21-0477

Geruchsbelästigung in Stellingen/Bahrenfeld Auskunftsersuchen von Lars Andersen, Benjamin Harders, Nadine Neumann, Holger Sülberg (Fraktion GRÜNE), Dr. Kaja Steffens (CDU-Fraktion), Andreas Bernau, Sabine Köster (SPD-Fraktion), Karsten Strasser (Fraktion DIE LINKE) und Wolf Achim Wiegand (FDP-Fraktion)

Auskunftsersuchen

Letzte Beratung: 10.02.2020 Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt und Verbraucherschutz Ö 2

Sachverhalt

Seit 2016 erreichen die Bezirksversammlung Altona Beschwerden über Schwefel- oder Asphaltgerüche in Stellingen. Immer wieder klagen Anwohner*innen über Gesundheitsbeeinträchtigungen wie beispielsweise Atemprobleme, Hustenreiz, Augenreizungen. Betroffene vermuten die Emissionsquelle bei einem Asphaltwerk der Firma ASPA/Kemna in Bahrenfeld. Dem Bezirksamt Altona liegt eine umfassende Beschwerdelage vor.

 

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Behörde für Umwelt und Energie (BUE) gem. § 27 BezVG:

 

  1. Welche Beschwerden oder Strafanzeigen liegen der Behörde für Umwelt und Energie über Geruchsbelästigungen im Umfeld der Straßen Försterweg und Rondenbarg sowie im Wohngebiet Stellinger Linse seit Anfang 2016 vor? Bitte listen Sie tabellarisch das Datum der Beschwerde, den angegebenen Zeitpunkt (Datum, Uhrzeit) oder Zeitraum des Auftretens der Geruchsbelästigung, den Ort der Geruchsimmission, die ggf. festgestellte Emissionsquelle und die Beschreibung des Geruchs auf.

 

  1. Ist eine Systematik zwischen dem örtlichen Auftreten der Geruchsbelästigungen und bestimmten Wetterlagen erkennbar? Wenn ja, welche?

 

  1. Ist eine Systematik aufgrund des zeitlichen Auftretens der Geruchsbelästigungen, der Geruchsimmissionsprognosen sowie der Detailbetrachtungen der Produktionsprozesse des Asphaltwerks ASPA erkennbar? Wenn ja, welche?

 

  1. Welche Daten über die Produktionsprozesse des Asphaltwerks stehen der Behörde für Umwelt und Energie zur Verfügung?

 

  1. Üblicherweise erfolgt die Asphaltproduktion auftragsbezogen und damit diskontinuierlich. Welche Produktionsprozesse des Asphaltwerks kommen aufgrund des zeitlichen und örtlichen Auftretens der Geruchsbelästigungen als Ursache der Geruchsimmissionen in Betracht?

 

  1. Dem Ausschuss liegt aus der Bürgerschaft die Schriftliche Kleine Anfrage 21/18198 vor. Demnach betreibt die Firma ASPA auf ihrem Gelände drei Anlagen, die nach dem BImSchG genehmigt wurden. Welche Emissionsgrenzwerte für welche Stoffe und Geruchsimmissionsgrenzwerte wurden im Genehmigungsbescheid des Asphaltwerks festgelegt? Haben sich seit Genehmigung der Anlage der Firma ASPA die gesetzlichen Grenzwerte verändert?

 

  1. Nach Angaben der betroffenen Bürger*innen treten die Beeinträchtigungen verstärkt seit den Jahren 2015/2016 auf. Sind seitdem bei der Firma ASPA zusätzliche Anlagen in Betrieb bzw. erfolgten Anträge auf eine Ausweitung derselben? Wurde seit diesem Zeitpunkt die Produktionsmenge signifikant ausgeweitet bzw. die Produktionsweise verändert?

 

  1. Kommen unter Berücksichtigung des örtlichen und zeitlichen Auftretens als mögliche Emissionsquellen neben dem Asphaltwerk in Bahrenfeld weitere Emittenten als Verursacher in Betracht? Wenn ja, welche?

 

  1. Wann haben welche Messungen (seit 2016) stattgefunden? Wurden dabei Überschreitungen von Emissionsgrenzwerten oder Geruchsimmissionsgrenzwerten festgestellt? Wenn ja, wo und welche Werte?

 

  1. Erfolgen die Emissionsmessungen ohne Vorankündigung? Gibt es zeitliche Vorgaben für derartige Messungen, die beispielsweise an den Produktionsprozess geknüpft sind?

 

  1. Können die Stationen des Hamburger Luftmessnetzes, die Emissionen des Asphaltwerks erfassen? Sind einzelne Peaks ablesbar, die sich zeitlich bestimmten Quellen zuordnen lassen?

