Schwerverletzte und Tote im Straßenverkehr 2024 Vision ZERO Hamburg Auskunftsersuchen von Lars Andersen, Gesche Boehlich, Benjamin Harders, Meike Lohkamp, Rolf Stünitz, Dana Vornhagen und Florian Wesselkamp Holzer (alle Fraktion GRÜNE)
Letzte Beratung: 15.09.2025 Mobilitätsausschuss Ö 7.5
Im Jahr 2007 hat sich Hamburg als Mitglied des Deutschen Verkehrssicherheitsrats zur Vision Zero als Grundlage der Verkehrssicherheitsarbeit verpflichtet. Keine Toten und keine Schwerverletzten sind das Ziel der Vision Zero. Diese ethische Sichtweise steht im Einklang mit den Wertevorstellungen unserer Gesellschaft. Um das Ziel zu erreichen, muss das Menschenmögliche getan werden. Für die Verkehrssicherheitsarbeit ist die Erkenntnis entscheidend, dass sich Menschen oft nicht fehlerfrei verhalten. Daher muss ihr Umfeld – Fahrzeuge und Infrastruktur – so gestaltet werden, dass schwere Crashs verhindert werden, insbesondere durch geringere zulässige Höchstgeschwindigkeiten.
Die Bundesregierung hatte für den Zeitraum 2011 – 2020 das Ziel ausgegeben, dass die Zahl der Getöteten um 40 % sinken sollte. Für den Zeitraum 2021 bis 2030 wurde das Ziel als „gemeinsame Strategie für die Verkehrssicherheitsarbeit – Pakt für Verkehrssicherheit“ erneuert. Die EU-Kommission möchte die Zahl der Verkehrstoten bis 2050 auf null senken.
Während sich die Zahl der Schwerverletzten in Hamburg über zehn Jahre leicht reduziert hat, lag die Zahl der Verkehrstoten 2024 genau 50 % oberhalb des Durchschnitts der letzten zehn Jahre und nicht wie geplant 40 % darunter.
Jahr |
2015 |
2016 |
2017 |
2018 |
2019 |
2020 |
2021 |
2022 |
2023 |
2024 |
ø |
Schwer-verletzte |
880 |
830 |
850 |
856 |
777 |
721 |
771 |
821 |
702 |
677 |
789 |
Tote |
20 |
29 |
28 |
29 |
28 |
15 |
21 |
24 |
28 |
39 |
26 |
Die 1997 in Schweden beschlossene „Nullvision“ berücksichtigt die begrenzte „biologische Toleranz des Menschen gegenüber äußerer Gewalt. [...] Die meisten Menschen, die von einem Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 30 km/h angefahren werden, überleben. Die meisten Menschen, die von einem Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h angefahren werden, sterben.“ (Vagverket/Schwedisches Zentralamt für Straßenwesen: Die Nullvision in Schweden)
Im Juni 2021 hat der Bundesrat folgende Ergänzung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VWV-StVO) zu § 1 StVO, Grundregeln beschlossen: „Oberstes Ziel ist dabei die Verkehrssicherheit. Hierbei ist die „Vision Zero“ (keine Verkehrsunfälle mit Todesfolge oder schweren Personenschäden) Grundlage aller verkehrlichen Maßnahmen.“
Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr hat 2020 eine StVO-Novelle durchgesetzt, die die Schwächeren besser schützen soll, insbesondere Fußgänger und Radfahrer. Sie sei die fahrradfreundlichste Novelle der Straßenverkehrs-Ordnung, die es je gab: „Mit einem Mindestüberholabstand, Überholverbot an Engstellen, Schrittgeschwindigkeit beim Rechtsabbiegen von Lkw, Halteverbot auf Schutzstreifen, erleichterte Einrichtung von Fahrradzonen.“ Im Bezirk Altona werden nach und nach 30 km/h-Strecken im Umfeld von sozialen Einrichtungen eingerichtet und 30 km/h-Zonen in Wohngebieten erweitert. Besonders im Fokus steht im Jahr 2025 die Verbesserung der Schulwegsicherheit.
