20-1073

Innenentwicklung

Antrag

Sachverhalt

Antrag der BAbg. Noetzel, Froh, Reichelt und Fraktion der CDU

 

Der Senat hat mit der Drucksache 160928/6 der Senatskommission für Stadtentwicklung und Wohnungsbau den Startschuss für das Projekt Oberbillwerder gegeben. Die Realisierung dieses Projektes beruht auf der Grundannahme, dass mittel- bis langfristig keine ausreichenden Potentialflächen im Bezirk Bergedorf zur Verfügung stehen, die eine ausreichende Versorgung mit Wohnraum sicherstellen. Hiermit begründet der Senat die für eine Planung notwendige städtebauliche Erforderlichkeit. Diese städtebauliche Erforderlichkeit ist jedoch nicht nachgewiesen und somit nicht gesichert.

 

Dem widersprechend sollen schon erkannte Potentialflächen für den Wohnungsbau auf Grund der Planung Oberbillwerders nicht realisiert werden. Dies schwächt zusätzlich die Begründung für eine städtebauliche Erforderlichkeit Oberbillwerders und muss im Ergebnis bei der weiteren Planung Berücksichtigung finden. Die durch den Beschluss des Stadtentwicklungsausschusses vom 11. Januar 2017 nicht weiter zu realisierenden entdeckten Potentialflächen für den Wohnungsbau sind von der Projektfläche Oberbillwerders abzuziehen. Diese Bedarfe können nachgewiesener Weise auch ohne das Projekt Oberbillwerder befriedigt werden. Für zumindest diese Flächen kann kein städtebauliches Erfordernis in Oberbillwerder bestehen.

 

 

Innenentwicklung vor Außenentwicklung
Die Novellierungen des Baugesetzbuchs (BauGB) in den letzten Jahren haben zu einer weiteren Stärkung des Grundsatzes „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ geführt. Dieser Grundsatz wird auch durch die Stadt Hamburg anerkannt. So sieht z. B. das Bergedorfer Wohnungsbauprogramm vor,

„Wohnbauflächen vorrangig in innerstädtischen Lagen bzw. in schon bebauten Bereichen zu entwickeln, d.h. Innenentwicklung statt Außenentwicklung“ (Wohnungsbauprogramm 2015 – Bezirks Bergedorf, Kapitel 5, Seite 42)

 

Auch die (damalige) Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt hat im Jahr 2013 postuliert:

„Dabei wird der Fokus auf die Innenentwicklung gelegt und, wie bereits im 2007 aufgezeichneten ‚Räumlichen Leitbild’, für die Stadtentwicklung Hamburgs die Zielbotschaft ausgesendet, „Mehr Stadt in der Stadt“ zu erreichen. Die Konzentration der Bautätigkeit auf den weitgehend gebauten Stadtkörper bewirkt einen Schutz der Landschaftsräume in der Metropolregion...“ (Mehr Stadt in der Stadt – Chancen für mehr urbane Wohnqualitäten in Hamburg, Positionspapier der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, November 2013).

 

Neben diesem Ziel hat der Senat auch die Zielbotschaft „Mehr Stadt an neuen Orten“ ausgesprochen. Im Zuge der Unterzeichnung des Bündnisses zwischen der Stadt und der Wohnungswirtschaft Mitte 2016   relativierte Umweltsenator Jens Kerstan aber diese Vorgabe:

„Wohnungen sollten vor allem durch Nachverdichtung entstehen und nur in Ausnahmefällen auf Grünflächen.“

 

Aus der Logik, dem Selbstverständnis der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, dem Selbstverständnis der Behörde für Umwelt und Energie und den rechtlichen Vorgaben ergibt sich, dass die Strategie „Mehr Stadt in der Stadt“ gegenüber der Strategie „Mehr Stadt an neuen Orten“ prioritär zu verfolgen ist, wenn sich die Strategie „Mehr Stadt an neuen Orten“ auf bisherige Außenbereiche bzw. grüne Flächen bezieht.

