Keine ,First Flights von Airbus-Flugzeugen mit ausgefahrener Ram Air Turbine über Hamburg-Wandsbek Beschluss der Bezirksversammlung vom 22.06.2017 (Drs. 20-4463)
Folgender Beschluss wurde gefasst:
Die Bezirksversammlung Wandsbek fordert die zuständige Fachbehörde auf, zum Schutz der Gesundheit aller betroffenen Bürger*innen in Hamburg-Wandsbek, Überflüge von Airbus-Flugzeugen mit ausgefahrener Ram Air Turbine (RAT) in Betriebsrichtung 23 (unter anderem über die Walddörfer, Sasel, Poppenbüttel und Wellingsbüttel) nur noch in begründeten Ausnahmefällen zu genehmigen. Alle Ausnahmefälle sind mit Begründung zu dokumentieren. Hierzu ist quartalsweise ein Bericht ins Internet auf den Seiten der Fluglärmschutzbeauftragten zu stellen. In allen anderen Fällen sollen Flüge mit ausgefahrener RAT nur noch über weniger dicht besiedeltem Gebiet durchgeführt werden.
Stellungnahme der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI):
Der Senat nimmt die Belastung der Bevölkerung durch Fluglärm ernst. Das bezieht auch die Auswirkungen ein, die von Flugzeugen ausgehen, die auf dem Sonderlandeplatz Hamburg-Finkenwerder starten und landen.
Der kürzlich vom Senat verabschiedete Luftreinhalteplan gibt die Belastung des Hamburger Stadtgebiets z.B. mit Stickoxiden für das Jahr 2014 mit insgesamt 20.474 t an, zu denen der Flugverkehr vergleichsweise wenig, nämlich 442 t beiträgt (im Vergleich: Straßenverkehr 5.949 t, Schiffsverkehr 7.944 t).
Die Behauptung, der Flugverkehr am Werksflugplatz von Airbus (Sonderlandeplatz Finkenwerder) „habe sich jeglicher Reglementierung entziehen dürfen“, trifft nicht zu. Für den Landeplatz Finkenwerder gelten sowohl zeitliche als auch mengenmäßige Beschränkungen des Flugverkehrs, die auf einer Planfeststellung beruhen und nur mit Hilfe eines neuen Verfahrens geändert werden können. Werksflugbetrieb ist von Montag bis Samstag jeweils zwischen 6:00 und 22:00 Uhr erlaubt, und zwar mit jahresdurchschnittlich 27, maximal 35 Flugbewegungen pro Tag.
Die geplante Erhöhung der Auslieferungszahlen bei Airbus hat deshalb keinen Einfluss auf den zugelassenen Flugbetrieb, zumal die erlaubte jährliche Höchstzahl von Flugbewegungen (>8.100, je nach Zahl der Werktage) bisher bei weitem nicht erreicht wurde: Im Jahr 2016 wurden im Zusammenhang mit dem Werksbetrieb insgesamt 4.538 Starts und Landungen durchgeführt.
Die wiedergegebenen Lärmmessungen in Berlin mit ausgefahrener Ram Air Turbine (RAT) sind ohne nähere Angaben zur Quelle, insbesondere zu den verwendeten Geräten und Umgebungsbedingungen nicht auf Hamburg übertragbar, zumal Flugzeuge auf dem Anflug nach Finkenwerder im Bereich Poppenbüttel noch eine Höhe von ca. 1000 m haben.
Dies vorausgeschickt, nimmt die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) in Abstimmung mit der Behörde für Umwelt und Energie (BUE) und auf der Grundlage von Auskünften der Airbus Operations GmbH (Airbus) und der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) zu dem Beschluss der Bezirksversammlung Wandsbek wie folgt Stellung:
Jedes am Standort HH-Finkenwerder von Airbus produzierte Flugzeug muss während des Erstflugs (First Flight) daraufhin überprüft werden, ob es der vorgegebenen Spezifikation entspricht und ob alle Systeme fehlerfrei funktionieren. Bestandteil dieses Erstflugs ist u.a. die Überprüfung der Notsysteme, über die ein Flugzeug entsprechend der behördlichen Zulassung verfügen muss. Zu diesen Notsystemen gehört auch die „Ram Air Turbine“ (RAT), die dazu dient, im unwahrscheinlichen Fall eines vollständigen Triebwerkausfalls die Stromversorgung der hydraulischen Systeme und damit eine sichere Landung des betroffenen Flugzeugs zu gewährleisten. Es handelt sich folglich um eine unverzichtbare Einrichtung, ohne die ein Flugzeug nicht eingesetzt werden darf.
