Gültigkeit der Landhausverordnung im Villengebiet
Große Anfrage des BAbg. Emrich, Wegner, Woller und der CDU-Fraktion
Die für das Bergedorfer Villengebiet 1928/1934 erlassene Landhausverordnung (LVO) soll den Gebietscharakter durch Vorgaben zur Zulässigkeit von Bauvorhaben, insbesondere im Hinblick auf die Gestaltung, erhalten.
Im Laufe der Jahrzehnte, schwerpunktmäßig in den sechziger Jahren, wurden einige Bebauungspläne für das Villengebiet aufgestellt. Offensichtlich wurde in manchen Fällen die Landhausverordnung für das jeweilige Plangebiet vollständig außer Kraft gesetzt, anstatt diese um die Inhalte des jeweiligen B-Plans zu ergänzen oder Gestaltungsvorgaben aus der LVO in die B-Pläne zu übernehmen. Dies führt in einigen Fällen zu seltsamen Konstellationen, indem beispielsweise auf der einen Straßenseite des Glinderswegs die Landhausverordnung u.a. mit max. zwei Geschossen und Satteldach gilt, auf der anderen Straßenseite hingegen ein dreigeschossiges Gebäude mit Flachdach genehmigt wird.
Um dieser ungewollten Entwicklung entgegenzuwirken, wurde Anfang 2009 im Stadtentwicklungsausschuss beschlossen (DS XVIII/0479), dass ein B-Plan-Verfahren für das Bergedorfer Villengebiet in den Grenzen der Erhaltungsverordnung vom 7.7.1998 mit Ausnahme der Südseite der Wentorfer Straße einzuleiten ist. Der Stand der Umsetzung ist unklar.
Vor diesem Hintergrund fragen wir:
Das Bezirksamt beantwortet die Große Anfrage vom 26.07.2018 wie folgt:
Vorbemerkungen
Ursprünglich in der Landhausverordnung enthaltene gestalterische Regelungen (bspw. zu Dächern und Fassaden) wurden 1969 mit Gültigkeit der ersten Hamburger Bauordnung aus der Landhausverordnung gestrichen.
Die Landhausverordnung trifft vor allem planungsrechtliche Regelungen (bspw. Zahl von Wohnungen pro Gebäude, Art der Nutzung, Baulinien, bebaubarer Grundstücksanteil) und eine gestalterische Regelung zu den Straßeneinfriedigungen. Die Bestimmung, dass die Gebäude im Landhauscharakter zu errichten sind, ist unbestimmt und daher nicht als gestalterische Vorgabe zu werten.
Der mit der Frage 4 verbundene Wunsch, einen Bebauungsplan für das Villengebiet aufzustellen, hatte als wesentliche Zielrichtung die Steuerung der Zahl der Wohneinheiten und die Sicherung der gestalterischen Qualitäten.
1) Welche Bebauungspläne innerhalb des Villengebiets setzen die Landhausverordnung in ihrem Geltungsbereich außer Kraft?
In diesen Bebauungsplänen (alle aus den 60er-Jahren) wurde die Landhausverordnung außer Kraft gesetzt.
Bergedorf 2
Bergedorf 4
Bergedorf 7
Bergedorf 8
Bergedorf 9
Bergedorf 10
Bergedorf 13
Bergedorf 14
Bergedorf 15
Bergedorf 19
Bergedorf 45
In diesen Bebauungsplänen (alle nach 2008), die allerdings kaum die villengebietstypische Bebauung betreffen, sondern überwiegend die planungsrechtliche Grundlage für neue Baugebiete darstellen, wurden bestehende Bebauungspläne außer Kraft gesetzt:
Bergedorf 95
Bergedorf 96
Bergedorf 101
Bergedorf 107
Bergedorf 116 (im Geltungsbereich von Bergedorf 4)
2) In welchen Bebauungsplänen innerhalb des Villengebiets wurden die wesentlichen Vorgaben der Landhausverordnung übernommen?
Die gestalterischen Vorgaben der Landhausverordnung wurden in ähnlicher Form in keinen der genannten Bebauungspläne übernommen.