Für das Kalenderjahr 2015 ist eine Feststellung der 20 wichtigsten Unfallhäufungsstellen (UHS) an Knotenpunkten in Hamburg durch die Unfallkommission vorgenommen worden. Als Kriterium für die Auswahl der UHS wurde dabei der volkswirtschaftliche Gesamtschaden betrachtet (vgl. Vision ZERO – Konzept für mehr Verkehrssicherheit in Hamburg, Drs. 21/15572).
Vor diesem Hintergrund ersuchen wir die Behörde für Inneres und Sport (BIS) gemäß § 27 BezVG um Auskunft:
[Redaktioneller Hinweis: Auskünfte der Behörde für Inneres und Sport im Folgenden in kursiv.]
Die Unfallzahlen wurden durch eine Auswertung der Datenbank „Elektronische Unfalltypensteckkarte“ (Euska) vom 19. Juni 2025 ermittelt. Ausgewertet wurde der Zeitraum vom 1. Januar 2024 bis zum 31. Dezember 2024.
Dies vorausgeschickt, beantwortet die Behörde für Inneres und Sport die Fragen wie folgt:
Die tabellarische Darstellung ist der Anlage 1 zu entnehmen. Einem Beteiligten können bis zu drei Verkehrsunfallursachen zugewiesen werden.
Unfallbezogene Präventionsmaßnahmen fanden und finden unabhängig von den beiden Verkehrsunfällen (VU) statt.
VU in der Reventlowstraße:
Die Polizei Hamburg hat zur Überwachung des Schwerlastverkehres eine eigene Dienstgruppe Schwerlast geschaffen, um die Verkehrsüberwachung im Segment Schwerlastverkehr auf einem hohen Niveau leisten zu können. Bei schweren und tödlichen Verkehrsunfällen mit Lkw-Bezug werden sie zur sklärung (technische Ausrüstung, Auslesen EG-Kontrollgerät, etc.) eingebunden.
VU in der Kieler Straße/Luna Park:
Die Polizei Hamburg überwacht mittels stationärer und mobiler Messanlagen flächendeckend das Geschwindigkeitsniveau. Hinzu kommen Einsätze, bei denen die Geschwindigkeit durch „Handlaser“-Geräte festgestellt wird. Die Dienstgruppe (DG) Autoposer führt Maßnahmen im Rahmen der täglichen Streifen im gesamten Stadtgebiet durch. Darüber hinaus werden lageorientierte und zielgerichtete Maßnahmen in Bereichen durchgeführt, die durch Hinweise (z.B. aufgrund der Verkehrsunfalllage) oder eigene Feststellungen identifiziert wurden. Dazu zählen besonders große und gut ausgebaute Straßen, wie im vorliegenden Fall die Kieler Straße. Seitens der Verkehrsdirektion (VD) 6 werden insbesondere junge Erwachsene im Rahmen der allgemeinen Verkehrsprävention auf Veranstaltungen regelmäßig über die Risiken von nicht angepasster Geschwindigkeit aufgeklärt. Präventionsveranstaltungen mit der Zielgruppe „Fahranfänger“ finden in Berufsschulen, auf Messen oder an allgemeinen Informationsständen statt. In Hamburg hat sich zudem seit Mitte 2008 das „Forum Verkehrssicherheit“ als Institution im Zusammenhang mit präventiver Verkehrssicherheitsarbeit in Hamburg bewährt. Hier ist eine Vernetzung von Behörden, Verbänden und Firmen etabliert, welche sich zielgerichtet in Arbeitsgruppen mit Präventionsmaßnahmen zu allen Verkehrsbeteiligungen auseinandersetzt. Die VD 6, als zuständige Dienststelle für Verkehrsprävention, ist ein Partner des „Forum Verkehrssicherheit“ und unter anderem auch vertreten in dem Arbeitskreis „Pkw / Krad“. Gemeinsam mit Forumspartnern werden präventive Veranstaltungen geplant und durchgeführt. Auch im Rahmen von Schwerpunkteinsätzen zum Thema Geschwindigkeit führt die VD 6 Gespräche mit angehaltenen Betroffenen und klärt über die Risiken von nicht angepasster Geschwindigkeit auf. Daneben engagiert sich die Polizei Hamburg in der Verkehrssicherheitskampagne „Hamburg gibt Acht!“, die ihren Fokus auf die Prävention legt und Hinweise und Verhaltensregeln für ein respektvolles und sicheres Miteinander im Straßenverkehr gibt.
