20-1275

Entscheidung über den Umgang mit Bauanträgen für Wettbüros

Beschlussvorlage öffentlich

Sachverhalt

Der von der ehemaligen Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, Amt für Bauordnung und Hochbau 2014 herausgegebene Bauprüfdienst  Bauplanungs- und bauordnungsrechtliche Steuerungsmöglichkeiten von Spielhallen und Wettbüros legt dar, dass Vergnügungsstätten wie z. B. Spielhallen, Wettbüros oder Diskotheken auch zur Attraktivität eines Stadtteils beitragen können.

Jedoch kann das Ansiedeln von Spielhallen, Wettbüros ö. ä. Vergnügungsstätten in gehäufter Form  negative Folgen haben, z. B. die Gefahr der Verdrängung ortsüblicher respektive ortsdienlicher Nutzungen oder die Verschiebung sozialer Strukturen und Imageverlust für die betroffenen Gebiete.

Die Ursachen hierfür können jedoch auch anderer Natur sein und nicht in jedem Fall etwas mit der Ansiedlung von Vergnügungsstätten wie Spielhallen, Wettbüros oder Casinos zu tun haben.

Spielhallen und Wettbüros können grundsätzlich nicht für das gesamte Bezirksgebiet planungsrechtlich ausgeschlossen werden. Allerdings bieten sich der Stadt Möglichkeiten, das Ansiedeln derartiger Unternehmen sowohl planungsrechtlich als auch gewerberechtlich zu steuern.

Bereits zum jetzigen Zeitpunkt sind Vergnügungsstätten in vielen Baugebieten nach Baunutzungsverordnung unzulässig oder zumindest nur ausnahmsweise zulässig. Spielhallen wurden bisher je nach Größe und der davon abhängigen zulässigen Anzahl von Spielgeräten als kerngebietstypisch oder nicht kerngebietstypisch deklariert. Diese Regelung wurde auch auf die Wettbüros übertragen. Gemäß ständiger Rechtsprechung wurde zur Abgrenzung ein Schwellenwert von 100 m² Nutzfläche herangezogen:

  • Kerngebietstypische Wettbüros: ab 100 m² Nutzfläche
  • Nicht kerngebietstypische Wettbüros: bis 100 m² Nutzfche

Große, kerngebietstypische Wettbüros sind z.B. demnach nur in Kerngebieten und Geschäftsgebieten nach Baupolizeivorordnung (BPVO) zulässig (siehe hierzu Anlage 1).

Da Wettbüros ein relativ neues Phänomen sind, war dieses bei den bisherigen planungsrechtlichen Regelungen zu Vergnügungsstätten, wie z. B. bei Spielhallenausschlussufig noch nicht erfasst. Dadurch ergab sich, dass zwar Spielhallen ausgeschlossen aber darüber hinaus keine Aussagen zu Wettbüros getroffen wurden. Eine vermehrte Nachfrage r die Nutzungsänderung von Ladengeschäften in Wettbüros zeichnet sich durch eingehende Anträge in Harburg bereits ab.

 

Aus diesem Grund wurde am 28.02.2013 das Textplanänderungsverfahren zum Bebauungsplan Harburg 52 eingeleitet. Das planerische Ziel und damit der besondere städtebauliche Grund bestand darin, die Bemühungen die Stabilisierung der Einzelhandelsstandorte im Harburger Kern durch den Ausschluss von Wettbüros, Bordellen und bordellartige Betriebe sowie Vorführ- und Geschäftsräume, deren Zweck auf Darstellungen oder auf Handlungen mit sexuellem Charakter ausgerichtet ist, zu unterstützen. Der Bebauungsplan Harburg 52 hatte bereits 1989 durch den Spielhallenausschluss das städtebauliche Ziel der Stärkung des Kernbereiches Harburg befördert.

Aufgrund weiterer Antragstellungen für Wettbüros an der Grenze zum Geltungsbereich des Bebauungsplans Harburg 52 besteht die Möglichkeit auch für die südlich an den H 52 angrenzenden Flächen des Bebauungsplans Harburg 55 (Phoenix-Viertel) im Rahmen eines Textplanänderungsverfahrens den Ausschluss von Wettbüros zu betreiben. Inwieweit die Antragstellungen bereits Folgen aus dem Ausschluss von Wettbüros im Geltungsbereich des Harburg 52 sind, kann nicht abschließend bewertet werden. Der Ausschluss von Wettbüros ist auch angrenzend an ein Gebiet, in dem bereits vorher Wettbüros ausgeschlossen wurden, möglich.

