Bebauungsplanverfahren Bergedorf 106 (Villengebiet) hier: Sachstand
Das Planverfahren für das Bergedorfer Villengebiet umfasst die Grenze der Erhaltungsgebietsverordnung. Hiermit informiert die Verwaltung über den Sachstand des Verfahrens und gibt Empfehlungen für das weitere Vorgehen.
Bisherige wesentliche Tätigkeiten
- Analyse sämtlicher Gebäude (ca. 800 Hauptgebäude)
- Analyse des Geltenden Planungsrechts
Bisherige Erkenntnisse
Lärmschutz
Eine Schalltechnische Untersuchung zeigte ganz erhebliche Lärmkonflikte für große Teile des Villengebiets auf, verursacht durch die Verkehre auf der Bahnstrecke und der Wentorfer Straße. Im Ergebnis muss der Bebauungsplan, da Wohnungsbau festgesetzt werden soll, Regelungen zum Lärmschutz an den Gebäuden Richtung Bahnstrecke und Wentorfer Straße festsetzen. Dies ist angesichts der historischen Bausubstanz schwierig: Für neue oder umzubauende Gebäude können die Lärmschutzklauseln dazu führen, dass der architektonische Charakter im Ergebnis wenig villengebietstypisch ist bzw. dass sich der architektonische Charakter ändert (z.B. Laubengänge, Loggien) oder dass Schlafräume nur an bestimmten Gebäudeseiten zulässig werden.
Problematisch war auch, dass das Gutachten individuelle lärmtechnische Erhebungen (Messungen) in den einzelnen Wohnungen für erforderlich gehalten hatte, um den Erfolg von Lärmschutzfestsetzungen prognostizieren zu können.
Hinzu kommt, dass die Deutsche Bahn AG Lärmschutzmaßnahmen im Bereich des Villengebiets geprüft hatte, was sich auf das Bebauungsplanverfahren auswirken kann. Das Ergebnis dieser Prüfungen muss als eine Grundlage für planungsrechtliche Abwägungen und Festsetzungen abgewartet werden.
Plangebietsgröße
Darüber hinaus wurden im Verfahren weitere Probleme von erheblicher Tragweite deutlich, die mit der Größe des Gebiets zusammenhängen:
Das sehr große Plangebiet mit ca. 800 Hauptgebäuden und mit einer großen Zahl unterschiedlicher Gebäudegrößen, Architekturen, Wohneinheiten und Grundstückssituationen entspricht – zum Vergleich - anderswo einer gesamten gewachsenen Ortschaft. Dies macht vielfältige Festsetzungen im Bebauungsplan erforderlich, um die jeweilige Entstehungsgeschichte der Gebäude und ihre individuellen Lagen zu berücksichtigen.
Dies gilt insbesondere für Festsetzungen, die Gebäudeerweiterungen ermöglichen sollen. Bei jedem einzelnen Haus stellt sich die Frage, ob bauliche Erweiterungen links, rechts, vorne und/oder hinten städtebaulich vertretbar wären, weil andernfalls bei Erweiterungen Befreiungen erwartet werden können.
Diese Erweiterungen müssten im Hinblick auf eine realistische Umsetzung aus den vorhandenen Gebäudegrundrissen abgeleitet und häufig mit dem Denkmalschutz abgestimmt werden, was ausgesprochen aufwendig wäre, weil jedes einzelne Gebäude betrachtet werden müsste. Weiterhin müsste für jedes einzelne Gebäude geprüft werden, ob die Erweiterungen mit erhaltenswertem Baumbestand sowie mit dem Artenschutz in Einklang stehen würden. Ein Bebauungsplan mit derart vielfältigen und unterschiedlichen Regelungen kann bei vielen Grundeigentümern den Eindruck von Benachteiligungen entstehen lassen.
Oftmals tut die Planung gut daran, sich an größeren Gebäuden zu orientieren, um Abwägungsfehler zu vermeiden. Dies führt tendenziell zu größeren Gebäuden und zu einem geänderten Charakter.