 

 

Oberbillwerder ein Projekt „Mehr Stadt an neuen Orten“
In einer Presseerklärung vom 28. September 2016 der Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Dorothee Stapelfeldt, ist das Projekt Oberbillwerder als ein Projekt der Strategie „Mehr Stand an neuen Orten“ erklärt worden:

„In Oberbillwerder entsteht „mehr Stadt an neuen Orten“...“

 

Der beabsichtige Planungsraum für das Projekt Oberbillwerder ist laut der Senatsdrucksache 160928/6 wie folgt abgesteckt:

„...beschließt, auf der Basis des im aktuellen Flächennutzungsplan vorgesehenen Mengengerüstes die Entwicklung des Stadtteils Oberbillwerder...“

 

Im aktuellen Flächennutzungsplan wird die betreffende Fläche als Wohnbaufläche dargestellt. Trotzdem erklärt der Senat in der o. a. Senatsdrucksache:

„Die Bereitstellung von Wohnungsbauflächen durch eine gezielte Innenentwicklung von Brach- und Konversionsflächen wird deswegen weiterhin Vorrang vor der Siedlungsentwicklung an neuen Orten in der Stadt haben. Allerdings ist absehbar, dass die bereits entwickelten bzw. bekannten Wohnungsbaupotenzialflächen mittelfristig nicht ausreichen werden, den Herausforderungen des Wohnungsmarktes gerecht zu werden...“

Und weiter:

„... Aus diesem Grund ist es richtig und notwendig, die Stadt auch im Bezirk Bergedorf an neuen Orten weiterzuentwickeln.“

 

Innerhalb des damaligen Bergedorfer Wohnungsbauprogramms 2015 wurde hierzu sehr deutlich Stellung bezogen:

„Seitens des Bezirks ist eine Entwicklung nicht gewünscht, da sie im extremen Gegensatz zum Leitbild der Innenentwicklung steht.“ (Wohnungsbauprogramm 2015 – Bezirks Bergedorf, Kapitel 5, Seite 42)

 

Durch politischen Beschluss wurde die betreffende Stelle bzgl. Oberbillwerder im aktuellen Wohnungsbauprogramm wie folgt geändert:

„Eine Entwicklung würde dem Leitbild der Innenentwicklung zwar widersprechen, jedoch lassen sich in Bergedorf ab etwa dem nächsten Jahrzehnt Nachverdichtungen im Bestand nicht kurzfristig und verlässlich entwickeln. Die Entwicklung von Oberbillwerder wird zurzeit öffentlich und politisch diskutiert.“ (Wohnungsbauprogramm 2016 – Bezirks Bergedorf, Kapitel 6 Steckbriefe“)

Der Senat und der Bezirk Bergedorf zielen somit bei einer Ausweitung des Wohnungsbaus prioritär auf die Innenentwicklung ab und nur auf Grund der angeblich begrenzten vorhandenen Potentiale wird mittel- bis langfristig die Planung des neuen Stadtteils Oberbillwerder angestrebt.

 

 

Wohnungsbauprogramm Bergedorf
Mit dem Thema der Innenentwicklung setzt sich auch das Bergedorfer Wohnungsbauprogramm konkreter auseinander. In einer Tabelle (vgl. Wohnungsbauprogramm 2015 – Bezirks Bergedorf, Kapitel 5.1, Seite 43) werden die Möglichkeiten der Innenentwicklung im bestehenden Siedlungsgefüge mit deren Potentialen und Konsequenzen dargestellt. Konkret enthält die Tabelle die Darstellung folgender Siedlungsgebiete:

  • Einfamilienhausgebiete mit großen Grundstücken z. B. in Lohbrügge, Nettelnburg oder im Villengebiet
  • Geschosswohnungsbau, vorw. Siedlungen der 50er – 70er Jahre in Lohbrügge, Bergedorf-West, Bergedorf
  • Flachdachsiedlung Lohbrügge-Nord
  • Gründerzeitquartier Bergedorf-Süd
  • Vier- und Marschlande
  • Gewerbegebiet, Brach- und Konversionsflächen

 

Weiter wird ausgeführt:

„Es handelt sich jedoch bei jeder Innenentwicklung letztendlich um eine Einzelfallbetrachtung, die einer Diskussion sowie einer Prüfung der nachbarlichen Belange bedarf, so dass die hier aufgeführten Konsequenzen und Potenziale nicht abschließend sind.“ (Wohnungsbauprogramm 2015 – Bezirk Bergedorf, Kapitel 5.1, Seite 42)

 

Einige der im Bergedorfer Wohnungsbauprogramm dargestellten Entwicklungsflächen entsprechen dem Grundprinzip der Innenentwicklung. Für einige ausgewählte Bereiche wurden in der Vergangenheit Untersuchungen durchgeführt, um etwaige Verdichtungspotentiale zu entdecken (Fläche nördlich der Lohbrügger Landstraße etc.). Im Bergedorfer Wohnungsbauprogramm wurden jedoch keine flächendeckenden Untersuchungen für die Entdeckung und Darstellung von Innenverdichtungspotentialen durchgeführt.