 

  1. Welche weiteren Messungen sind in dem betroffenen Wohngebiet geplant?

 

  1. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) ist in Hamburg nicht als Verwaltungsvorschrift bindend und dient als Orientierungs- und Abwägungsgrundlage. Wurde in den betroffenen Wohngebieten die GIRL als Grundlage herangezogen. Wenn nein, ist dies künftig möglich und welche Voraussetzungen müssten dafür gegeben sein?

 

  1. Welche Maßnahmen werden umgesetzt, um die Immissionen in dem betroffenen Wohngebiet zu reduzieren?

 

Die Behörde für Umwelt und Energie (BUE) beantwortet die Fragen wie folgt:

 

Zu 1:

Die BUE hat am 20.02.2017 fernmündlich von der Polizei (WSP 51) Kenntnis von einer Strafanzeige gegen die ASPA GmbH erhalten. Die Strafanzeige selbst liegt der BUE nicht vor. Im Rahmen des polizeilichen Ermittlungsverfahrens wurden 2018 von der Polizei verschiedene Informationen zum Asphaltmischwerk (Genehmigungsbescheide, Messberichte, Gutachten, Sicherheitsdatenblätter) abgefordert.

 

Die Beschwerden über Geruchsbeeinträchtigungen im Umfeld der ASPA GmbH werden bei der BUE jeweils mit Datum, Ort und der vorherrschenden Windrichtung tabellarisch erfasst (s. Anl. 1). Beschwerden, bei denen die ASPA GmbH aufgrund der Windrichtung nicht als Verursacher in Betracht kommt, werden gekennzeichnet; ebenso Orte, die keinen ständigen Aufenthaltsort von Personen darstellen.

 

Die tabellarische Auflistung der zum betreffenden Zeitpunkt bei der ASPA GmbH statt­findenden Produktionsprozesse erfolgt nicht, da bereits nach mehreren Beschwerden sichtbar wurde, dass die Beschwerden nicht einem einzelnen Prozess zugeordnet werden können. Zum Zeitpunkt der Beschwerden werden meistens 5-7 Prozesse in der Anlage gleichzeitig durchgeführt, so dass keine bestimmte Quelle als Verursacher der Gerüche identifiziert werden kann.

Auch wurde auf die tabellarische Erfassung der Beschreibung der Geruchsart verzichtet, da diese Aussagen sehr subjektiv sind und häufig keine eindeutige Zuordnung zu Betrieben/Prozessen ermöglichen.

Alle Beschwerden werden einzeln mit einem Auszug aus dem Hamburger Luftmessnetz zur vorherrschenden Windrichtung und den Angaben des Betriebs, welche Betriebszustände zum Zeitpunkt der Beschwerde vorlagen, erfasst.

 

Zu 2: 

Bei westlichen und südwestlichen Winden kommt es häufig zu Geruchsbelästigungen im Wohngebiet Stellinger Linse, häufig in den frühen Morgenstunden und vormittags.

 

Zu 3: 

Eine Systematik lässt sich aufgrund der Auswertung der Produktionsprozesse nicht erkennen. Beim Auftreten der Geruchsbeschwerden werden durchschnittlich 5-7 verschiedene Produktionsschritte gleichzeitig durchgeführt, so dass eine eindeutige Zuordnung nicht möglich ist.

 

Zu 4: 

Beim Asphaltmischwerk werden umfangreiche Daten erfasst; neben den Rezepturen auch die Temperatur bei der Verladung, die Produktionszeiten bezogen auf die verschiedenen Herstellungsprozesse und Anlagenstörungen. Die für das Produkt relevanten Daten werden in einem Chargenprotokoll festgehalten.

 

Zu 5:

Als geruchsrelevante Produktionsprozesse kommen in Betracht:

 

Herstellung von Asphalttragschicht und von Gussasphalt (5 Standardmischgutarten mit ca. 70 verschiedenen Rezepturen), Verladung des Asphalts, Betrieb der Paralleltrommel zum Erwärmen des Recyclingmaterials, Bitumenent- und -verladung, Herstellung Polymerbitumen-Bitumen (PmB – mit ca. 50 Rezepturen), Verladungen PmB, Herstellung PmB-Hochkonzentrat.