Darüber hinaus führt ein Gebiet mit rund 800 Hauptgebäuden und noch mehr Grundeigentümern in der Bebauungsplanung zu besonderen Herausforderungen, da die Betreuung kaum bewältigt werden kann. Dies zeigen die Erfahrungen in anderen Gebieten, die mit dem Villengebiet grundsätzlich vergleichbar sind, etwa in Fünfhausen (Bebauungsplanverfahren ca. 10 Jahre), im Stegelviertel oder entlang der Deichstraßen: Dort wurden mit allen (!) Grundeigentümern Gespräche über Entwicklungsvorstellungen geführt. Im Villengebiet ist allein schon wegen der noch größeren Zahl an Wohngebäuden mit einem Mehrfachen des Gesprächsbedarfs zu rechnen. Potentiell wären 800 x 2 Gespräche à 2 Stunden plus Vor- und Nachbereitungen von 800 x 1 Stunde gleich 3.200 Stunden anzusetzen. Dies entspricht ca. 400 Arbeitstagen.
Die Erfahrung zeigt, dass nach Abschluss dieser Gespräche die ältesten Wünsche wieder veraltet sind und vielerorts neue Gespräche aufgenommen werden müssen, die sich wiederum auf die Abwägung auswirken können.
Das Villengebiet verändert sich in Bezug auf ihre Gebäude und Bepflanzungen fortwährend. Insofern sind die Bestandsaufnahmen bald veraltet. Angesichts mehrerer Hundert Gebäude kann die Aktualität nicht immer sichergestellt werden, was sich ebenfalls auf die Abwägung nachteilig auswirken kann.
In solchen Fällen bietet der Gesetzgeber an, Veränderungssperren zu erlassen. Dennoch werden auch weiterhin Bauanträge eingehen, so dass Ausnahmen von den Sperren geprüft werden müssen, nach der Geschäftsordnung unter Beteiligung des Stadtentwicklungsausschusses.
Die Überplanung des gesamten Gebiets hätte zur Folge, dass auch die Ausdehnungen der Straßenverkehrsfläche grundsätzlich in Frage gestellt werden. Geprüft werden müsste, ob die Straßenverkehrsflächen den Bedürfnissen entsprechen, die durch das neue Planungsrecht erwartet werden können. Beispielsweise führt eine höhere Zahl der Wohneinheiten zu Mehrverkehr bzw. zu einem höheren Parkplatzbedarf im öffentlichen Raum. Hieraus resultieren weitere schwierige Abstimmungen.
Insgesamt wäre ein Bebauungsplan für das gesamte Villengebiet ausgesprochen ressourcenintensiv, stark fehleranfällig und anfällig für Normenkontrollklagen.
Vorschlag für das weitere Vorgehen
Mittlerweile hat die Deutsche Bahn mitgeteilt, dass nahe der Daniel-Hinsche-Straße und der Sander Straße im Frühjahr 2020 eine zusätzliche Lärmschutzwand errichtet werden soll. Die Auswirkungen dieser freiwilligen Lärmschutzmaßnahme würden im Bebauungsplanverfahren zu prüfen sein.
Die Verwaltung hat folgende alternative Planverfahren verglichen, für die die ressourcentechnischen Voraussetzungen geschaffen werden müssen; hierbei wäre die Alternative 1 ganz besonders aufwendig:
Der Bebauungsplan würde insbesondere genaue Festlegungen zu Baugrenzen, zulässigen Grundflächen, zulässigen Gebäudehöhen, privaten Grünflächen, Zahl der zulässigen Wohneinheiten, zu privaten Lärmschutzmaßnahmen, Dachformen und -farben, Fassadenmaterialien und -farben treffen. Diese stark konservierenden Regelungen sind in einem Gebiet, das sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr individuell entwickelt hat, sehr fragwürdig und würden die ohnehin durch das geltende Planungsrecht und den Denkmalschutz bereits eingeschränkte Baufreiheit noch weiter einschränken. Zudem könnten keine Regelungen für öffentlich-geförderten Wohnungsbau eingeführt werden, da diese nur anlassbezogen bzw. auf vertraglicher Grundlage zulässig sind.
