22-0201

Vertrauenskrise in die Demokratie überwinden: Neuwahl der Bezirksamtsleitung mit einer Stärkung der Bezirke verbinden! Dringlicher Antrag der Fraktion DIE LINKE

Antrag öffentlich

Letzte Beratung: 26.09.2024 Bezirksversammlung Ö 7.4

Sachverhalt

Die Neuwahl der Bezirksamtsleitung im kommenden Jahr ist eine der bedeutendsten Entscheidungen in der 22. Wahlperiode der Bezirksversammlung Altona. Als Dienstvorgesetzte ist die Bezirksamtsleitung für rund 1.000 Mitarbeitende verantwortlich, welche eine Vielzahl unterschiedlicher öffentlicher Dienstleistungen für die Altonaer:innen erbringen. Dazu zählen z.B. die Verlängerung von Aufenthaltstiteln, die Erteilung von Baugenehmigungen, die Aufstellung von Bebauungsplänen, die Durchsetzung des Baumschutzes bis hin zur Bewilligung von Grundsicherung oder Wohngeld. Daher hat die Entscheidung darüber, wer das Bezirksamt künftig leiten soll, großen Einfluss darauf, in welche politische Richtung sich Altona in den nächsten Jahren weiterentwickelt. Die Wahl einer neuen Bezirksamtsleitung findet in einem schwierigen politischen Umfeld statt, das von einer Vertrauenskrise in die Demokratie gekennzeichnet ist. Viele Bürger:innen wenden sich von den Chancen einer demokratischen Teilhabe ab: In Stadtteilen mit niedrigem Einkommensdurchschnitt gehen nur noch Wenige zur Wahl. Ein Erstarken des Rechtspopulismus ist festzustellen. Die Vertrauenskrise in die Demokratie ist zudem hausgemacht: Es gibt in Altona seit Jahren eklatante Verstöße gegen Demokratie und Transparenz vor allem bei größeren Bauvorhaben. Eine Große Anfrage unserer Fraktion ergab kürzlich, dass 2022 wesentliche Weichenstellungen des geplanten sukzessiven Abrisses und Neubaus der Wohnanlage Luthergrund in Bahrenfeld in mehreren Kungelrunden mit ausgewählten Vertreter:innen von GRÜNEN, SPD und CDU, Vertreter:innen der bezirklichen Bauverwaltung und des Eigentümers im Beisein der Bezirksamtsleiterin vorbereitet wurden. Vertreter:innen der Fraktionen DIE LINKE und FDP waren ausgeschlossen. Indem sie dieses undemokratische Gekungel zulässt, fördert die Bezirksamtsleiterin Politikverdrossenheit und stärkt so indirekt demokratiefeindliche Kräfte. Das Amt muss den Bauausschuss und den Stadtplanungsausschuss regelmäßig über stattgefundene Investorengespräche informieren. Soweit die Politik beteiligt wird, sind die Vertreter:innen aller demokratischen Fraktionen einzuladen.

 

Wir nehmen die anstehende Neuwahl der Bezirksamtsleitung zum Anlass, um eine umfassende demokratische Reform der Hamburgischen Bezirksverfassung zu fordern. Altona mit seinen rund 280.000 Einwohner:innen ist eine Großstadt und hat nicht einmal die Rechte einer kreisangehörigen Gemeinde. Wir treten für eine politische Stärkung der Bezirke und der lokalen Demokratie ein. Dazu zählt ein eigenes Haushaltsrecht des Bezirks, die Abschaffung der zentralistischen Einheitsgemeinde und eine direkte Wahl der Bezirksamtsleitung durch die Bürger:innen, vergleichbar den Bürgermeisterwahlen in den Flächenstaaten unseres Landes.

 

Frühzeitig sollten Auswahlkriterien, Ausschreibungstext und terminlicher Fahrplan für die Wahl der neuen Bezirksamtsleitung festgelegt werden. Alle Bewerber:innen sollten sich vor der Auswahlentscheidung in einer öffentlichen Dialogveranstaltung den Fragen der Altonaer:innen stellen.

 

Wir sind davon überzeugt, dass umfassende demokratische Reformen und mehr Transparenz erheblich dazu beitragen können, verlorengegangenes Vertrauen der Bürger:innen in die Demokratie zurückzugewinnen.

