20-1331.01

Änderungsantrag zur Drucksache 20-1331 "Auslobungsunterlage Oberbillwerder"

Antrag

Sachverhalt

Änderungsantrag der BAbg. Noetzel, Froh, Emrich und Fraktion der CDU

 

Die Verwaltung hat den Fraktionen einen Entwurf der Auslobung „Oberbillwerder – Wettbewerblicher Dialog“ am 5. Juli 2017 übersandt. Dieser wurden von den Fraktionen teilweise zuerst intern und darauf folgend in drei fraktionsübergreifenden Arbeitskreisen, unter Beteiligung der Verwaltung und Behörden am 22. und 23. August sowie am 1. September diskutiert. Hierbei wurden zahlreiche Fragen und Anregungen eingebracht, die leider nur zum Teil in den geänderten Auslobungstext eingeflossen sind. Zusätzlich sind den Fraktionen am 8. September Antworten auf gestellte Fragen, insbesondere zu verkehrlichen Themen, übermittelt worden.

 

Im Zuge der Diskussion über das Projekt Oberbillwerder ist deutlich geworden, dass die anzustrebende Größe des neuen Stadtteils durch den aufzunehmenden Verkehr im Umfeld limitiert wird. Hierzu hat ein Fachgutachten zahlreiche Hinweise geliefert.

 

Leider werden die gemachten Hinweise in der Auslobung nicht ausreichend gewürdigt. Der Entwurf der Auslobung geht von 6.000 bis 8.000 Wohneinheiten in Oberbillwerder aus. Der jetzt vorliegende Antrag (Drs. 20-1331) der bezirklichen SPD/Die Grünen Koalition will diese Vorgabe in 6.000 bis 7.000 Wohneinheiten ändern. Bei beiden Zielkorridoren ist nach kritischer Auswertung des Verkehrsgutachtens eine unproblematische Aufnahme der entstehenden Verkehre sehr unwahrscheinlich.

 

Bei den Annahmen des Verkehrskonzepts wurde eine Verteilung des motorisierten Individualverkehrs (MIV) angenommen, die davon ausgeht, dass 70% des MIV über die Bundesautobahn A 24 bzw. über die Bundesstraße B5 in Richtung der Hamburger Innenstadt erfolgt. Auf Nachfrage hat die Fachbehörde im Rahmen des veranstalteten Arbeitskreises am 23. August hierzu ausgeführt, dass man diese Annahme für realistisch hält, jedoch keine Vergleichszahlen aus Neuallermöhe kennen würde. Auf Nachfrage hat der Verkehrsgutachter ausgeführt, dass diese Vorgaben auf Erfahrungen aus „ähnlichen Projektgebieten“ beruhen und mit der Fachbehörde und dem Bezirksamt abgestimmt seien. Überraschend ist hier, dass die behaupteten „ähnlichen Projektgebiete“ weder dem Bezirksamt noch der Fachbehörde bekannt sind. Eine um nur 5 Prozentpunkte veränderte Annahme (also z. B. 65% in Richtung Hamburg) hätte weitreichende Auswirkung auf eine mögliche Größe Oberbillwerders. Um diese wichtige Ausgangsannahme zu konkretisieren und zu belegen, wären weitere weitreichende Voruntersuchungen durchzuführen.

 

Außerdem ist verwunderlich, dass bei der Verkehrsuntersuchung die durch die Bebauung Oberbillwerders prognostizierten Verkehrszahlen und realen Verkehrszahlen aus der Vergangenheit (teilweise bis zu 20 Jahre alte Daten) addiert wurden, um eine evtl. ausreichende Kapazität bestehender Strecken und Knotenpunkte nachzuweisen. Komplett unberücksichtigt wurden bereits beschlossene politische Zielvorgaben. Hier z. B. die durch die rot-grüne Koalition vorangetriebene Verengung der Fahrbahn des Oberen Landweges in Richtung Süden, unter der Bahnbrücke, zugunsten einer Fahrradnutzung. Hier ist auch nicht hilfreich, dass die Fachbehörde angekündigt hat, dass man bei einer Realisierung dieser Maßnahme schon den Rückbau dieser Engstelle planen würde. Lösungsorientiert kann nur sein, vor einer weiteren Betrachtung des Projekts Oberbillwerder für alle zu berücksichtigenden Verkehrsstrecken aktuelle Verkehrszahlen zu erheben, um die Entwicklung aus den diversen Entwicklungen der vergangenen Jahre zu berücksichtigen.

