20-1106

Anfrage Neue Liberale betr. Fragen zu öffentlich-rechtlicher Unterbringung am Neuenfelder Fährdeich, Flüchtlinge auf Gelände der Sietas Werft (mit Antwort)

Anfrage gem. § 27 BezVG

Sachverhalt

 

Anfrage der Abgeordneten Isabel Wiest, Kay Wolkau, Barbara Lewy

 

 

Die BASFI hat von der Pella-Sietas-Werft einen schmalen Teil eines Parkplatzes gepachtet.

 

Dort sollen zwölf Modulbauten – Häuser aus Büro- und Wohncontainern – entstehen und demnächst bis zu 462 Flüchtlinge untergebracht werden: Eines für Verwaltung und Gemeinschaftsräume, und elf Wohnhäuser. Die Wohnhäuser sind mit je zwei Stockwerken zu sieben Wohnräumen geplant. In den zwölf Quadratmeter großen Wohnräumen werden drei Menschen wohnen.

 

Die Einrichtung wird aus verschiedenen Gründen von Anwohnern und Einsatzkräften der Feuerwehr kritisiert.

 

Vor diesem Hintergrund bitten wir die Harburger Verwaltung, bzw. die zuständige Fachbehörde um die Beantwortung folgender Fragen:

 

1. Die geplante Unterkunft ist derzeit lediglich über den Neuenfelder Hauptdeich zu erreichen. Die Bewohner müssten, um ins Ortszentrum Neuenfelde zu gelangen, den ganzen Neuen Fährweg zurückgehen. Bis zum nächsten Supermarkt sind es ca. zweieinhalb Kilometer.

 

Wie beurteilt die zuständige Stelle den Standort im Hinblick auf die Länge der Wege, die Taktung der Busverbindungen, die Versorgungsmöglichkeiten und die Integrationsmöglichkeiten für die Flüchtlinge?

 

2. Anlässlich der Vor-Ort-Veranstaltung für die Bürger wurde bemängelt, dass es eine Anbindung für Fußgänger und Rettungskräfte an den Neuenfelder Fährdeich geben müsse, um Rettungswege zu verkürzen.

 

Haben entsprechende Gespräche mit Einsatzkräften der verschiedenen Rettungsdienste vor Ort stattgefunden? Wann und mit wem? Wie beurteilen diese die Situation vor Ort? Welche Verbesserungsmöglichkeiten sieht die zuständige Stelle? Wie sehen die Anfahrts-, Rettungs- und Evakuierungspläne für die geplante Unterkunft derzeit konkret aus?

 

3. Darüber hinaus bemängelten die Bürger, dass eine Zusammenfassung mehrerer Container-Module zu in sich geschlossenen Einheiten, zum Beispiel für Familien, nicht möglich sei. Der schmale Schnitt des Grundstücks lasse es nur zu, die Container so anzuordnen, dass man von einem Modul zum anderen nur über den Flur gelangen könne. Die von der BASFI avisierte Belegung durch Familien scheint im Hinblick auf die avisierte Bauweise für diese weniger geeignet.

 

Hält die zuständige Stelle die Einrichtung dennoch für die avisierte Unterbringung von Familien für geeignet? Welche Verbesserungsmöglichkeiten sieht die zuständige Stelle?

 

4. Im Rahmen der Airbuserweiterung wurden im Ort Neuenfelde Wohnungen durch die Saga GWG angekauft.

 

Wie viele Wohnungen sind das? In welchem Zustand sind diese Wohnungen? Ungeachtet des Zustandes: Wie viele Menschen könnten dort untergebracht werden? Warum wurde von der Belegung dieser Immobilien kein Gebrauch gemacht?

 

5. Die Bewohner Neuenfeldes sorgen sich um die Sicherstellung ärztlicher Versorgung vor Ort.

 

Welche Ärzte sind vor Ort tätig? Mit welchen Stellenschlüsseln? Wieviele Ärzte sind das? Welche Fachrichtungen sind vertreten? Wird die medizinische Versorgung vor diesem Hintergrund, auch im Hinblick auf den nicht unerheblichen Zuzug, als gut bezeichnet? Falls nicht, welchen Handlungsbedarf leitet die zuständige Stelle daraus ab?

 

6. Liegt die avisierte Fläche des Werft-Parkplatzes in einem sog. Poldergebiet? Ist die Fläche hochwassergefährdet? Kam es in den letzten 15 Jahren dort zu Überschwemmungen? Wie wird die Abwassersituation vor Ort eingeschätzt? Wie werden die Abwässer abgeleitet?

 

Anfrage der Abgeordneten Isabel Wiest, Kay Wolkau, Barbara Lewy

 

Harburg, 09.11.2015

 

Kay Wolkau

Fraktionsvorsitzender

f. d. R.

 

 

 

 

BEZIRKSVERSAMMLUNG HARBURG                                                       

Der Vorsitzende                                                                                                               

23. März 2016

 

Die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) beantwortet die Anfrage der Neuen Liberalen Fraktion (Drs. 20-1106) wie folgt:

 

Für den Standort der öffentlich-rechtlichen Unterbringung „Neuenfelder Fährdeich 80“ sind insgesamt 11 Module aufgestellt, die 308 Personen einen Unterbringungsplatz bieten. Dabei werden die Wohnräume jeweils mit zwei Personen belegt, von einer ursprünglich geplanten Dreierbelegung hat die zuständige Behörde Abstand genommen. Ein weiteres Modul dient als Verwaltungsgebäude für die Mitarbeiter von fördern & wohnen (f&w).

