspersonal virussichere Masken tragen soll, soweit solche zur Verfügung stehen.
- Telefon und Telefonnummern werden für Rückfragen und zur Abgabe mündlicher Stellungnahmen bereitgestellt. Aus hygienischen Gründen wird gebeten, für Rückfragen das eigene Mobiltelefon zu benutzen.
2.3 Erwartete Änderung gemäß dem Planungssicherstellungsgesetz*
Die digitale Veröffentlichung von Unterlagen ist bislang lediglich „als Ergänzung“ zur physischen Auslegung der Planunterlagen geregelt.
Nach dem Entwurf für das Planungssicherstellungsgesetz soll die physische Auslegung während der Epidemie durch eine Veröffentlichung im Internet ersetzt werden. Die physische Auslegung soll als zusätzliches Informationsangebot erfolgen, soweit dies den Umständen nach möglich ist. Unterbleibt eine physische Auslegung, sind zusätzlich zur digitalen Veröffentlichung andere leicht zu erreichende Zugangsmöglichkeiten, etwa durch öffentlich zugängliche Lesegeräte oder in begründeten Fällen durch Versendung der ausliegenden Unterlagen zur Verfügung zur stellen.
Aus heutiger Sicht würde sich in Bergedorf für die Öffentlichkeit keine Änderung ergeben: Planunterlagen würden weiterhin sowohl im Internet als auch - unter Berücksichtigung der Kontakteinschränkungen - in einem Dienstgebäude bereitgestellt werden. Es würde sich nur die formale Bedeutung des jeweiligen Bereitstellungsmediums ändern.
Bergedorf hat die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen gebeten, für den Fall, dass das Gesetz erlassen wird, Handreichungen für das operative Vorgehen zu entwerfen, abzustimmen und herauszugeben.
Der Stadtentwicklungsausschuss nimmt Kenntnis.
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