 

Eine Schlüsselfrage über eine mögliche Aufnahme der durch Oberbillwerder entstehenden Verkehre ist die Realisierung eines direkten Anschlusses des Ladenbeker Furtweges an die Bundesstraße B5. Dies ist auch laut Aussage des Gutachters von zentraler Bedeutung, um höhere Zahlen von Wohneinheiten in Oberbillwerder realisieren zu können. Die Meinungsbildung über diese durchaus diskussionswürdige Idee hat noch nicht einmal begonnen. Eine evtl. Finanzierung wäre nicht geklärt und eine Realisierung bis zum Start des Projekts Oberbillwerder nahezu ausgeschlossen. Hierüber ist vor der Durchführung des Verfahrens des Masterplanes eine Entscheidung zu treffen, ansonsten wäre das Projekt Oberbillwerder deutlich zu verkleinern.

 

Entgegen der geführten Diskussion würde der Auslobungstext eine Anbindung des geplanten Stadtteils Oberbillwerder durch Neuallermöhe zulassen. Dies würde dazu führen, dass erhebliche Verkehre durch bestehende Wohngebiete geführt würden. Dies ist nicht akzeptabel. Hierzu muss die Auslobung eindeutige Vorgaben machen. Das bedeutet, dass die Auslobung in diesem Thema komplett überarbeitet werden muss. Die Anbindung des Stadtteils Oberbillwerder und die maximalen aufzunehmenden Verkehre wären in der Auslobung zu konkretisieren und als Vorgaben zu formulieren und dürfen nicht Gegenstand der Planungsleistungen für den Masterplan sein.

 

Im Zuge der Diskussionen in den vergangenen Monaten ist eine Verbesserung der S-Bahn Kapazitäten angekündigt worden. Am 22. August wurde deutlich, dass auf der Linie S21 auch zukünftig keine Langzüge eingesetzt werden können. Ausschließlich auf der Strecke S2 als Verstärkerlinie wäre dies möglich. Eine Taktverdichtung ist bei der S-Bahn auch nur begrenzt möglich. Trotzdem hat die IBA in ihrem Auslobungsentwurf einen MIV von 30 bis 40% angenommen. Die rot-grüne Koalition will diese Zielvorgabe sogar auf 20% reduzieren. Ein Ziel in dieser Größenordnung hat die Fachbehörde am 23. August als völlig unrealistisch eingeschätzt. Doch eine Reduzierung des MIV ist der wesentliche Schlüssel für die Zielvorgabe der zu planenden Wohneinheiten. Um dies zu erreichen, sollen alternative Angebote entwickelt werden, die einen Verzicht auf das eigene Auto fördern. Ob dies bei 6.000 bis 7.000 Wohneinheit mit drei Car-Sharing Flächen mit jeweils 70 bis 100 m2 (also in Summe deutlich unter 20 Stellplätze) erreicht werden kann, ist extrem fragwürdig.

 

Der Verkehrsgutachter hat in seiner Stellungnahme die Reduzierung der privaten Pkw-Stellplätze als einen wichtigen Faktor für die Reduzierung des MIV dargestellt. Geht der Gutachter von einem Stellplatzschlüssel von 0,4 Stellplätzen je Wohneinheit als maximale Grenze aus und hält so einen MIV von 30 bis 40 % für grundsätzlich realistisch, fordert die rot-grüne Koalition in ihrem Antrag 50% mehr Stellplätze und somit einen Stellplatzschlüssel von bis zu 0,6 Stellplätzen je Wohneinheit. Dies trifft zwar eher die realen Lebensgewohnheiten, wirkt sich jedoch negativ auf die Reduzierung des MIV aus. Trotzdem geht die rot-grüne Koalition von einem MIV-Zielwert von 20% aus. Die Sinnhaftigkeit dieses Ansatzes kann nicht im Ansatz erkannt werden. Selbst die Annahme eines MIV von 30% ist bei den Limitierungen der S-Bahn und den geringen Flächenangeboten für Car-Sharing-Angebote sehr unrealistisch. Vielmehr ist die verkehrliche Untersuchung mit einem minimalen MIV von 40% mit einem geeigneten Sicherheitsaufschlag erneut durchzuführen. Die vorliegende Auslobung fordert zu einer Planung auf, die schon im Ansatz als unrealistisch zu bezeichnen ist.