 

Vor diesem Hintergrund beantragt die Fraktion DIE LINKE folgendes:

 

  1. Die Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke (BWFGB) wird gemäß § 27 Abs. 1 BezVG aufgefordert, als Sofortmaßnahme kurzfristig einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes mit dem Ziel auszuarbeiten, die Direktwahl der Bezirksamtsleitung in Altona sowie allen anderen Bezirken durch die zur jeweiligen Bezirksversammlung Wahlberechtigten einzuführen. Die BWFGB wird gebeten, einen Senatsbeschluss darüber herbeizuführen, dass diese Gesetzesinitiative zur Beschlussfassung in die Hamburgische Bürgerschaft eingebracht wird.

 

  1. Die BWFGB wird gemäß § 27 Abs. 1 BezVG aufgefordert, einen Gesetzentwurf für eine grundsätzliche Reform der Hamburgischen Bezirksverfassung für Altona und alle anderen Bezirke mit dem Ziel auszuarbeiten, das Prinzip der Einheitsgemeinde abzuschaffen und den Bezirken ein eigenes Haushaltsrecht zu übertragen. Die BWFGB wird gebeten einen Senatsbeschluss darüber herbeizuführen, dass diese Gesetzesinitiative zur Beschlussfassung in die Hamburgische Bürgerschaft eingebracht wird.

 

  1. Mit der Zielsetzung die Informationspflichten des Bezirksamtes an den Bau- und Stadtentwicklungsausschuss zu Bauangelegenheiten zu erweitern, wird die Vorsitzende der Bezirksversammlung gebeten, im Rahmen der Verhandlungen mit der Bezirksamtsleitung zur Neufassung der § 19 Abs. 1 BezVG Vereinbarung für die 22. Wahlperiode folgendes aufzunehmen:

 

Das Bezirksamt informiert den Bauausschuss und den Stadtentwicklungsausschuss einmal monatlich mit einer schriftlichen Mitteilungsdrucksache über stattgefundene Besprechungstermine mit Grundeigentümer:innen, Vorhabenträger:innen und Investor:innen. Die Informationspflicht bezieht sich auf Termin, Benennung der betreffenden Bauangelegenheit und Teilnehmer:innen der jeweiligen Besprechung.“

 

  1. Die Bezirksversammlung bekräftigt, dass die Stelle der Bezirksamtsleitung öffentlich ausgeschrieben werden soll. Sie spricht sich dafür aus, insbesondere folgende Auswahlkriterien in den Ausschreibungstext aufzunehmen:

 

-          Transparentes Handeln gegenüber der Bevölkerung

-          Selbstbewusste Vertretung der Altonaer Interessen gegenüber dem Hamburger Senat einschließlich der Bereitschaft zum offenen Konflikt, wenn dies notwendig ist

-          Respektierung von Mehrheitsbeschlüssen der Bezirksversammlung

-          Dialog- und teamorientierter Führungsstil.

 

  1. Die Bezirksversammlung erklärt, dass sie vor der Auswahlentscheidung eine öffentliche Dialogveranstaltung, in der sich alle Bewerber:innen für die Stelle der Bezirksamtsleitung kurz vorstellen und von der Bevölkerung befragt werden können, durchhrt.

 

  1. Das Bezirksamt wird gemäß § 19 Abs. 2 BezVG aufgefordert, ggf. in Abstimmung mit der BWFGB und anderer zuständiger Behörden, dem Hauptausschuss zur Sitzung am 10. Oktober 2024 einen Vorschlag für die terminliche Ablaufplanung für Ausschreibung, Auswahlverfahren und Wahl der neuen Bezirksamtsleitung vorzulegen, der mindestens folgende Verfahrensschritte umfasst:

 

-          Ausformulierung des Ausschreibungstextes

-          Bildung der Auswahlkommission

-          Vorschlag für die terminliche Lage der Bewerbungsfrist im Ausschreibungsverfahren

-          Vorschlag für Sitzungstermine der Auswahlkommission

-          Terminvorschläge für eine öffentliche Veranstaltung zur Befragung aller Bewerber:innen für die Stelle der Bezirksamtsleitung

-          Terminvorschläge für die Wahl der Bezirksamtsleitung.

 

 

Petitum/Beschluss

:

Die Bezirksversammlung wird um Zustimmung gebeten.

 

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