20-0831

Antrag DIE LINKE betr. Harburg für alle! Kinder schützen und dem Senat die rote Karte zeigen!

Antrag

Sachverhalt

 

Antrag

der Abgeordneten Jörn Lohmann, André Lenthe, Kadriye Baksi, Sven Peters und Sabahttin Aras/

Fraktion DIE LINKE

 

Begründung:

Seit Ende Mai 2015 werden durch Bürgerschaftsfraktion DIE LINKE. die Zustände um den schleswig-holsteinischen Heimträger „Friesenhof“ aufgedeckt. Fast täglich kommen mehr und mehr abscheuliche Details über die Art der Unterbringung in den Einrichtungen an die Öffentlichkeit. Viele der Betreuer_innen sollen in den Mädchenheimen Gewalt, Isolation, Kollektivstrafen und Schlafentzug als Erziehungsmittel eingesetzt haben. Es gibt ernstzunehmende Hinweise, dass die Mädchen nach ihrer Überstellung in die Heime ihre Kleidung ablegen mussten und teilweise gegen ihren Willen fotografiert wurden. Kontakte zur Familie oder zum Freundeskreis wurden systematisch unterbunden. Kritische Briefe zum Verhalten des Betreuungsteams und zur Unterbringung wurden nicht abgeschickt, teilweise vor den Augen der Mädchen zerrissen. Telefonate durften nur unter Aufsicht geführt werden. Die Leiterin der Friesenhof-Heime, Barbara Janssen, räumte ein, dass „die Jugendlichen mit harter Hand geführt werden.“

Das Landesjugendamt (LJA) Schleswig-Holstein hat im Februar 2015 den Weiterbetrieb zweier Einrichtungen an scharfe Auflagen gebunden und damit Praktiken untersagt, die dort offensichtlich bis zu diesem Zeitpunkt zur pädagogischen Realität gehörten. Aus der Antwort des Senats auf eine Schriftliche Kleine Anfrage (Drs. 21/509) der Fraktion DIE Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft geht hervor, dass die Hamburger Fachbehörde überhaupt erst durch die Anfrage von den Zuständen in den Heimen und den daraus resultierenden Auflagen erfahren haben will. Dem Jugendamt Harburg, sowie den Jugendämtern Wandsbek und Mitte lag das Schreiben der LJA allerdings bereits im 23. Februar 2015 vor. Unvorstellbar, dass es offensichtlich nicht an die Hamburger Fachbehörde weitergeleitet wurde.

Das Jugendamt Harburg hat direkt nach Eingang des LJA-Schreibens reagiert und am 24. Februar 2015 in der Einrichtung „Nanna“ Gespräche mit zwei Betreuten geführt. Die beiden betreuten Mädchen sollen in Hilfeplangesprächen erklärt haben, dass sie sich in der Einrichtung wohlfühlen würden, eine Betreute habe dieses sogar schriftlich gegenüber der Heimaufsicht mitgeteilt.

Nach einer korrigierten Fassung der Senatsantwort auf die SKA Drs. 21/509 befinden sich laut Antwort des Senates vom 11.6.2015 noch fünf Mädchen in der Einrichtung „Nanna“. Für die Heime „Campina“ und „Nanna“ wurden dem Träger mittlerweile die Betriebserlaubnisse entzogen, außerdem hat der Trägerverein einen Insolvenzantrag gestellt.

 

Gegenüber dem Hamburger Abendblatt vom 13/14. Juni 2015 äußert sich die Bezirksamts-Sprecherin Bettina Maak: „Nach den Vorwürfen in den Anfragen wurden erneut Gespräche geführt. Alle vier wollen in der Einrichtung bleiben und äußerten sich positiv zur Betreuung.“

Mittlerweile haben sich etliche ehemalig Betreute zu Wort gemeldet und über ihre Leidenszeit öffentlich berichtet. Auch die Staatsanwaltschaft Itzehoe hat erste Vorermittlungsverfahren eingeleitet. In Anhörungen im zuständigen Ausschuss in Schleswig-Holstein kam heraus, dass Berichte über Missstände dem Landesjugendamt schon lange bekannt waren, sodass das LJA-SH bereits seit mehreren Jahren keine Jugendlichen mehr in den „Friesenhof“ geschickt habe.

 

Petitum/Beschluss

 

Die Bezirksversammlung Harburg beschließt:

 

  1. Die Leiterin des Jugendamtes Harburg, Sophie Fredenhagen und die Leiterin der Abteilung Allgemeiner Sozialer Dienst, Marlies Bremer sollen in einer ersten schriftlichen Stellungnahme an die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses über die aktuellen Unterbringungen von Jugendlichen aus dem Bezirk Harburg insgesamt informieren. Sie mögen darlegen, wie viele junge Menschen insgesamt das Jugendamt Harburg nach SGB VIII momentan unterbringt, wie viele davon in Hamburg und wie viele davon auswärtig in welchen Einrichtungen jeweils untergebracht sind. Zur Einrichtung „Friesenhof“ ist explizit dazulegen, in welchem Umfang und in welcher personellen Zusammensetzung die im Februar 2015 geführten Hilfeplangespräche stattgefunden haben und ob auch jeweils die Eltern informiert und an den Gesprächen beteiligt waren.

Es ist darauf einzugehen, welche Maßnahmen nach dem Schreiben des LJA Schleswig-Holstein ergriffen und umgesetzt wurden, wie oft und in welchem Umfang das Jugendamt Harburg im Zeitraum von Juli 2008 bis zum heutigen Tag die Qualität der Unterbringung und pädagogischen Leistungen in den Einrichtungen beurteilt und überprüft hat und wie mit den fünf Mädchen verfahren wird, die sich aktuell noch in der Einrichtung befinden. Die Stellungnahme soll in spätestens zwei Wochen vorliegen.

 

  1. Die fünf Mädchen aus dem Bezirk Harburg sind so schnell als möglich aus der Einrichtung zu holen und in einer alternativen Einrichtung unterzubringen. Die Unterbringung weiterer Mädchen im Friesenhof wird bis zur endgültigen Aufarbeitung der Vorwürfe gegen den Träger Friesenhof ausgesetzt.

 

  1. Über ergriffene Maßnahmen und deren Umsetzung im Zusammenhang mit dem Friesenhof sind die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses auch durch die Sommerpause hindurch, zeitnah und per Email zu informieren.

 

  1. Die Leiterin des Jugendamtes Harburg, Sophie Fredenhagen und die Leiterin der Abteilung Allgemeiner Sozialer Dienst, Marlies Bremer, in die kommende Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 03. September 2015 einzuladen. Sie sollen dort über den aktuellen Stand bei der Unterbringung von Jugendlichen aus dem Bezirk Harburg in der Einrichtung „Friesenhof“ berichten. Außerdem ist darzulegen, wie das Jugendamt bei der Unterbringung von Jugendlichen in Heimen seiner Schutzverpflichtung nachkommt, ob und wie regelmäßig die vom Bezirk ausgewählten Jugendhilfeeinrichtung überprüft werden und welche Konsequenzen aus dem „Friesenhof-Skandal“ gezogen wurden, damit sichergestellt ist, dass es in Zukunft nicht mehr zu Verletzungen der Fürsorgepflicht nach dem SGB VIII kommt.

 

  1. Es ist zu überprüfen, ob und wie viele ehemalige Betreute aus dem Bezirksamtsbereich durch die Unterbringung in den Einrichtungen des Friesenhofes noch heute unter psychischen Folgeproblemen leiden. Sollte es den Bedarf an Unterstützung geben, muss schnell und unbürokratisch Hilfe angeboten werden.