 

Anders im Bezirk Altona, denn hier wurden schon 2012 für die Stadtteile Altona-Altstadt, Altona-Nord, Ottensen und Sternschanze flächendeckend Potentiale untersucht und dargestellt (Potentiale der Innenentwicklung Altona Ergebnisbericht, Bezirksamt Altona, Februar 2012). Eine solche Untersuchung sollte, um die für die Entwicklung Oberbillwerders vorausgesetzte Situation zu bestätigen, für alle Bergedorfer Stadtteile erfolgen.

 

Das Grundprinzip des Bergedorfer Wohnungsbauprogramms ist dem Nachweis der kurz- und mittelfristigen Realisierbarkeit der vereinbarten Wohnungsbauziele geschuldet. Eine mittel- bis langfristige Entwicklungsprognose kann das Wohnungsbauprogramm auf Grund der vorhandenen Systematik nicht liefern.

 

Der Senat begründet jedoch die städtebauliche Erfordernis Oberbillwerders mit einer mittel- bis langfristig nicht ausreichenden Verfügbarkeit von Wohnungsbaupotentialflächen in Bergedorf und zieht hierfür als Beleg das Bergedorfer Wohnungsbauprogramm heran. Dies ist schon im Ansatz fragwürdig.

 

Um das notwendige städtebauliche Erfordernis zu belegen, ist eine flächendeckende Betrachtung des gesamten Bezirks nötig. Nur hierdurch könnte die grundlegenden Annahmen für das Projekt Oberbillwerder belegt werden. Die notwendige flächendeckende Potentialflächenanalyse ist unter Beteiligung der Bergedorferinnen und Bergedorfer zu erstellen.

 

 

Aktuelle Beschlussfassung zum Wohnungsbauprogramm Bergedorf
Der Stadtentwicklungsausschuss des Bezirks Bergedorf hat in seiner Sitzung am 11. Januar 2017 auf Antrag der Grünen (vgl. Drucksache 20-0930.2) als Kompensation für den Bau des Stadtteils Oberbillwerder die Streichung von elf Potentialflächen mit über 500 Wohneinheiten aus dem Entwurf des Bergedorfer Wohnungsbauprogramms für 2017 beschlossen. Weiter soll eine Fläche für 50 Wohneinheiten in der Priorität herabgestuft werden.

 

Dieser Beschluss steht im Widerspruch mit der Einleitung des Planungsverfahrens für Oberbillwerder. Die Begründung für die Entwicklung des Stadtteils Oberbillwerder ist laut Senatsdrucksache (s. oben) eine angeblich nicht ausreichende Verfügbarkeit von Wohnungsbaupotentialen im Bezirk Bergedorf. Zusätzlich nimmt die Senatsdrucksache konkret auf das vorhandene Wohnungsbauprogramm Bezug. Eine willkürliche Nichtinanspruchnahme von vorhandenen und (zumindest teilweise) schon beschlossenen Potentialflächen widerspricht der Argumentation des Senats bzw. stellt diese grundsätzlich in Frage.

 

Besonders widersprüchlich ist hier, dass einige der zur Streichung anstehenden Flächen eher der Strategie „Mehr Stadt in der Stadt“ zuzuordnen sind, da sie eine zusätzliche Bebauung im örtlichen Zusammenhang darstellen. Somit widerspricht die Streichung dieser Flächen und die gleichzeitige Entwicklung Oberbillwerders auch dem Grundprinzip (s. oben) der Innenentwicklung vor der Außenentwicklung

 

Da aus politischer Sicht offensichtlich der städtebauliche Bedarf für diese über 500 Wohneinheiten in Frage gestellt wird, die entsprechenden Potentialflächen jedoch weiterhin existent sind, ist der Projektraum für Oberbillwerder dementsprechend anzupassen. Grund hierfür ist der anscheinend fehlende städtebauliche Bedarf zumindest für diese Teilflächen/Potentiale, da dieser Bedarf auch außerhalb einer Entwicklung Oberbillwerders befriedigt werden kann.

