Wilhelmsburg braucht eine ganzjährig geöffnete Tagesaufenthaltsstätte für wohnungslose und obdachlose Menschen sowie die Trinker:innenszene (Antrag der Fraktion DIE LINKE)
Letzte Beratung: 02.03.2023 Ausschuss für Sozialraumentwicklung Ö 6.1
Rund 2.000 obdachlose Menschen leben in Hamburg stadtweit auf der Straße und rund 27.000 Menschen in den öffentlich-rechtlichen Unterkünften der Stadt (Stand: Dezember 2022). Hinzukommt eine unbekannt hohe Zahl von Menschen, die verdeckt wohnungslos vor allem in den ärmeren Vierteln der Stadt bei Bekannten, Familienmitgliedern oder in ausbeuterischen Untermietverhältnissen leben. Eine weitere, oftmals überschneidende Personengruppe, bildet die Trinker:innenszene, die aufgrund fehlender anderweitiger Möglichkeiten ganztägig den öffentlichen Raum nutzt, um Alkohol zu konsumieren, was immer wieder zu Konflikten auch in Wilhelmsburg führt. Viele dieser Menschen haben keinen Zugang zu sozialen Sicherungssystemen und damit keinerlei Anspruch auf öffentlich-rechtliche Unterbringung. Umso wichtiger sind niedrigschwellige Hilfsangebote, auf die Betroffene, als ihnen einzig offenstehendes Angebot, dringend angewiesen sind. Vor diesem Hintergrund nehmen Tagesaufenthaltsstätten für wohnungs- und obdachlose Menschen im Hilfesystem eine besonders wichtige Rolle ein und erreichen Menschen, die sonst oft verdeckt und vom Hilfesystem ausgeschlossen leben. Am Beispiel des alkohol-toleranten Hans-Fitze-Hauses in Harburg können diese Orte auch von der Trinker:innenszene frequentiert werden, was zu einer allgemeinen Beruhigung des öffentlichen Raumes beiträgt. Tagesaufenthaltsstätten bieten dabei neben einer Treffmöglichkeit konkrete Überlebenshilfen und praktische Unterstützung, wie beispielsweise Essensausgaben, Postadressenverwaltung, Hygienemöglichkeiten sowie Sozialberatung und Weitervermittlung an andere Einrichtungen. Im Tagesverlauf stehen rund 850 Plätze in den Bezirken Hamburg-Mitte, Altona und Eimsbüttel zur Verfügung. Durch das Hans-Fitze-Haus sowie das Harburg Huus stehen zudem in Harburg rund 40 Plätze für Harburg zur Verfügung.
In Wilhelmsburg gibt es eine zunehmend große Gruppe von wohnungs- und obdachlosen Menschen sowie eine Trinker:innenszene, die sich tagsüber im gesamten Stadtteil aufhalten und mitunter in Kellern, Wäldern, Hinterhöfen oder Hauseingängen nächtigen. Gleichwohl gibt es in Wilhelmsburg, trotz der großen Dichte an Tagesaufenthalten im Bezirk Hamburg-Mitte, keinen Tagesaufenthalt. Dabei ist der Stadtteil mit einer Größe von über 35 km2 nicht nur der flächengrößte Stadtteil und einer der bevölkerungsdichtesten in Hamburg, sondern auch durch seine Insellage geografisch und habituell sehr abgegrenzt. Die problematische Lage und der Mangel an Aufenthalts- und Hilfsmöglichkeiten für diese Zielgruppe führt immer wieder zu Konflikten und Übergriffen, bspw. an Halloween 2021, als der Schlafplatz einer obdachlosen Frau in Wilhelmsburg mit Feuerwerkskörpern angezündet wurde. Übergriffe auf Betroffene werden jährlich zahlreich verzeichnet. Ebenfalls 2021 wurde laut Medienberichten ein obdachloser Mann aus ungeklärten Gründen tot in Wilhelmsburg aufgefunden. Auch der Regionalausschuss Wilhelmsburg beschäftigt sich seit Jahren immer wieder mit Problemlagen rund um Trinker:innenszenen und obdachlose Menschen im öffentlichen Raum.
Die Soziale Beratungsstelle Harburg/ Wilhelmsburg arbeitet jährlich mit über 60 Wilhelmsburger Obdachlosen, sowie einer Vielzahl von wohnungslosen Menschen aus dem Stadtteil. Die Straßensozialarbeit der Einrichtung verfügt dabei für den gesamten Bezirk Harburg sowie den Stadtteil Wilhelmsburg lediglich über den Stellenanteil eines halben Vollzeitäquivalents (VZÄ). Die ihr zur Verfügung stehende Zeit wird in etwa mit 2/3 im Bezirk Harburg und mit 1/3 in Wilhelmsburg eingesetzt. Aus Sicherheitsgründen muss Straßensozialarbeit stets zu zweit durchgeführt werden. Die eingesetzten Fachkräfte gehen von einer hohen Dunkelziffer an betroffenen obdach- sowie wohnungslosen Menschen in Wilhelmsburg aus, welche lediglich durch das knappe Zeitbudget nicht erhoben werden können.
Der Regionalausschuss Wilhelmsburg/Veddel empfiehlt der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte zu beschließen, der Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (BAGSFI) gemäß § 27 Abs. 1 S. 1 BezVG zu empfehlen:
1. im Stadtteil Wilhelmsburg eine ganzjährig geöffnete Tagesaufenthaltsstätte mit bis zu 30 Plätzen einzurichten,
2. die Tagesaufenthaltsstätte – im Sinne des Subsidiaritätsprinzips – bei einem bereits vor Ort aktiven Träger anzugliedern,
3. die Straßensozialarbeit im Einsatzgebiet Wilhelmsburg/Veddel bedarfsgerecht aufzustocken,
4. dem Regionalausschuss bis zum (30.06.23) über den Umsetzungsstand zu berichten.
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