 

Die Existenz von Vergnügungsstätten wie Wettbüros, Spielhallen und Angebote sexueller Dienstleistungen beruhen auf einer gesellschaftlichen Nachfrage. Der Ausschluss von Vergnügungsstätten ist ein Steuerungselement, mit dem sensible städtische Bereiche geschützt werden können. Dennoch kann die Folge des Ausschlusses darin bestehen, dass sich Betreiber von Vergnügungsstätten andere Stadtteile erschließen.

Daneben bedarf es für den Ausschluss genehmigungsfähiger Nutzungen immer der Benennung von besonderen städtebaulichen Gründen. Im Phoenix-Viertel könnten dies die beschlossenen Ziele der inzwischen abgeschlossenen Sanierung sein. Für den Fall das bei Änderung oder Aufhebung einer zulässigen Nutzung keine besonderen städtebaulichen Gründe vorliegen, entsteht ggf. ein Entschädigungsanspruch nach § 42 Baugesetzbuch (BauGB).

Im Zusammenhang mit der aktuellen Entwicklung der Antragstellung wird deutlich, dass sich Antragsteller immer wieder neue Wege erschließen den planungsrechtlichen Ausschluss zu umgehen. So werden aktuell  Nutzungen für Wettannahmestellen statt Wettbüros beantragt, die aufgrund ihrer Eigenart (keine Speisen, keine Getränke, keine Tische und Stühle, die zum Verweilen einladen) ggf. nicht als Vergnügungsstätten sondern als Gewerbebetrieb gelten und damit nicht planungsrechtlich abgelehnt werden können. Hierzu steht eine abschließende Beurteilung der für Grundsatzfragen zuständigen Fachbehörde noch aus. Insofern kann nicht mit Sicherheit angenommen werden, dass Wettannahmestellen überhaupt mit einem Änderungsverfahren ausgeschlossen werden können.

Es ist fraglich, ob der sukzessive Ausschluss von Vergnügungsstätten als spontane Reaktion auf entsprechende Antragstellungen folgerichtig ist. Der Planaufsteller muss immer wieder auch die Frage nach den besonderen städtebaulichen Gründen beantworten, um Entschädigungsansprüche zu vermeiden. Das bedeutet, dass sich der Bezirk grundsätzlich überlegen muss, wo welche Vergnügungsstätten noch zulässig sein sollen, wobei konkurrierende Stadträume, Verdrängungsaspekte und Priorisierungen von Nutzungen Bewertungskriterien sind. Gegebenenfalls kann nach dem Vorbild von Bergedorf ein bezirkliches Entwicklungskonzept für Vergnügungsstätten die Grundlage für die objektive und rechtssichere Beurteilung  im Umgang mit zukünftigen Entwicklungen steuern.

 

 

Petitum/Beschluss

Petitum 1:

Die Verwaltung wird beauftragt, eine Beschlussvorlage zur Einleitung eines Textplanänderungsverfahrens für den Bebauungsplan Harburg 55 zum Ausschluss von Wettbüros vorzulegen.

 

Alternative zu 1.: Ein Verfahren zur Änderung des Bebauungsplans Harburg 55 soll nicht eingeleitet werden.

 

Petitum 2:

Die Verwaltung wird beauftragt, ein bezirkliches Entwicklungskonzept für Vergnügungsstätten als Grundlage für Entscheidungen zu entsprechenden Bebauungsplanänderungen erarbeiten zu lassen.

 

Alternative zu 2.: Über die Zulassung von Vergnügungsstätten und die möglicherweise notwendige Änderung von Bebauungsplänen zur Vermeidung unerwünschter Entwicklungen von Vergnügungsstätten soll weiter wie bisher im Einzelfall bei entsprechenden Anträgen entschieden werden.

 

 

rg Heinrich Penner

Dezernent Wirtschaft, Bauen und Umwelt

 

 

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