 

Erschwerend kommt hinzu, dass bei der Verkehrsuntersuchung nicht alle zu erwartenden Verkehre berücksichtigt worden sind. Sind nur Verkehre für ca. 3.700 Arbeitsplätze berücksichtigt, sollen jedoch zwischen 4.000 und 5.000 Arbeitsplätze in Oberbillwerder entstehen. Die zu erwartenden Verkehre auf Grund der Schulen und der Kindertageseinrichtungen wurden gänzlich unberücksichtigt. Auch die zu planenden Sportanlagen (inkl. Schwimmbad) sind verkehrlich nicht berücksichtigt worden. Der Fachplaner hat hierzu am 8. September erklärt, dass diese Nutzungen ihm bei der Erstellung des Gutachtens nicht bekannt waren. Ein Gutachten kann nur so gut sein, wie die zur Verfügung gestellten Annahmen. Hier sind erhebliche Mängel zu erkennen, die man dem Gutachter nicht anlasten kann. Jedoch sind die Ergebnisse dadurch nicht ausreichend belastbar. Vor der Veröffentlichung einer Auslobung ist hier zwingend nachzubessern. Nach einer überschlägigen Rechnung, unter Berücksichtigung der vorhandenen Verkehrstrassen und geplanten Nutzungen, ist eine Anzahl von über 4.000 Wohneinheiten nicht realisierbar und selbst in dieser Größenordnung fragwürdig.

 

Weiter fehlt der Auslobung eine motivierende Perspektive. Die durch die diversen Diskussionen entstandenen Ideen (Unterflurmüllsysteme, ökologische Vorgaben etc.) wurde in der Auslobung nicht weiterverfolgt, gestrichen oder unter dem Finanzierungsvorbehalt gestellt. Dabei sind ausschließlich geringe Mieten prioritär zu verfolgen. Günstige Mieten sind sicherlich ein ehrenhaftes Ziel, jedoch sollte Oberbillwerder nicht auch ein besonderer, einzigartiger Stadtteil mit einem oder mehreren Alleinstellungsmerkmalen sein? Dies ist mit dieser Auslobung nicht zu erwarten. Vielmehr gewinnt man den Eindruck, dass hier nur eine hohe Anzahl von Wohneinheiten ohne jeden städtebaulichen Gestaltungswunsch umgesetzt werden sollen. Dafür spricht u. a., dass zwingend eine 6m hohe Lärmschutzwand an dem Bahndamm vorzusehen ist. Alternative städtebauliche Lösungen für den Lärmschutz sind nicht gewünscht.

 

In den Bereichen des Energiekonzepts und der Entwässerung sind noch viele Fragen ungeklärt. Dies ist in einem so frühen Stand auch nicht verwunderlich. Problematisch ist jedoch, dass die wenigen vorhandenen Ideen hierzu wieder unter dem Finanzierungvorbehalt der Priorität von zu entwickelnden geringen Mieten stehen soll. So ist zu erwarten, dass von den guten Ansätzen nicht viel übrig bleiben wird. Z.B. soll die thermische Nutzung der Sonnenenergie der elektrischen Nutzung Vorrang gegeben werden. Jedoch soll die mit höheren Verlusten zu transportierende Wärmeenergie zumindest teilweise außerhalb des Planungsgebiets gewonnen werden. Der aktuelle Diskussionsstand macht deutlich, dass hier noch grundlegende Fragen zu klären sind und die Auslobung eines Masterplans zu früh kommt.

