20-2883.1

Gelebte Integration im neuen Wohnquartier am Rehagen: Flüchtlingsunterbringung mit regulärem Wohnen verbinden Beschlussvorlage des Planungsausschusses

Beschlussvorlage

Sachverhalt

 

-                 Ursprünglich als interfraktioneller Antrag der SPD-Fraktion und GRÜNEN-Fraktion (Drs. 20-2883) im Planungsausschuss am 07.06.2016.

 

-                 Punkte 1+9:
Einstimmig beschlossen, bei Enthaltung der Fraktion Die Linke.

 

-                 Punkte 2-8, 10:

Mehrheitlich beschlossen mit den Stimmen der SPD-Fraktion und GRÜNEN-Fraktion, bei Gegenstimmen der CDU-Fraktion und der Liberalen Fraktionsgemeinschaft und Enthaltung der Fraktion Die Linke.

 

 

Die Diskussion um die geplanten Unterkünfte mit der Perspektive Wohnen in der Hummelsbütteler Feldmark ist sehr kontrovers geführt worden. Zunächst waren zwei Standorte geplant und wurden in mehreren öffentlichen Veranstaltungen vorgestellt: einer an der Straße  Wildes Moor mit 300 Wohnungen und einer am Rehagen mit 300 bis 400 Wohnungen für die Unterbringung von Flüchtlingen. Die Wohnungen sollten über einen Zeitraum von 15 Jahren dem regulären Wohnungsmarkt zugeführt werden. Für den Standort Wildes Moor gab es Überlegungen, das Quartier zum Zwecke der Integration um 100 bis 300 Wohnungen für reguläres Wohnen zu erweitern.

 

Die rot-grüne Koalition in Wandsbek hat mit Unterstützung der Bürgerschaftskoalition in den vergangenen Monaten zahlreiche Gespräche sowohl mit örtlichen Bürgerinitiativen als auch Naturschutzverbänden sowie den befassten Behörden geführt und vor diesem Hintergrund Eckpunkte zu Perspektiven der Flüchtlingsunterbringung in Hummelsbüttel erarbeitet.

Um den erheblichen Bedenken noch einmal deutlich entgegenzukommen, wollen SPD und Grüne die Planungen im Rahmen des Konzepts „Unterkünfte mit der Perspektive Wohnen“ reduzieren und auf den Standort am Wilden Moor/Glashütter Landstraße verzichten.

 

Um gleichwohl jetzt einen Beitrag zum weiterhin akuten Bedarf an Unterbringungen außerhalb prekärer Unterkünfte zu leisten, wird der infrastrukturell besser angebundene Standort am Rehagen in reduzierter Form und mit gemischter Nutzung realisiert. Dies erfolgt in zwei Bauphasen, um unabhängig von § 246 BauGB im selben Quartier auch Wohnraum für die allgemeine Nachfrage bereitstellen zu können. Auf diese Weise soll von Beginn an ein enger Kontakt zwischen Flüchtlingen in Belegungen der öffentlichen Unterbringung und allen anderen, die in Hamburg eine reguläre Wohnung suchen, hergestellt und damit ein hohes Maß an Integrationswirkung erzielt werden.

Bei allen Entscheidungen über den Aufbau einer funktionierenden Infrastruktur und Nahversorgung geht es auch darum, die umliegenden Quartiere zu stärken, um allen Bedarfen gerecht zu werden. Unser Anspruch ist es, dass im alltäglichen Leben, von der Kita, über die Schule, den Sport und die Jugendarbeit bis zur Sicherheits- und Gesundheitsversorgung der Nachbarschaft keine Nachteile entstehen sollen, sondern die gemeinsamen Chancen für eine Stärkung der Infrastruktur genutzt und die Risiken minimiert werden sollen. Das neue Quartier wird an Stabilit gewinnen, wenn es an vorhandenen sozialräumlichen Strukturen anknüpfen kann, ohne diese zu überfordern. Deswegen sind die sozialräumlichen Angebote und Maßnahmen konzeptionell auf die neu entstehenden Bedarfe auszurichten und entsprechend materiell zu stärken. Im Vordergrund muss stehen, dass der Austausch und Kontakt mit dem umliegenden Sozialraum unterstützt wird und innenzentrierte Strukturen vermieden werden.

