21-1420

Für ein pestizidfreies Wandsbek Beschluss der Bezirksversammlung vom 30.01.2020 (Drs. 21-0966)

Mitteilungsvorlage BV-Vorsitz

Sachverhalt

Folgender Beschluss wurde gefasst:

 

  1. Die Bezirksverwaltung wird aufgefordert,
    1. weiterhin keine chemisch-synthetischen Pestizide bei der Pflege städtischer Grünflächen einzusetzen und
    2. private Unternehmen, die Aufträge von der Stadt zur Pflege von Grün-, Sport- und Verkehrsflächen erhalten, zum Pestizidverzicht vertraglich zu verpflichten.
    3. Ausnahmen müssen vorab von der Bezirksversammlung bzw. dem zuständigen Fachausschuss genehmigt werden. (Derzeit gibt es eine – jährlich zu genehmigende – Ausnahmeregelung für die Bekämpfung des Riesenbärenklaus am Müllberg Hummelsbüttel)
  2. Die zuständigen Fachbehörden werden aufgefordert,
    1. beim Abschluss neuer Pachtverträge sowie bei der Verlängerung von bestehenden Pachtverträgen für Nutzflächen der Stadt, insbesondere solche mit landwirtschaftlicher Nutzung, eine Klausel einzufügen, mit der sich der Pächter zum vollständigen Verzicht auf den Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden auf diesen Flächen verpflichtet. Diese Klausel soll auch zum Tragen kommen, wenn eine automatische Verlängerung des Pachtvertrages vorgesehen ist. Dort, wo es möglich und sinnvoll ist, sollten außerdem in Kooperation mit den Pächtern Nischen- und Rückzugsräume für Insekten in Form von ein- und mehrjährigen Blühstreifen angelegt werden;
    2. bei der Verpachtung von Flächen städtischer Gesellschaften dafür zu sorgen, dass ebenso verfahren wird und
    3. in Verhandlungen mit den Eisenbahninfrastrukturunternehmen diese zum Verzicht auf den Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden im gesamten Stadtgebiet zu bringen.

 

Stellungnahme der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation zum Beschluss:

 

Zu II Nr. 1.:

  • Pachtverträge sind privatrechtliche Verträge und somit systematisch bereits nicht für die Umsetzung öffentlich-rechtlicher Vorgaben geeignet. Hier ist es stets der saubere Weg, gesetzliche Lösungen zu suchen, die dann unverzüglich zum festgesetzten Termin Rechtskraft entfalten und dann auch im Rahmen bestehender Pachtverträge zu beachten sind. Zu den Pächterpflichten gehört stets die Einhaltung der relevanten rechtlichen Normen. Deren Nichteinhaltung kann und muss gemäß der rechtlichen Vorgaben geahndet werden und führt bei entsprechender Information der Verpächterin auch zu pachtrechtlichen Sanktionen.
  • Eine Regelung über das Fachrecht, hier das Pflanzenschutzrecht, ist sinnvoller als über Pachtverträge. Alle Pflanzenschutzmittelanwender werden gleich behandelt, unabhängig von den Eigentumsverhältnissen der bewirtschafteten Flächen. Einzelfallentscheidungen über den Einsatz von Pflanzenschutzmittel sind damit nicht erforderlich.
  • Ein generelles Verbot würde alle Anwendungsgebiete (Ackerbau, Grünland, Gartenbau) treffen. Die von der Bezirksversammlung angeführte Behandlung des Bärenklaus wäre dann ebenfalls (auf Pachtflächen) nicht mehr möglich.
  • Bevor ein Pflanzenschutzmittel angewendet werden darf, muss es verschiedene Bewertungen durchlaufen. Pflanzenschutzmittel werden national durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) im Einvernehmen mit dem Umweltbundesamt (UBA) und im Benehmen mit dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und dem Julius-Kühn Institut (JKI) zugelassen. Voraussetzung dafür ist ein auf europäischer Ebene, genehmigter Wirkstoff. Im Verfahren werden alle vorhandenen Studien und Hinweise geprüft, ausgewertet und bewertet. Falls Risiken erkennbar sind, werden diese mit Hilfe von Auflagen und Anwendungsbestimmungen ausgeschlossen. Falls dies nicht möglich ist, wird vom BVL keine Zulassung erteilt.
  • Die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) setzt sich seit Jahren für eine Minderung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes ein. In diesem Zusammenhang hat Hamburg im Rahmen der Agrarministerkonferenz am 29. September 2017 erfolgreich einen Antrag mit der Forderung nach einer neuen „gemeinsamen Strategie Pflanzenschutz“ eingebracht. Damit wurde eine Gesamtstrategie für den Bereich Pflanzenschutz eingefordert. U.a. wurde eine Intensivierung der Forschung für alternative Verfahren und die Entwicklung eines neuen Umgangs mit Pflanzenschutzmitteln zum Schutze der Biodiversität beschlossen.
  • Die BWVI fördert den Ersatz von Pflanzenschutzmitteln durch nichtchemische Mittel in ökonomischen Verfahren und die Weiterentwicklung von ökologischen Verfahren u.a. durch die Forschungsarbeiten des Pflanzenschutzdienstes der BWVI am Kompetenzzentrum für Gartenbau und Landwirtschaft Brennerhof. Der Pflanzenschutzdienst trägt dazu bei, die Auswirkungen von Pflanzenschutzmaßnahmen auf die Biodiversität so gering wie nur möglich zu halten und weiter zu verringern, um dazu beizutragen, den aktuellen Verlust an biologischer Vielfalt aufzuhalten.