Die in den 60er-Jahren festgestellten Bebauungspläne enthalten i.d.R. allerdings auch Festsetzungen zur Art der Nutzung, zu der überbaubaren Grundstücksfläche, zur Geschossigkeit, zur Ausnutzung des Grundstücks und teilweise auch zu der Zahl der Wohnungen.
Die Bebauungspläne 95, 96, 101, 107 und 116 wurden ab 2008 festgestellt und enthalten nach Einschätzung des Bezirksamtes ausreichende und umfassende Regelungen zur Gestaltung. Diese Bebauungspläne beziehen sich allerdings nur in sehr geringem Maße auf die bestehende villengebietstypische Bebauung.
3) In welchen Bebauungsplänen innerhalb des Villengebiets sieht das Bezirksamt Handlungsbedarf im Hinblick auf zusätzliche oder zu verändernde Gestaltungsvorgaben?
Innerhalb der vorhandenen bzw. festgestellten Bebauungspläne sieht das Bezirksamt keinen Bedarf, zusätzliche gestalterische Festsetzungen zu treffen.
Bauvorhaben können nach aktuellem Recht beurteilt und genehmigt werden. Im Bedarfsfall sollte geprüft werden, ob für konkrete Projekte aktualisiertes Planungsrecht geschaffen werden sollte.
4) Wie wurde mit dem Beschluss der Bezirksversammlung (DS XVIII/0479) umgegangen bzw. wie ist der aktuelle Sachstand dazu?
Das Bezirksamt hat nach dem Beschluss der Bezirksversammlung und des damaligen Stadtplanungsausschusses die vorbereitenden Arbeiten für einen Bebauungsplan aufgenommen und ein Einleitungsgespräch durchgeführt. Im Rahmen der Grundlagenerhebung hat sich seinerzeit herausgestellt, dass der Bebauungsplan, da Wohnungsbau festgesetzt werden soll, Regelungen zum Lärmschutz an den Gebäuden Richtung Bahnstrecke und Wentorfer Straße festsetzen müsste. Dies ist angesichts der historischen Bausubstanz schwierig, zumal individuelle lärmtechnische Erhebungen (Messungen) in den einzelnen Wohnungen erforderlich werden würden, um den Erfolg von Lärmschutzmaßnahmen einschätzen zu können. Hinzu kommt, dass die Deutsche Bahn AG Lärmschutzmaßnahmen im Bereich des Villengebiets prüft, was sich auf das Bebauungsplanverfahren auswirken kann.
Im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens, für das u.a. ein Stadtplanungsbüro beauftragt wurde, wurden darüber hinaus weitere Probleme von erheblicher Tragweite deutlich:
Das sehr große Plangebiet mit einer großen Vielzahl unterschiedlicher Gebäudegrößen, Architekturen und vorhandenen Wohneinheiten macht vielfältige Festsetzungen im Bebauungsplan erforderlich. Dies gilt auch für Festsetzungen, die gewisse Gebäudeerweiterungen ermöglichen sollen. Diese Erweiterungen müssten angesichts der komplexen Problematik und im Hinblick auf eine realistische Umsetzung aus den vorhandenen Gebäudegrundrissen abgeleitet werden, was sehr aufwendig wäre. Ein Bebauungsplan mit derart vielfältigen und unterschiedlichen Regelungen kann bei vielen Grundeigentümern den Eindruck von Benachteiligungen entstehen lassen.
Insgesamt wäre ein solcher Bebauungsplan stark fehleranfällig und anfällig für Normenkontrollklagen.
Diese Problematik wurde in einem Termin am 11.02.2009 mit Vertretern der Politik erörtert.
Empfehlung
Aus Sicht der Verwaltung sind die vorhandenen baurechtlichen Regelungen für das Villengebiet ausreichend. Die Verwaltung empfiehlt in Fällen, in denen Bauanträge städtebaulich dennoch problematisch sind, jeweils individuelle Bebauungsplanverfahren durchzuführen, um die städtebauliche Entwicklung und Ordnung zu sichern.
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