 

rgerschaftliches Engagement wird nicht nur seitens der vorhandenen Bewohnerstrukturen wichtig sein. Selbsthilfe, Teilhabe und Engagement der Zugewanderten sind ebenso wichtige Voraussetzungen für das Gelingen eines friedlichen und integrativen Miteinanders im Stadtraum wie für die Entwicklung innerhalb des Quartiers. Ein gemeinsamer Quartiersbeirat ermöglicht den Austausch zwischen allen Bewohnerinnen und Bewohnern, stärkt Mitverantwortung und Eigeninitiative und erleichtert die Lösung lokaler Probleme.

Die Gestaltung der Gebäude und Freiflächen soll die besonderen mikroklimatischen Eigenschaften des Standorts berücksichtigen und in hohem Maße ökologisch und energieeffizient ausgerichtet sein.

 

r die Inanspruchnahme der Fläche am Rande der Hummelsbütteler Feldmark ist ein über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinausgehender Ausgleich möglichst ortsnah unter Berücksichtigung der bestehenden landwirtschaftlichen Nutzungen zu realisieren.

Außerdem soll die Hummelsbütteler Feldmark von dem neu eingeführten „Natur-Cent im Wohnungsbau“ profitieren. Der Natur-Cent sieht einen Finanzausgleich vor: Die zusätzlichen Einnahmen aus der Grundsteuer, die aus der Neuerschließung von Flächen entstehen, fließen in ein Sondervermögen „Naturschutz und Landschaftspflege“ und werden für Naturschutzmaßnahmen sowier Maßnahmen zur Pflege von Grün- und Erholungsanlagen eingesetzt. Der Natur-Cent gilt rückwirkend ab dem 01.01.2016, um gerade die Flächen des Programms „Flüchtlingsunterbringung Perspektive Wohnen“ einzubeziehen.

 

Hummelsbüttel leistet schon jetzt einen erheblichen Anteil zur Flüchtlingsunterbringung (680 Plätze an drei Standorten). Auch wenn insgesamt hinreichende Abstände zwischen den Standorten liegen, ist gleichwohl sicherzustellen, dass es über den Standort am Rehagen hinaus keine weiteren neuen Planungen und Standorte der Flüchtlingsunterbringung in Hummelsbüttel geben wird.

Der Bezirk Wandsbek wird wie bisher seinen Anteil an der gesamtstädtischen Aufgabe der Unterbringung und Integration von Geflüchteten und Asylberechtigten leisten. Aufgrund der Aufgabe des einen und der Reduzierung des zweiten Standortes in Hummelsbüttel entfallen zusammen 496 Wohneinheiten (WE) für die Unterbringung von Flüchtlingen mit rund 2.500 Plätzen. Der Bezirk wird außerhalb von Hummelsbüttel einen Teil dieser WE an anderer Stelle schaffen, um auf jeden Fall über die Vorgabe von 800 WE pro Bezirk zu kommen. Zusammen mit den Standorten am Poppenbütteler Berg (308 WE) und Elfsaal (207 WE) werden zur Zeit 711 WE geplant.

 

Der Planungsausschuss empfiehlt der Bezirksversammlung zu beschließen:

 

Petitum/Beschluss

 

  1.         Das Bebauungsplanverfahren Hummelsbüttel 29 (Wildes Moor / Glashütter Landstraße) wird eingestellt. Das Verfahren zur Entlassung des Flurstücks 21 oder von Teilen davon aus dem Landschaftsschutzgebiet wird ebenfalls eingestellt.
  2.         Um eine Versachlichung auch für zukünftige, fundierte Diskussionen um mögliche Wohnungsbaupotentiale in der Feldmark zu erreichen, wird den zuständigen Fachbehörden empfohlen, ein Fachgutachten in Auftrag geben, das mit der ausdrücklichen Prämisse des Erhalts der Hummelsbütteler Feldmark klären soll, ob, inwieweit, wo und mit welchen Maßgaben in kleinen Teilbereichen der Feldmark regulärer Wohnungsbau im Rahmen regulärer Bebauungsplanverfahren und aufgrund umfassender Umweltverträglichkeitsprüfungen machbar und sinnvoll ist, ohne unvertretbare Eingriffe in die Feldmark zu verursachen. Hierbei sind die die ökologischen, stadtklimatischen, stadtentwicklungspolitischen, sozialstrukturellen, verkehrlichen, landwirtschaftlichen und sonstigen Folgen flächenbezogen präzise zu analysieren und umfassend abzuwägen. Sollten Wohnungsbaupotentiale gesehen werden, ist auch zu prüfen, ob und inwieweit ein Ausgleich auch innerhalb der Feldmark ggf. unter anderem durch eine Vergrößerung oder Verbindung der beiden Naturschutzgebiete erreicht werden kann. Auch andere ökologisch wertvolle Flächen innerhalb der Feldmark wären für eine Aufwertung zu identifizieren. An dem Gutachtenverfahren sind neben der Kommunalpolitik auch die örtlichen Initiativen und mindestens zwei Naturschutzverbände zu beteiligen. Aus dem Gutachtenauftrag werden die unmittelbar an den Tegelsbarg angrenzenden Flächen ausgenommen, da der Beitrag aus diesem Sozialraum bereits am Rehagen geleistet wurde.