Da der (Notfall-)Einsatz der RAT erst mit der erfolgreichen Landung beendet ist, verfügt sie nicht über ein Einfahrsystem, sondern kann erst nach der Landung von speziell geschultem Bodenpersonal wieder im Flugzeugrumpf verstaut werden. Aus diesem Grund ist es nicht möglich, die RAT während eines Streckenflugs in großer Höhe respektive über sehr gering besiedeltem Gebiet zu testen und anschließend ohne sie zu landen. Um die Lärmbelästigung der Wohnbevölkerung gleichwohl so gering wie möglich zu halten, wird die RAT stets am Ende eines Erstflugs während des Landeanflugs auf den Werksflugplatz Finkenwerder getestet. Ein Verzicht auf den Test aufgrund der damit verbundenen Geräuschemissionen verbietet sich allerdings wie dargelegt.
Den Anflug mit ausgefahrener RAT nach Möglichkeit von Südwesten und damit über wenig besiedeltes Gebiet zu führen, ist aus Lärmschutzgründen zwar wünschenswert, in der Praxis allerdings nicht regelhaft umsetzbar. Für die Führung der Luftfahrzeuge zum Sonderlandeplatz Finkenwerder sind die DFS und die Fluglotsen auf dem Tower am Sonderlandeplatz Finkenwerder zuständig. Sie sind dabei an die geltenden Luftverkehrsvorschriften gebunden. Weder die BWVI noch die BUE haben Einfluss auf die Entscheidungen der Fluglotsen.
Aus Sicherheitsgründen orientiert sich die Flugsicherung vor Ort, d.h. der Tower Finkenwerder, an den jeweiligen Windverhältnissen und lässt die Flugzeuge möglichst gegen den Wind starten und landen. Wegen der in Hamburg vorherrschenden Windrichtung aus Südwest bedeutet das, dass die Flugzeuge häufiger aus Nordosten, also über das Stadtgebiet nach Finkenwerder geführt werden müssen. Welche Stadtgebiete das betreffende Flugzeug überquert, kann nicht von Fall zu Fall entschieden werden. Denn die nach Instrumentenflugregeln landenden Flugzeuge müssen dem sog. Gleitpfad folgen, der in einem bestimmten Winkel direkt auf die Landebahn führt. Daraus ergibt sich, dass die Flugzeuge über den Bezirken Eimsbüttel, Hamburg Nord und insbesondere Altona im Vergleich zu dem Bezirk Wandsbek eine sehr viel niedrigere Flughöhe erreichen.
Es kommt als hamburgische Besonderheit hinzu, dass der Flugverkehr am Flughafen Fuhlsbüttel und am Sonderlandeplatz Finkenwerder wegen der parallel verlaufenden Start- und Landebahnen aufeinander abgestimmt werden muss. Sofern in Fuhlsbüttel in Richtung Südwesten (Piste 23) gelandet wird, sind entgegengesetzte Anflüge nach Finkenwerder (also nach Nordosten über Piste 05) unzulässig, um gefährliche Annäherungen oder gar Kollisionen für den Fall von Fehlanflügen auszuschließen.
Es ist der BWVI und BUE nicht möglich, die Anflüge von Flugzeugen auf dem Erstflug nur in begründeten Ausnahmefällen zu genehmigen. Airbus verfügt über eine wirksame Betriebsgenehmigung, die auch die Durchführung von Erstflügen einschließlich sämtlicher vorgeschriebener Testinhalte abdeckt, sofern diese Flüge innerhalb der Betriebszeiten des Sonderlandeplatzes Finkenwerder stattfinden und die festgelegte Höchstzahl an täglichen Flugbewegungen nicht überschritten wird.
Sollen Flüge ausnahmsweise außerhalb dieser Zeiten stattfinden, also insbesondere an Sonn- und Feiertagen, so muss Airbus in jedem Einzelfall einen Antrag nach § 25 Abs. 1 Luftverkehrsgesetz stellen und detailliert begründen (sog. Antrag auf Außenstart- und -landeerlaubnis). Im Rahmen des Verfahrens zur Erteilung dieser Erlaubnis prüft die zuständige Behörde, ob die Flugbewegungen genehmigungsfähig sind. Die Notwendigkeit von Erstflügen, zu denen wie ausgeführt routinemäßig der Test der RAT gehört, wird dabei an einem besonders strengen Maßstab gemessen.
Die Erlaubnisse können auf der Grundlage des Hamburgischen Transparenzgesetzes bei der BWVI angefordert bzw. eingesehen werden. Die Fluglärmschutzbeauftragte ist laut des Fluglärmschutzbeauftragtengesetzes (FLSBG) nur für den Flughafen Hamburg zuständig.
Die Bezirksversammlung nimmt Kenntnis.
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