 

Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger haben sich kritisch über die geplante Dichte geäußert. So soll Oberbillwerder eine Dichte erhalten, die mehr als doppelt so hoch ist, wie in den beiden Teilen Neuallermöhes. Kritische Äußerungen will der Änderungsantrag der rot-grünen Koalition mit ihrem Änderungsantrag zumindest teilweise einfach streichen. Dies ist zum Beginn eines wettbewerblichen Dialoges der völlig falsche Ansatz. Offenheit und Transparenz, auch mit kritischen Stimmen, ist eine Grundvoraussetzung für ein Gelingen eines Beteiligungsverfahrens. In der Auslobung werden in der Darstellung der öffentlichen Veranstaltungen auch zahlreiche Hinweise dargestellt. Leider fließt der überwiegende Anteil der Hinweise nicht im Ansatz in die Auslobung ein. Eine Darstellung der Beweggründe für die Nichtbeachtung der Bürgeransätze wird nicht geliefert. Bürgerbeteiligung muss man wollen und nicht nur notgedrungen durchführen. Die Auslobung wird hier den Ansprüchen nicht gerecht.

 

Am 1. September ist durch die IBA auf Nachfrage der Vertreter der Bezirksversammlung eröffnet worden, dass durch die erfolgte Ankündigung des Wettbewerbsverfahrens die Wertungskritieren und deren Gewichtung in der Auslobung nicht mehr verändert werden dürfen. An der Ausgestaltung der Wertungskriterien gibt es jedoch Kritik. Die städtebauliche Unterstützung der Reduzierung des MIV sollte konkretes Wertungskriterium werden. Die Gewichtung des Honorars ist diskussionswürdig. Dass jedoch ohne Einbeziehung der Bezirksversammlung die Wertungskritereien und deren Gewichtung unveränderbar festgelegt wurden, stellt eine grobe Verletzung der Vereinbarung und Verabredung dar. Dies ist nur durch eine sofortige Beendigung des Verfahrens und einen gemeinsamen Neubeginn zu heilen. Wenn die wichtigsten Punkte der Auslobung einer Beeinflussung durch die Bezirksversammlung bewusst entzogen wurden, ist die Auslobung nur aus diesem Grund schon abzulehnen.

 

Auf die vom Senat nicht ausreichend dargestellte städtebauliche Notwendigkeit der Realisierung Oberbillwerders, bei einer gleichzeitigen Nichtentwicklung im öffentlichen Konsens gefundenen Wohnbauflächen (s. Drucksache 20/1073), sei nur am Rande hingewiesen.

 

Die o. a. Punkte stellen nur einen kleinen Ausschnitt der berechtigten Kritik an der vorliegenden Auslobung und dem vorliegenden Antrag der SPD/Grünen-Koalition dar. Aber schon diese Punkte machen deutlich, dass das Projekt noch nicht reif genug ist, in die nächste Phase zu treten. Auch alternative Wohnungsbauideen in städtebaulich besseren Lagen sind nicht ausreichend betrachtet und diskutiert worden.

 

Die Ausgrenzung der Bezirksversammlung an der Festlegung der Wertungskriterien und deren Gewichtung ist nicht zu akzeptieren und macht deutlich, dass dieses Projekt nicht zwischen dem Senat und dem Bezirk auf Augenhöhe entwickelt wird. Oberbillwerder soll laut Aussage der IBA in den nächsten 10 Jahren entwickelt werden. Es ist unverständlich, warum am Anfang des Projekts hier eher die Geschwindigkeit als die Qualität verfolgt wird.

 

 

Petitum/Beschluss

 

Aus diesem Gründen beantragen wir, die Bezirksversammlung möge beschließen:

 

Die Bezirksversammlung lehnt die Auslobungsunterlage „Oberbillwerder – Wettbewerblicher Dialog“ ab und fordert eine grundlegende Überarbeitung. Das Verfahren ist bis auf weiteres auszusetzen.

 

 

Anhänge

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