 

  1.         Die beiden westlich zum Rehagen geplanten Wohnhöfe werden in vier- bzw. fünfgeschossiger Bauweise für die öffentlich-rechtliche Unterbringung (örU) von Flüchtlingen vorgesehen (196 WE, d.h. 784-980 Flüchtlinge), die beiden östlichen Wohnhöfe zur Bestandsbebauung hin werden in durchgehend viergeschossiger Bauweise in einem zweiten Bauabschnitt für regulären Wohnungsbau (d.h. ab Vorweggenehmigungsreife des Bebauungsplans) vorgesehen (182 WE). Damit wird die Zahl von 378 Wohnungen für diesen Standort insgesamt nicht überschritten.

Die Belegung der Wohnungen für die Unterbringung von Flüchtlingen hat mit Haushalten mit Bleibeperspektive und möglichst bereits erfolgter bzw. eingeleiteter Integration in den ersten Arbeitsmarkt zu erfolgen.

 

Nach Feststellung des schnellstmöglich durch den Bezirk parallel zum laufenden Baugenehmigungsverfahren aufzustellenden Bebauungsplans Hummelsbüttel 28 (Rehagen / Poppenbütteler Weg) wird die mit der Aufteilung in zwei Bauabschnitte bereits wirksam werdende Belegungsmischung weiter ausgebaut. Ziel ist es, innerhalb der ersten drei bis fünf Jahre nach Beginn der rechtlichen Möglichkeit, die zunächst als örU genutzten Wohneinheiten als normale Wohnungen zu belegen, so dass die Flüchtlingsbelegung auf rund 150 WE für Flüchtlinge (max. 750 Plätze) reduziert werden kann.

 

r die reguläre Wohnungsnutzung, die einen erheblich positiven Einfluss auf die soziale Mischung und die Integration haben wird, werden damit bereits nach Realisierung des zweiten Bauabschnitts 182 WE und in dem weiteren Belegungsschritt im Ergebnis rund 230 WE vorgesehen. Bis zur Entlassung aller Wohneinheiten in den regulären Wohnungsmarkt nach spätestens 15 Jahren sind weitere geeignete Zwischenschritte der Belegungsmischung vorzunehmen.

 

Im Rahmen der Schritte zur Belegungsmischung soll im Wege des Bindungstausches auch ein relevanter, den Gedanken des Drittelmixes aufgreifender Anteil für freifinanzierte Mietwohnungen vorgesehen werden, um den Gesichtspunkt der Quartiersstabilisierung besonders zu berücksichtigen.

 

  1.         Das Gesamtquartier Tegelsbarg-Rehagen ist von dem wesentlichen Bestandshalter SAGA GWG, der Bezirksverwaltung und den zuständigen Behörden in besonderem Maße als Sozialraum zu begleiten, um von Beginn an die bestehende soziale Infrastruktur am Bedarf ausgerichtet auszubauen und entsprechende neue Angebote zu schaffen. Dabei sind gemäß der Bürgerschafts-Drucksache 21/2550 insbesondere weitere Kita-Angebote, ein Quartiersmanagement und eine Beteiligungsstrukturr die ortsansässige Bevölkerung und die neuen Bewohnerinnen und Bewohner vorzusehen und die Angebote und Kapazitäten u. a. des bestehenden Eltern-Kind-Zentrums am Tegelsbarg, des Bauspielplatzes, des Berufsorientierungsprojekts BEO und des Hauses der Jugend anzupassen.