 

Die durch den o. a. Beschluss des Stadtentwicklungsausschusses nicht weiterzuentwickelnden Flächen besitzen eine Gesamtfläche von ca. 30 ha. Der angestrebte Projektraum für eine Wohnungsbauentwicklung Oberbillwerders hat laut der o. a. Senatsdrucksache eine Fläche von 90 ha (120 ha Gesamtfläche, davon ca. 30 ha gewerbliche Bauflächen). Auf Grund des dargestellten, und im Stadtentwicklungsausschuss beschlossenen fehlenden städtebaulichen Erfordernisses müsste sich die Projektfläche Oberbillwerders für den Wohnungsbau daher auf ca. 60 ha. reduzieren.

 

 

Bezirkliches Entwicklungskonzept
Die Bezirksversammlung Bergedorf hat in der Sitzung am 29. Oktober 2015 (Drucksache 20-0582.1) beschlossen, dass für den Bezirk Bergedorf ein bezirkliches Entwicklungskonzept aufgestellt werden soll. In der Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses am 2. November 2016 hat die Bezirksverwaltung mitgeteilt, dass u. a. auf Grund der Flüchtlingssituation, der Erhöhung der Wohnungsbauzahlen und der begrenzt vorhandenen Personalkapazitäten erst jetzt die Arbeit an einem bezirklichen Entwicklungskonzept intensiv aufgenommen werden kann.

 

Ebenfalls in der Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses hat auch die IBA Hamburg GmbH über das Projekt Oberbillwerder berichtet. Die Geschäftsführerin der IBA Hamburg GmbH, Frau Pein, erklärt auf die Frage, ob die Planungen für Oberbillwerder zusammen mit dem bezirklichen Entwicklungskonzept entstehen:

„Das Bezirkliche Entwicklungskonzept gehöre nicht zu ihrem Auftrag.“ (Protokoll Stadtentwicklungsausschuss 2. November 2016 TOP 1 „Oberbillwerder: Senatskommission für Stadtentwicklung und Umwelt am 28.09.2016, Sachstand und weiteres Vorgehen)

 

Der Bezirksamtsleiter erklärt in der gleichen Sitzung zum gleichen Tagesordnungspunkt:

„… dass man sich bei der Erstellung eines Entwicklungskonzepts auch mit der Realität und dem Ist-Zustand auseinandersetzen müsse. Es könne nicht völlig frei von fixierten Annahmen sein. Welche dies für Oberbillwerder sein werden, entwickle man gemeinsam in dem beschriebenen Verfahren.“ (Protokoll Stadtentwicklungsausschuss 2. November 2016 TOP 1 „Oberbillwerder: Senatskommission für Stadtentwicklung und Umwelt am 28.09.2016, Sachstand und weiteres Vorgehen)

 

Damit stellt der Bezirksamtsleiter klar, dass im Ergebnis des Planungsprozesses Oberbillwerders als fixierte Annahme in das bezirkliche Entwicklungskonzept eingehen werde. Somit wird sich das Projekt Oberbillwerder nicht aus dem bezirklichen Entwicklungskonzept heraus entwickeln und kann nicht zur Bestätigung der Grundannahme für den Planungsprozess Oberbillwerders herangezogen werden.

 

 

Petitum/Beschluss

 

Wir beantragen daher, die Bezirksversammlung möge beschließen:

  • Der Bezirksamtsleiter wird aufgefordert, der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen mitzuteilen, dass die Grundannahmen, die für eine Entwicklung des Projektes Oberbillwerder angenommen werden, nicht nachgewiesen und somit nicht gesichert sind.
  • Der Bezirksamtsleiter wird aufgefordert, sich beim Senat dafür einzusetzen, dass der Projektraum für Oberbillwerder auf 60 ha limitiert wird.
  • Der Bezirksamtsleiter wird aufgefordert, dass kurzfristig eine flächendeckende Analyse für Innenverdichtungspotentiale für alle Bergedorfer Stadtteile erstellt wird. In diesem Prozess sind die Bergedorferinnen und Bergedorfer einzubinden.
  • Der Bezirksamtsleiter berichtet in jeder Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses über den aktuellen Stand seiner Aktivitäten in diesem Zusammenhang.

 

 

 

Anhänge

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