20-1111

Stellungnahme Neue Liberale betr. Nutzung eines privaten Grundstücks am Neuenfelder Fährdeich als Standort für die öffentlich-rechtliche Unterbringung

Mitteilungsvorlage öffentlich

Sachverhalt

Vorbemerkung:

Die Neue Liberale Fraktion Harburg ist sich der dringenden Notwendigkeit bewusst, dass Hamburg in kurzer Zeit viele Einrichtungsplätze für Flüchtlinge schaffen muss, um den Flüchtlingsströmen gerecht zu werden.

Es ist unsere rechtliche und vor allem auch moralische Verantwortung, in Not geratene Menschen bei uns aufzunehmen.

Gleichwohl müssen wir auch und gerade im Rahmen der Flüchtlingsunterbringung auf die konsequente Einhaltung rechtstaatlicher Verfahren bestehen.

Die hier offenbar erneut vorgesehene Anwendung des Polizeirechtes bei der Flüchtlingsunterbringung lehnen wir ab.

Die generelle Feststellung des Senats, in Hamburg dürfe derzeit im Rahmen der Flüchtlingsunterbringung stets – ohne einen Einzelfall zu betrachten- Polizeirecht angewendet werden, ist rechtlich fragwürdig.

Um Notlagen zu vermeiden, hat der Senat zudem viel zu wenig getan. Eine deutliche personelle Stärkung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, damit Asylverfahren trotz sorgfältiger Einzelfallprüfungen nicht unnötig lange dauern, ist bisher nicht in zureichendem Maße erfolgt.

Wiederholt müssen wir feststellen, dass der Senat das Anhörungsrecht der Bezirksversammlung Harburg nicht ernst nimmt. Der Standort ist bereits vom Senat beschlossen. Die entsprechenden Maßnahmen sind –wie im Anhörungsschreiben der Fachbehörde betont wird- bereits angelaufen. Das Anhörungsrecht läuft daher einmal mehr ins Leere. Dies ist inakzeptabel.

Dies vorausgeschickt nimmt die Fraktion Neue Liberale Harburg gleichwohl wie folgt Stellung:

Wir lehnen den genannten Standort für öffentlich-rechtliche Unterbringung derzeit ab.

Die Neue Liberale Fraktion Harburg steht für eine integrationsfördernde und sozialverträgliche Unterbringung von Flüchtlingen. Das kann nur gelingen, wenn den Menschen dezentrale, überschaubare Wohneinheiten, verteilt über das gesamte Stadtgebiet zur Verfügung stehen.

Wenngleich festzustellen ist, dass die Anzahl der Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, weiter deutlich gestiegen ist, so ist eine öffentlich-rechtliche Unterbringung mit 450 Plätzen zu groß, um eine vernünftige Integration der Menschen zu ermöglichen.

Wir vermissen weiterhin das ernsthafte Bemühen der Fachbehörde künftig mehr Behutsamkeit bei der Errichtung von Flüchtlingsunterkünften walten zu lassen.

Dies gilt sowohl hinsichtlich der Größe der Einrichtungen, der geografischen Lage der Unterkünfte, der Gestaltung des Umfelds der Unterkünfte und der Beteiligung der Menschen vor Ort.

Vorliegend sind vor allem drei besonders wichtige Fragen für uns noch ungeklärt.

 

1. ÖPNV-Anbindung ungenügend

Anlässlich der Informationsveranstaltung vor Ort wurde bemängelt, dass die geplante Unterkunft derzeit lediglich über den Neuenfelder Hauptdeich zu erreichen sei. Die Bewohner müssten, um ins Ortszentrum Neuenfelde zu gelangen, den gesamten Neuen Fährweg zurückgehen. Bis zum nächsten Supermarkt sind es ca. zweieinhalb Kilometer. Vor diesem Hintergrund ist vor allem die Lage der Unterkunft im Hinblick auf die Versorgungsmöglichkeiten der Flüchtlinge problematisch. Die Busanbindungen sind unzureichend. Die Bustaktungen von oftmals nur einem Bus pro Stunde sind bei diesen Entfernungen zu wenig. Zudem verkehren am Wochenende teilweise gar keine Busse. Inwieweit hier zeitnah eine verbesserte Busanbindung geschaffen werden wird, bleibt völlig offen.

 

2. Ärztliche Versorgung unzureichend.

 

Die Bewohner Neuenfeldes sorgen sich um die Sicherstellung ärztlicher Versorgung vor Ort. Inwieweit das ohnehin magere Angebot an Ärzten verbessert werden kann, bleibt ebenso offen.

 

3. Überflutungsgefahr

Die avisierte Fläche des Werft-Parkplatzes soll angeblich in einem sog. Poldergebiet liegen. Ob die Fläche hochwassergefährdet ist, konnte nicht abschließend geklärt werden.

Da diese und weitere Fragen für uns bisher unbeantwortet geblieben sind, können wir diesem Standort derzeit nicht zustimmen.

Unverständlich ist zudem, warum leerstehende Wohnimmobilien im städtischen Eigentum nicht vorrangig für die Flüchtlingsunterbringung genutzt werden, bevor Wohncontainer aufgestellt werden.

Wir erwarten, dass Bezirk und Senat frühzeitig alternative Orte für Öffentliche Unterkünfte identifizieren. Der Standort muss uneingeschränkt geeignet sein.

Gute ÖPNV-Anbindung, vernünftige Versorgungsmöglichkeiten und eine sichere Unterbringung sind oberstetes Gebot.

Es ist für uns selbstverständlich, dass der Bezirk Harburg weiterhin seinen Anteil leistet, Flüchtlingen eine menschenwürdige Unterkunft zu bieten.

Jedoch muss auf eine angemessene Verteilung der Flüchtlingsunterkünfte auf die Bezirke geachtet werden.

Der Anteil an Flüchtlingsunterkünften im Bezirk Harburg ist derzeit bezogen auf Einwohnerzahl und Sozialstruktur des Bezirks im Verhältnis zu den anderen Bezirken weit überdurchschnittlich.

Eine gleichmäßigere Verteilung im Stadtgebiet ist sicherzustellen.

Wir fordern daher:

-         die Bezirksversammlungen zu Standortfragen frühzeitig und vor einer endgültigen Entscheidung in der Sache anzuhören, so wie es § 28 BezVG gebietet.

-         ein Gesamtkonzept für die öffentliche Unterbringung in Hamburg, mit dem Ziel kleinerer, Integration fördernder Wohneinheiten gleichmäßig verteilt über das gesamte Stadtgebiet.

-         einen Verteilerschlüssel für Hamburg, der Einwohnerzahl und Sozialstruktur der Bezirke  berücksichtigt.

-         Kurzfristig für eine deutlich verbesserte ÖPNV-Anbindung des konkreten Standorts zu sorgen.

-         Eine zureichende  ärztliche Versorgung der Flüchtlinge und der Einwohner Neuenfeldes sicherzustellen.

-         Die Sicherheit der Flüchtlinge insbesondere im Hinblick auf potenzielle Hochwassergefahren zu gewährleisten.

-         Leerstehende  städtische Immobilien möglichst vorrangig für die Flüchtlingsunterbringung zu nutzen.