Kleine Anfrage gem. § 24 BezVG bezgl. Verwaltungspraxis zu Baustellen betreffend des Rad- und Fußverkehrs
Die Mobilitätswende und die Fahrradstadt sind erklärte Ziele der Freien und Hansestadt Hamburg. Neben vielen anderen Maßnahmen ist auch der Umgang mit Baustellen, die Rad- und Fußverkehrsflächen betreffen, hierbei relevant. Historisch bedingt lag der Fokus in der Vergangenheit auf der Flüssigkeit des motorisierten Individualverkehrs (MIV). Rad- und Fußverkehr sollen nun als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmende behandelt werden und ihre Interessen bei Verkehrsraumeinschränkungen angemessen berücksichtigt werden. Rad- und Gehwege sind Teil der Straße und Straßenverkehrsfläche.
Grundsätzlich gibt es für Arbeitsstellen auf öffentlichen Verkehrsflächen gesetzliche Vorgaben, formelle Abläufe und technische Regelwerke. Nutzungen von Straßenverkehrsflächen, die über den Gemeingebrauch hinaus gehen, bedürfen einer behördlichen Genehmigung. Laut dem Onlineportal zur Beantragung einer Erlaubnis zur Verkehrsraumeinschränkung muss die verantwortliche Person Inhaber des Zertifikates „Merkblatt über Rahmenbedingungen für erforderliche Fachkenntnisse zur Verkehrssicherung von Arbeitsstellen an Straßen“ (MVAS) sein.[1][1]
Für die Einrichtung von Straßenarbeitsstellen gelten in Deutschland nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) verbindlich die Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen 2021 (RSA21)[2][2]. Die neueste Ausgabe des technischen Regelwerks von 2021 beachtet im Vergleich zu älteren Versionen in stärkerem Maß die Interessen des Rad- und Fußverkehrs. In Hamburg wurden die RSA21 zusätzlich durch den Einführungserlass am 26.04.2022 in den Hamburger Richtlinien
zur Anordnung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen (HRVV) durch die BIS ergänzt und eingeführt.[3][3] Danach wird zwischen „Straßenbauarbeiten im Sinne von § 45 Abs. 2 StVO“ und anderen „Arbeiten im Straßenraum“ differenziert. Für erstere erlässt die Straßenbaubehörde (Straßenbaulastträger) eine straßenbaubehördliche Anordnung, für letztere erlässt die Straßenverkehrsbehörde (StVB) eine straßenverkehrsbehördliche Anordnung.
Im Bezirk Harburg hat es in letzter Zeit mehrere Berichte über Baustellen gegeben, die offensichtlich nicht den Regeln der RSA21 entsprechen und deren Art der Baustelleneinrichtung den Rad- und Fußverkehr über das notwendige Maß hinaus benachteiligen. Dabei entsteht der Eindruck, dass es für die Regelkonformität in der Praxis einen Unterschied mache, ob nur Rad- und Fußverkehr, oder der Kfz-Verkehr betroffen sind.
Ohne die genaue Aktenlage zu kennen, sind Fälle bekannt, in denen Baufirmen eigenmächtig, ohne straßenverkehrs- und straßenbaubehördliche Anordnung Geh- und Radwege gesperrt und aufgerissen und somit mutmaßlich in rechtswidriger Art und Weise in den Straßenverkehr eingegriffen haben. In weiteren Fällen wurden bestehende Anordnungen nicht korrekt umgesetzt, häufig zum erheblichen Nachteil von Rad- und Fußverkehr. Die Behörden wurden jeweils erst nach einer Beschwerde tätig. Eine vergleichbare Praxis bei Baustellen, die den Kfz-Verkehr beeinträchtigen, ist nur schwer vorstellbar.
Wir fragen die Bezirksamtsleitung:
1. Wie und wie oft werden Baustellen auf öffentlichen Straßenverkehrsflächen, für die das Bezirksamt Harburg eine straßenbaubehördliche Anordnung oder Sondernutzungserlaubnis erlassen hat in der Praxis kontrolliert? Insbesondere auch bei Baustellen, die nur den Rad- und Fußverkehr und nicht den Kfz-Verkehr betreffen?
2. Kontrolliert das Bezirksamt auch die Einrichtung von Baustellen auf öffentlichen Straßenverkehrsflächen, die nicht unter die Definition von „Straßenbauarbeiten“ nach § 45 Abs. 2 StVO (gem. HRVV) fallen?
3. Prüft die Wegeaufsicht, ob für vor Ort festgestellte Baustellen oder Beschilderungen eine Genehmigung vorliegt, insbesondere auch auf Geh- und Radwegen?
4. Wie wird die Einhaltung der RSA21 geprüft?
5. Sind die Mitarbeiter in der Anwendung der RSA21 geschult, damit Verstöße vor Ort festgestellt werden können?
6. Wie viele Verstöße wurden in den letzten drei Jahren festgestellt?
7. Welche Maßnahmen wurden bei festgestellten Verstößen jeweils angewendet, wie z. B. Rückbauanordnung, Ordnungswidrigkeitenverfahren?
8. Wie wird bei eigenen Bauvorhaben des Bezirksamtes Harburg auf öffentlichen Straßenverkehrsflächen die Einhaltung der Vorschriften und verwaltungsrechtlichen Formalitäten bzgl. der o.g. Problematik sichergestellt? Gibt es z. B. entsprechende Passagen in den öffentlichen Ausschreibungen oder Bauverträgen?
9. Wer entscheidet, ob und wie eine Umleitung für den Radverkehr eingerichtet wird? Nach welchen Kriterien wird entschieden?
10. Wie sieht die Praxis bei einer Havarie (Notmaßnahme) aus? Wie wird in solchen Fällen die Verkehrssicherheit von Rad- und Fußverkehr behördlicherseits sichergestellt?
11. Wie ist die Definition einer Havarie (Notmaßnahme) in diesem Zusammenhang, bzw. nach welchen Kriterien wird entschieden, ob eine Maßnahme im normalen Verfahren behandelt wird oder im Havarie-Verfahren?
12. Wie wird sichergestellt, dass die Inhaber der MVAS-Zertifikate über die neuesten Richtlinien (RSA21) informiert sind und danach handeln? Werden jahrzehntealte Zertifikate akzeptiert?
13. Welche Veränderungen hat es in der Verwaltungspraxis bzgl. Straßenarbeitsstellen, die den Rad- und Fußverkehr betreffen in den letzten Jahren bereits gegeben oder sind geplant, damit die Interessen des Rad- und Fußverkehrs angemessen berücksichtigt werden?