 

Die zusätzlichen bezirklichen Mittel zur sozialen Flankierung der Flüchtlingsunterbringung (z.B. aus dem Quartiersfonds) sind besonders nach Hummelsbüttel zu lenken.

 

  1.         r die geplante Neubebauung auf der Fläche am Rehagen sind die folgenden für den Ökoraum, das Mikroklima und die Energieeffizienz relevanten Maßgaben zu berücksichtigen:

 

  1.                                   Die Dächer sollen als Flachdächer mit einer extensiven Dachbegrünung als freiwillige, förderfähige Leistung des Investors umgesetzt werden.
  2.                                   r jeden zu fällenden Baum sind 1,5 neue Bäume zu pflanzen (es wird aufgerundet und Baumpflanzungen im Rahmen der vorgesehenen Ausbildung neuer Knicks werden angerechnet).
  3.                                    Vorhandene Knicks werden möglichst erhalten.
  4.                                   Es werden nur einheimische Gehölze gepflanzt.
  5.                                   Sofern technisch machbar, sind alle Zuwegungen wasserdurchlässig zu gestalten.
  6. r den Kaltluftstrom sind nach Möglichkeit trotz der Eilbedürftigkeit für die Stellung der Baukörper die Ergebnisse des im Bezirk Wandsbek in Auftrag gegebenen Gutachtens angemessen zu berücksichtigen.
  7. Die Energieeffizienz der Gebäude erfüllt die Anforderungen an das Niveau KfW-Effizienzhaus-55 nach der EnEV 2016.
  8. Die Beheizung des Quartiers erfolgt über ein eigenes BHKW.

 

  1.         r die Inanspruchnahme der Fläche am Rande der Hummelsbütteler Feldmark ist ein geeigneter Ausgleich nicht nur innerhalb der Stadt, sondern ergänzend auch innerhalb der Feldmark herzustellen. Konkrete Maßnahmen sind im Rahmen des Bebauungsplan- bzw. des Baugenehmigungsverfahrens zu prüfen und zu gewährleisten. Dabei ist zu prüfen, inwieweit diese Ausgleichsmaßnahmen über dem gesetzlich vorgeschriebenen Maß liegen können (monetär betrachtet nachglichkeit mindestens 30 Prozent). Ziel des Ausgleichs muss dabei die ökologische Aufwertung der Feldmark entsprechend der Maßgaben aus Ziffer 2 sein.

 

  1.         Der Zuwachs an Grundsteuereinnahmen durch die Bebauung von Teilen des Landschaftsschutzgebietes am Rehagen soll gemäß des Programms „Natur-Centr Maßnahmen des Natur- und Landschaftsschutzes eingesetzt werden. Dabei sollen zusätzlich zu den Ausgleichsleistungen nach Punkt 6 zunächst prioritär Maßnahmen in der Hummelsbütteler Feldmark neben dem Aufbau der notwendigen Personalkapazität im Bereich der Landschaftsplanung und Grünpflege des Bezirks umgesetzt werden. Der Bezirk möge zum nächstmöglichen Zeitpunkt die entsprechenden Mittel als laut Senat mögliche Vorauszahlungen auf zukünftige Grundsteuereinnahmen aus dem Sondervermögen „Naturschutz und Landschaftspflege“ beantragen.

 

  1.         Es soll eine angemessene Zahl an Tiefgaragen-Stellplätzenr PKW und Fahrräder bereitgestellt werden.

 

  1.         Über den Standort am Rehagen hinaus soll es keine weiteren neuen Planungen und Standorte der Flüchtlingsunterbringung in Hummelsbüttel geben. Sollten sich gesamtstädtisch Spielräume für Platz- und Standortreduzierungen ergeben, ist Hummelsbüttel entsprechend beschleunigt und besonders zu berücksichtigen.

 

  1.     Die Bezirkspolitik wird für die durch die Reduzierung und die Aufgabe eines Standortes entfallenden örU-Kapazitäten kurzfristig mit den Behörden Ersatzoptionen außerhalb des Stadtteils Hummelsbüttel prüfen. In diesen Prüfprozess werden transparente Befassungen in den Gremien der Bezirksversammlung sowie die aktuellen Beteiligungsprozesse vor Ort und landesweit mit einfließen, insbesondere das FindingPlaces-Projekt der HafenCity Universität.

 

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