Darüber hinaus sei auf die Problemlage im o.a. Kapitel „Plangebietsgröße“ verweisen. Dort ist dargestellt, dass der verwaltungstechnische Aufwand immens ist. Der Aufwand kann mit zurzeit nur ca. zwei Sachbearbeiterstellen in der Bebauungsplanung nicht geleistet werden (die übrigen vorhandenen Stellenanteile im Umfang von ca. einer Stelle werden im hamburgweiten Projekt „Digitalisierung der Bauleitplanung“ eingesetzt). Für die Überplanung des Villengebiets würde eine ganze zusätzliche Stelle mit einer erfahrenen Kraft erforderlich, damit das Planungsbüro sowie mehr als 800 Grundeigentümer mit ihren Wünschen und Bauvorhaben betreut werden können.
Mit dieser Alternative würde das Villengebiet baublockweise oder straßenweise neues qualifiziertes Planungsrecht erhalten. Hierdurch können Flächen mit einer vergleichbaren Entstehungsgeschichte überplant werden und deren Eigenarten in vergleichbarer und somit gerechter Weise besser berücksichtigt werden. Als Anlass für ein entsprechendes Bebauungsplanverfahren würde ein Bauantrag gelten, für den eine planungsrechtliche Befreiung unzulässig wäre, die jedoch nach Einschätzung des Bezirksamts für städtebaulich vertretbar erachtet wird. Als Anlass für ein Planverfahren soll ein Antrag auf Unterbringung von mehr als zwei Wohneinheiten in einem Gebäude mit einer vorhandenen Bruttowohnfläche von mehr als 350 m² gelten.
Diese Alternative stellt einen übersichtlichen bzw. handhabbaren Planungsfall dar, würde aber weitreichende Festsetzungen auslösen (vgl. 1. Alternative, 1. Absatz).
Allerdings würde ein solches Bebauungsplanverfahren die Möglichkeit bieten, mit dem Veranlasser des Bebauungsplanverfahrens nicht nur die Übernahme eines Teils der Planungskosten zu vereinbaren, sondern ggf. auch die Errichtung von öffentlich-geförderten Wohnungen.
Mit dieser Alternative würden für das gesamte Villengebiet nur Wohnungsklauseln und (als Grundlage dafür) Lärmschutzklauseln festgesetzt. Ziel wäre es, anstelle der gelegentlich unflexiblen Zwei-Wohnungsklausel eine flächenbezogene Wohnungsklausel einzuführen. Beispiel: „Je 175 m² Bruttowohnfläche ist eine Wohneinheit zulässig.“ Hierfür wäre zunächst die Schalltechnische Untersuchung zu überarbeiten, weil zwischenzeitlich die gesetzliche Berechnungsgrundlage für den Schienenverkehr geändert wurde, der Hamburger Lärmleitfaden weiterentwickelt wurde und die Deutsche Bahn freiwilligen Lärmschutz angekündigt hat. Die genannten Klauseln können im vereinfachten Bebauungsplanverfahren eingeführt werden. Die Betreuung eines solchen Verfahrens wäre noch relativ überschaubar.
Das vorhandene Planungsrecht wird konsequenter angewendet. Denn die vorhandenen baurechtlichen Regelungen haben zu dem besonderen Charakter des Villengebiets geführt und sind weiterhin ausreichend für die Gewährleistung der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung.
Empfehlung
Angesichts der komplexen Planungsfragen und der Größe des Villengebiets bietet sich die Alternative 2 an.
Im Hinblick auf die Verwaltungsressourcen berücksichtigt diese Alternative auch die Ziele der Wohnungsbauprogramme von Senat und Bezirksversammlung, die ohne Schwerpunktsetzung auf die Wohnungsbaupläne nicht umgesetzt werden könnten. Wegen des konkreten Planungsanlasses ist diese Variante auch besonders rechtssicher. Die Ressourcen und Prioritäten werden gleichwohl zu prüfen sein.
Der Stadtentwicklungsausschuss bittet die Verwaltung, die Alternative 2 durchzuführen.
keine