Die BWVI kann der geforderten Vorgehensweise aus den genannten Gründen nicht entsprechen. Dieser Weg entspricht nicht den rechtlichen Vorgaben des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

 

Eine in der Vergangenheit mehrfach geforderte vertragliche Verpflichtung zum ökologischen Anbau wäre ebenfalls nicht zielführend, da Betriebe dadurch von Fördermöglichkeiten abgeschnitten würden, die aufgrund haushalts- und wettbewerbsrechtlicher Vorgaben nur für Bewirtschafter bestehen, die die ökologische Bewirtschaftung auf freiwilliger Basis durchführen.

Hier besteht keinerlei Ermessensspielraum. Die Förderung darf nur als Anreiz gewährt werden, welche bei einer Verpflichtung wegfallen würde. Die Öko-Förderung stellt regelmäßig eine wichtige Einnahmequelle für die ökologisch wirtschaftenden Betriebe dar. Daher ist diese Forderung kontraproduktiv zur Erreichung des Senatsziels zur Steigerung der Flächen, die ökologisch bewirtschaftet werden.

Hilfsweise wird bei der Vergabe städtischer Pachtflächen ökologisch wirtschaftenden Betrieben bei ansonsten gleicher fachlicher Eignung Vorrang eingeräumt (siehe auch Agrarpolitisches Konzept 2025, Drs. 21/18512).

 

Zu II Nr. 2.:

Die unter II Nr. 1. genannten Gründe gelten auch für die Flächen städtischer Gesellschaften. Im Bereich der öffentlichen Unternehmen sind aktuell keine Pachtverträge für Flächen der Stadt mit landwirtschaftlicher Nutzung vorhanden.

 

Zu II Nr. 3.:

Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind nach § 4 des Allgemeines Eisenbahngesetzes (AEG) verpflichtet, ihren Betrieb sicher zu führen und die Eisenbahninfrastruktur in einem betriebssicheren Zustand zu halten.

Die BWVI ist bezüglich des Verzichts des Einsatzes von chemisch-synthetischen Pestiziden in Kontakt mit den Eisenbahninfrastrukturunternehmen Deutsche Bahn Netz AG (DB), Hamburg Port Authority (HPA), AKN Eisenbahn AG (AKN) und Hamburger Hochbahn AG (HHA) getreten.