 

Zu 6:

Die ASPA GmbH betreibt auf dem Betriebsgrundstück folgende Anlagen gemäß Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) bzw. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV):

 

  • Anlage zum Be- und Entladen von Schüttgütern, gemäß § 4 BImSchG i.V.m. Nr. 9.11.1 des Anhangs der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV) genehmigt

 

  • Eine Bitumenrückgewinnungsanlage (am 17.08.2010 nach § 16 BImSchG i.V.m. Nr. 2.15 i.V.m. Nr. 8.11 Spalte 2 b)bb)* und 8.12 Spalte 2b)* des Anhangs der 4. BImSchV genehmigt). Die Versuchsanlage ist aufgrund technischer Probleme nicht in den bestimmungsgemäßen Betrieb gegangen und wurde am 18.12.2019 stillge­legt. Bei allen Beschwerden war die Anlage nicht in Betrieb.

* Hinweis: nach aktuellem Stand des Anhangs der 4. BImSchV: Ziffer 8.11.2.2 und 8.12.2

 

  • Ein Asphaltmischwerk der Nr. 2.15 des Anhangs der 4. BImSchV (am 01.10.1973 nach § 18 Gewerbeordnung genehmigt). Zu dieser Anlage gehört als Anlagenteil auch eine Thermalölanlage.

 

Die Festlegung der Emissionsgrenzwerte erfolgte im Genehmigungsbescheid vom 04.04.2006 entsprechend den Emissionswerten der Technischen Anleitung Luft (TA Luft).

 

Folgende Abgas-Grenzwerte wurden am Kamin des Asphaltmischwerks festgelegt:

Stickstoffoxide  350    mg/m³
Kohlenmonoxid   1,0 g/m³   Brennstoff Braunkohlenstaub
    0,50 g/m³  Brennstoff Heizöl
Gesamt-C   50 mg/m³
Benzol     5 mg/m³
Gesamtstaub    20 mg/m³
Schwefeloxide  350 mg/m³

 

Folgende Abgas-Grenzwerte wurden im Abgas der Thermalölanlage festgelegt:

Stickstoffoxide  0,25  g/m³
Kohlenmonoxid  80 mg/m³
Rußzahl   < 1

 

Die Festlegung der Geruchsimmissionswerte erfolgte entsprechend der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL).

 

Die Geruchshäufigkeiten (prozentualer Anteil der Jahresstunden) der Asphaltmischanlage einschließlich der Bitumenrückgewinnungsanlage dürfen die nachfolgend festgelegten Immissionswerte nach der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) nicht überschreiten:

 

Industrie- und Gewerbestandorte  7,5   %

Wohn- und Mischgebiete 

  5      %

Die gesetzlichen Grenzwerte haben sich seit der Festsetzung im Bescheid nicht verändert.

 

Zu 7:

Nein. Es wurden keine Änderungen nach § 15 BImSchG angezeigt bzw. keine Geneh­migungen für wesentliche Änderungen erteilt. Es wurden weder die Produktionsmengen ausgeweitet noch die Produktionsweise geändert.

 

Zu 8:

Schon aufgrund der teilweise vorherrschenden Windrichtungen bei den Beschwerden kommt die ASPA GmbH in einigen Fällen als Verursacher nicht in Betracht. Eine eindeutige Zuordnung zu einem anderen Betrieb konnte bislang nicht erfolgen. In einigen Fällen ist es im ganzen westlichen Hamburg großflächig zu Geruchsbeeinträchtigungen (wie Brandgeruch) gekommen, deren Verursacher nicht gefunden werden konnte.

 

Zu 9:

Regelhaft werden alle 3 Jahre wiederkehrende Emissionsmessungen durchgeführt, die letzten in 2017:

  • Wiederkehrende diskontinuierliche Emissionsmessungen am Kamin als Nachweis der Einhaltung der Grenzwerte für Gesamtstaub, organische Stoffe,  Benzol, Stickstoffoxide, Schwefeloxide  und Kohlenmonoxid

Der   Grenzwert   von   Gesamtstaub  (20 mg/m³) wurde bei   der   ersten

Messung im  Juni 2017 überschritten. Daraufhin  erfolgten im September

2017    Wiederholungsmessungen,    bei    denen    die    Einhaltung    des

Grenzwertes nachgewiesen wurde.

 

Aufgrund der Beschwerden wurden zusätzlich folgende Messungen veranlasst:

 

  • Diskontinuierliche Emissionsmessungen mit Bestimmung der Inhaltsstoffe an 3 Quellen (Verladung Asphalt und Bitumen, Gaspendelanlage) (TÜV 2017)
  • Orientierende Geruchsemissionsmessungen mit Immissionsprognose (unter Berück­sichtigung aller geruchsrelevanter Quellen) (TÜV 2017)

Im  Industriegebiet  kommt  es  in   unmittelbarer   Nähe   des   Asphaltmischwerks kleinräumig zu Überschreitungen des Immissionsgrenzwertes.