Die tabellarische Darstellung ist der Anlage 2 zu entnehmen.
Insofern die VU innerhalb einer Unfallhäufungsstelle (UHS) geschehen, werden diese VU zusammen mit der UHS auf örtlicher Ebene (zuständiges Polizeikommissariat) sowie überregional (zentrale Straßenverkehrsbehörde (VD 5) betrachtet und geeignete Maßnahmen getroffen. Ebenso findet im Rahmen der Unfallkommissionsarbeit ein enger Austausch zwischen den Baulastträgern wie z.B. dem Bezirksamt, Landesbetrieb Straßen Brücken und Gewässer sowie der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende statt, sodass konkrete Präventionsarbeit (Einbindung von Interessenverbänden/ Forum Verkehrssicherheit, u. a.), Betrachtung des Verkehrsraumes sowie zielgerichtete polizeiliche Maßnahmen in den Zuständigkeitsbereichen geleistet werden.
Darüber hinaus werden zur Verkehrsunfallanzeige polizeiinterne Ereignisberichte gefertigt, welche regelhaft polizeiliche Maßnahmen, z. B. straßenverkehrsbehördliche Vorhaben sowie zielgerichtete Kontrollen (z. B. Rotlichtüberwachung), auslösen.
Konkrete Maßnahmen bei VU mit Schwerverletzten werden statistisch nicht erhoben.
Im Übrigen siehe Antwort zu 1.
Es konnten 159 Verkehrsunfälle mit Beteiligung von Fußgängern notiert werden.
Hauptunfallursache |
Anzahl |
|
Verbotswidr. Benutzung der Fahrbahn oder and. Straßenteile (z.B. Gehweg, Radweg) |
5 |
|
Ungenügender Sicherheitsabstand |
1 |
|
Sonstige Fehler beim Überholen |
1 |
|
Nichtbeachten der Regel 'rechts vor links' |
1 |
|
Missachtung der Verkehrsregelung durch Polizeibeamte oder Lichtzeichen |
3 |
|
Fehler beim Abbiegen (§ 9) nach rechts (ausgen. Pos. 33,40) |
4 |
|
Fehler beim Abbiegen (§ 9) nach links (ausgen. Pos. 33, 40) |
5 |
|
Fehler beim Wenden oder Rückwärtsfahren |
10 |
|
Fehler beim Einfahren in den fließenden Verkehr (Grundstück, beim Anfahren) |
1 |
|
Falsches Verhalten gegenüber Fußgängern an Fußgängerüberwegen |
4 |
|
Falsches Verhalten gegenüber Fußgängern an Fußgängerfurten |
2 |
|
Falsches Verhalten gegenüber Fußgängern beim Abbiegen |
8 |
|
Falsches Verhalten gegenüber Fußgängern an Haltestellen, Schulbussen |
2 |
|
Falsches Verhalten gegenüber Fußgängern an anderen Stellen |
12 |
|
Andere Fehler beim Fahrzeugführer |
31 |
|
an Stellen mit Polizei-/ Lichtzeichengeregeltem Fußgängerverkehr |
3 |
|
i.d. Nähe von Kreuzungen, Einmünd., Lichtzeichenanl., Fußgängerüberweg |
7 |
|
an anderen Stellen durch plötzliches Hervortreten hinter Sichthindernissen |
10 |
|
an anderen Stellen ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten |
16 |
|
an anderen Stellen durch sonstiges falsches Verhalten |
8 |
|
Andere Fehler der Fußgänger |
25 |
|
Gesamt |
159 |
Es konnten 651 Verkehrsunfälle mit Beteiligung von Fahrradfahrern notiert werden.