 

HPA

Bisher sind der HPA im Eisenbahnbereich keine praxisnahen, alternativen Verfahren bekannt, die den Anforderungen an die Sicherheit entsprechen. Auf den Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden kann aktuell nicht verzichtet werden.

Unabhängig davon beteiligt sich die Hafenbahn der HPA über Verbände an der Suche nach Alternativen.

 

AKN

Ein Verzicht auf die chemische Vegetationskontrolle ist zurzeit in den Betriebsgleisen der AKN noch nicht möglich. Die Vegetationskontrolle dient der Sicherheit und Stabilität des Verkehrsweges. Die Ausbringung erfolgt von zugelassen Fachfirmen, randscharf mit Abdriftschutz, sodass angrenzende zu schützende Flächen außerhalb des Schotterbettes nicht beeinträchtigt bzw. tangiert werden. Der Unternehmer haftet für die regel- und vorschriftskonforme Ausbringung.              
Derzeit prüft die AKN Alternativen zur chemischen Vegetationskontrolle durch Strom und bereits früherer thermischer Verfahren. Liegt hierzu die Einsatz- und Genehmigungsvoraussetzung vor, wird die AKN darauf zurückgreifen.

 

HHA

Die HHA setzt in ihren Gleisanlagen lediglich Herbizide – auf ein Mindestmaß reduziert – zur Vegetationskontrolle ein. Auf diese chemische Vegetationskontrolle kann derzeit nicht verzichtet werden. Thermische Vegetationskontrollen als Alternative zu chemischen Vegetationskontrollen sind aufgrund zahlreicher Einbauten im Gleisbereich bei der HHA nicht geeignet. Mechanische Alternativen bedingen die Reinigung bzw. den Austausch des Schotterbettes und sind neben deutlich höheren Instandhaltungskosten mit größeren Unterbrechungen des U-Bahn-Betriebes verbunden. Nach Kenntnisstand der HHA ist im Bereich der chemischen Vegetationskontrolle derzeit kein Produkt mit ähnlicher Wirksamkeit, wie die derzeit eingesetzten, auf dem Markt verfügbar.

Die HHA prüft zusammen mit Industriepartnern kontinuierlich Alternativen, letztmalig im Dezember 2019.

 

DB

Die DB plant bis Ende 2022 aus der Glyphosatanwendung auszusteigen. Bereits in diesem Jahr 2020 wird die DB den Einsatz von Glyphosat um die Hälfte reduzieren. Ergänzend zur chemischen Vegetationspflege setzt die DB künftig verstärkt auf mechanisch-manuelle Verfahren, um den Gleisbereich von Bewuchs frei zu halten und damit einen sicheren Bahnbetrieb zu gewährleisten.             
Um das Ausstiegsziel zu erreichen, arbeitet die DB daran, Alternativen zu Glyphosat zu entwickeln. Dazu wurden drei Verfahren identifiziert, die als mögliche Alternativen zu Glyphosat im Gleisbereich zum Einsatz kommen könnten und die aktuell geprüft werden: Der Einsatz von Heißwasser, elektrischem Strom und UV-C-Licht. Bis auf den Heißwassereinsatz befinden sich die genannten Verfahren in einem sehr frühen Entwicklungsstadium und müssen zunächst für den Gleisbereich verfügbar gemacht werden, um den hohen technischen Anforderungen zu entsprechen und die Sicherheit des Bahnbetriebes zu gewährleisten.             
Darüber hinaus sind auch mögliche Umweltauswirkungen zu untersuchen, um den hohen Anforderungen des Boden-, Gewässer- und insbesondere auch des Artenschutzes gerecht zu werden. Erst nach erfolgreichem Abschluss dieser Untersuchungen werden die Verfahren für einen operativen Einsatz im Gleisbereich angepasst.

 

 

Petitum/Beschluss

Die Bezirksversammlung nimmt Kenntnis.

 

Anhänge

keine Anlage/n