  • Zwei 1-wöchige orientierende kontinuierliche Emissionsmessungen der organischen Stoffe (Gesamt-C) am Kamin (Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV) / Amt für Umweltuntersuchungen 2018).

Für     kontinuierliche    Emissionsmessungen    sind    keine    Grenzwerte

                                   festgelegt.

  • Geruchsemissionsmessungen mit Immissionsprognose (unter Berücksichtigung aller geruchsrelevanter Quellen) (MüllerBBM 2018)
      Im    Industriegebiet      kommt      es    in    unmittelbarer    Nähe      des

Asphaltmischwerks        kleinräumig         zu       Überschreitungen    des

Immissionsgrenzwertes.

  • Gutachten über die Umsetzung des Stands der Geruchsminderungstechnik (MüllerBBM 2018/2019)
  • Messungen der Berufsgenossenschaft / Arbeitnehmerschutz im Nahbereich der Anlage  (2016)

   Die Einhaltung der Grenzwerte wurde nachgewiesen.

 

Zu 10:

Emissionsmessungen können nicht ohne Vorankündigung erfolgen, da sie einen erheblichen technischen und organisatorischen Messaufwand mit sich bringen.
Die Anforderungen an die Messungen ergeben sich aus der TA Luft (Messzeiten, Anzahl der Probenahmen etc.) und den entsprechenden DIN-Vorschriften. So müssen bei den Messungen die Produktionsbedingungen mit den höchsten Emissionen erfasst werden, der Einsatz verschiedener Brennstoffe etc.

 

Für die Sicherstellung der o.g. Anforderungen sind die offiziell anerkannten Messinstitute als Sachverständige Stellen nach § 29 b BImSchG verantwortlich. Der Messplan ist mit der Behörde abzustimmen und der Messtermin bekannt zu geben, so dass Behördenvertreterinnen und -vertreter daran teilnehmen können.

 

Die Messungen beim Asphaltmischwerk wurden vom Institut für Hygiene und Umwelt / Umweltuntersuchungen, das auch die Messinstitute zulässt und kontrolliert, begleitet.

 

Zu 11:

Nein. Die nächstgelegene Station des Luftmessnetzes befindet sich an der Kieler Straße. Hier werden Staub (PM 10), SO2, NO2 und NO als Schadstoffe gemessen.

 

Auch weisen die Stationen des Hamburger Luftmessnetzes keine Überschreitungen der geltenden Immissionsgrenzwerte für SO2 auf. NO2-Immissionsgrenzwertüberschreitungen finden sich in Hamburg nur an wenigen Straßenabschnitten mit hoher Verkehrsbelastung und schluchtartiger Randbebauung.

Eine Zuordnung von Immissionswerten/Peaks der Stationen zu bestimmten Quellen/Anlagen ist nicht möglich.

 

Zu 12:

Im Wohngebiet sind momentan keine Immissionsmessungen geplant. Zunächst werden noch weitere Emissionsminderungsmaßnahmen an der Anlage umgesetzt, deren Wirksamkeit der BUE mit Emissionsmessungen nachzuweisen ist.

 

Zu 13:

Die Festlegung der Geruchsimmissionsgrenzwerte im Bescheid des Asphaltmischwerks und auch die Beurteilung der Ergebnisse der Immissionsprognose erfolgten entsprechend der GIRL.

 

Zu 14:

Im Rahmen des Messprogramms wurde auch die Schornsteinhöhe überprüft und dabei festgestellt, dass der Schornstein geringfügig um 3 m erhöht werden muss. Diese bauliche Maßnahme wurde im Rahmen der Winter-Wartung der Anlage im Februar 2019 bereits durchgeführt.

 

Die Umsetzung folgender größerer Maßnahmen ist noch geplant:

 

  • Technische Maßnahmen zur Minderung der diffusen Emissionen im Verladebereich
  • Bauliche Veränderung der Paralleltrommel (Erwärmung Ausbauasphalt) zur Emis­sionsminderung.

 

Für diese Maßnahmen ist ein Genehmigungsantrag gemäß § 16 BImSchG erforderlich. Der Antrag wird zurzeit von der ASPA GmbH erstellt. Die Maßnahmen sollen voraussichtlich während der Winterreparatur der Anlage (Anfang 2020) umgesetzt werden.

 

Des Weiteren werden u.a. im Bereich der Gaspendelung und des Einsatzes von ge­ruchsneutralisierenden Stoffen im Kamin sowie der Hochsiloanlage noch kleinere Maßnahmen zur Optimierung umgesetzt.

 

Bera­tungs­reihen­folge
Anhänge

Geruchsbeschwerden 2016 - 2019

Lokalisation Beta
Stellingen Bahrenfeld Kieler Str.

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