Hauptunfallursache |
Anzahl |
Benutzung der Fahrbahn entgegen der vorgeschr. Fahrtrichtung in anderen Fällen |
7 |
Verbotswidr. Benutzung der Fahrbahn oder and. Straßenteile (z.B. Gehweg, Radweg) |
12 |
Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot |
2 |
Nicht angepasste Geschwindigkeit in anderen Fällen |
8 |
Ungenügender Sicherheitsabstand |
13 |
Starkes Bremsen des Vorausfahrenden ohne zwingenden Grund |
1 |
Überholen trotz Gegenverkehrs |
3 |
Überholen trotz unklarer Verkehrslage |
1 |
Sonstige Fehler beim Überholen |
13 |
Nichtbeachten der entgegenk. Fz. beim Vorbeifahren an Hindernis usw. |
1 |
Fehlerhafter Fahrstreifenwechsel oder Reißverschlusssystem-Missachtung |
5 |
Nichtbeachten der Regel 'rechts vor links' |
11 |
Nichtbeachten der die Vorfahrt regelnden Verkehrszeichen |
31 |
Missachtung der Verkehrsregelung durch Polizeibeamte oder Lichtzeichen |
14 |
Nichtbeachten des Vorranges entgegenkommender Fahrzeuge (Z.208) |
1 |
Fehler beim Abbiegen (§ 9) nach rechts (ausgen. Pos. 33,40) |
40 |
Fehler beim Abbiegen (§ 9) nach links (ausgen. Pos. 33, 40) |
41 |
Fehler beim Wenden oder Rückwärtsfahren |
13 |
Fehler beim Einfahren in den fließenden Verkehr (Grundstück, beim Anfahren) |
39 |
Falsches Verhalten gegenüber Fußgängern an Fußgängerüberwegen |
1 |
Falsches Verhalten gegenüber Fußgängern an anderen Stellen |
2 |
Verkehrswidriges Verhalten beim Ein- oder Aussteigen oder Be- oder Entladen |
14 |
Andere Fehler beim Fahrzeugführer |
358 |
an anderen Stellen durch plötzliches Hervortreten hinter Sichthindernissen |
6 |
an anderen Stellen ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten |
7 |
an anderen Stellen durch sonstiges falsches Verhalten |
3 |
Andere Fehler der Fußgänger |
4 |
Gesamt |
651 |
Die tabellarische Darstellung ist der Anlage 3 zu entnehmen.
Eine Unterteilung der Unfallhäufungsstellen (UHS) in wichtig oder unwichtig erfolgt nicht. Die Unfallkommission (UKO) (regional auf PK-Ebene und zentral VD 5) betrachtet gem. der Vorgaben aus der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (§ 44 VwV-StVO) Unfallhäufungsstellen. Eine Priorisierung bei der Bearbeitung von Unfallhäufungsstellen erfolgt im Hinblick auf die Beteiligung der schwächsten Verkehrsteilnehmenden, wie Radfahrende und zu Fuß Gehende.
Innerhalb des Bezirks Altona sowie in den anderen Bezirken wurden ein Mal im Jahr (seit 2025 zwei Mal im Jahr) unter Nutzung der Software Euska Suchläufe gemäß M Uko (Hamburger Parameter/ Suchläufe) durchgeführt. Hierbei wurden bzw. werden definierte Parameter angesetzt, welche zur Identifizierung von UHS führen. Jedes Polizeikommissariat verfügt in Euska über eine Liste der UHS und kann diese in Eigenverantwortung, unter Einbindung der VD 5 sowie weiterer Institutionen betrachten. Eine statistische Erhebung hierüber liegt nicht vor.
Im Jahr 2024 wurde in der zentralen UKO (VD 5) keine UHS aus der Region Altona behandelt.
Siehe Antwort zu 5.
Jeder Verkehrstote in Hamburg ist einer zu viel. Als Mitglied des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) ist die Vision Zero für die BIS Grundlage der Verkehrssicherheitsarbeit. Die BIS unterstützt die Bundesregierung im Rahmen des „Pakts für Verkehrssicherheit“ dabei, ihr Ziel von 40% weniger Verkehrstoten bis 2030 zu erreichen, u.a. durch präventive und repressive Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit, Verkehrserziehung an Hamburgs Schulen und Beteiligung an der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Verkehrssicherheit“.
Die Bezirksversammlung wird um Kenntnisnahme gebeten.
Anlage 1: Tabellerische Darstellung zu Frage 1
Anlage 2: Tabellarische Darstellung zu Frage 2
Anlage 3: Tabellarische Darstellung zu Frage 5
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