 

Zu 1.:

Die geplante Unterkunft erhält eine Zuwegung aus der Unterbringungseinrichtung nach Süden zum Neuenfelder Fährdeich über den verbleibenden Parkplatz der Pella Sietas. Dieser Eingang wird dauerhaft für Fußgänger und Radfahrer zu benutzen sein und bei Bedarf als Rettungszufahrt dienen. Diese Zuwegung war auch von Beginn der Planungen an vorgesehen. 

Die ÖPNV-Anbindung mit der regelmäßig fahrenden Linie 150 (zu den Hauptverkehrszeiten im 10-Minuten-Takt) nach Finkenwerder und Altona und der seltener fahrenden Linie 257 nach Neuenfelde und zur S-Bahn Neugraben sind grundsätzlich ausreichend. Die Haltestelle der Linie 257 „Sietas“ liegt direkt an der südlichen Zuwegung der Einrichtung. Mit einer Fahrtzeit von 6 Minuten kann die Haltestelle „Marschkamper Deich“ erreicht werden, die im  Ortszentrum Neuenfelde liegt, wo sich auch ein Supermarkt befindet. Auch eine Entfernung von 2,5 km zum Supermarkt und weiteren Versorgungseinrichtungen (Bäcker, Apotheke, Post, Bank) ist vertretbar.   

Um Integrationsmaßnahmen für Flüchtlinge auszuarbeiten, ein gutes Miteinander mit alten und neuen Nachbarn zu gestalten sowie mit den Anwohnerinnen und Anwohnern vor Ort zusammen zu arbeiten, bietet f&w (als Betreiber der Einrichtung) einen Runden Tisch an, an dem die Anwohnerinnen und Anwohner zahlreich teilnehmen. Der 3. Runde Tisch wird am 29.03.2016 stattfinden. Die Organisation des Zusammentreffens hat die Pastorin in Neuenfelde übernommen. Es wurden bereits mehrere Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen gebildet, wie z.B. Deutschkurse oder Fahrradwerkstatt. Das Engagement der Anwohner aus Neuenfelde ist hinsichtlich dieser Thematik hoch.

Zu 2.:

Siehe Antwortbeitrag zu 1. Eine Anbindung für Fußgänger und Rettungskräfte zum Neuenfelder Fährdeich ist vorhanden. Die Anfahrts- und Rettungswege sind dadurch ausreichend gesichert.

Zu 3.:

In der Unterbringung wird eine gemischte Belegung mit Familien und Alleinstehenden angestrebt. Für Familien ist der Grundriss der Container-Module und deren Anordnung geeignet, in vergleichbaren Gebäuden sind auch in anderen Hamburger Einrichtungen Familien untergebracht. Es wird derzeit geprüft, eine zusätzliche Fläche östlich der Einrichtung anzumieten, um zusätzliche Spiel- und Aufenthaltsmöglichkeiten zu schaffen.

 

 

 

Zu 4.:

Von dem im Juli 2015 von der SAGA-GWG angekauften 115 Wohn- und Gewerbeeinheiten sind 47 Einheiten derzeit nicht vermietet. Davon stehen 21 Einheiten zur Sanierung und anschließenden Vermietung an, 26 Einheiten sollen abgebrochen und durch Neubauten ersetzt werden. Die 21 Einheiten, für die eine Sanierung geplant ist, werden derzeit sukzessive untersucht und beplant, ein Abschluss der Sanierungen ist noch 2016 geplant, das gleiche gilt für den Abriss der übrigen Gebäude.

Sowohl die zu sanierenden als auch die abzubrechenden Häuser sind nicht in einem Zustand, der eine Nutzung derzeit erlauben würde. Es sind durchweg wenig oder gar keine haustechnischen Anlagen (Heizungen etc.) vorhanden, die Elektroinstallation darf nicht weiter verwendet werden und es sind zu sanierende Holzschäden in der Bausubstanz vorhanden. Für die abzubrechenden Häuser ist eine Sanierung zur Vermietung als nicht wirtschaftlich eingeschätzt worden, das gilt umso mehr für eine Sanierung zur Zwischennutzung für die öffentliche Unterbringung.

Zu 5.:

In der Einrichtung sind, wie in allen Einrichtungen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung (Folgeunterbringung) in Hamburg, keine Ärzte tätig. Die medizinische Versorgung der Bewohner erfolgt durch die ansässigen Vertragsärzte und durch die Krankenhäuser.

Die ambulante vertragsärztliche Versorgung in Neuenfelde und den benachbarten Stadtteilen bzw. im Bezirk Harburg ist der beigefügten Übersicht zu entnehmen. Danach konzentrieren sich die Arztpraxen auf den benachbarten Stadtteil Neugraben-Fischbek. Ursächlich dürften hierfür die höhere Bevölkerungszahl und die vorhandenen Verkehrsachsen sein. Zur Anpassung des vertragsärztlichen Versorgungsangebots aufgrund einer Zunahme der Bevölkerung bzw. vorgesehene Wohnunterkünfte für Flüchtlinge steht die zuständige Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz in einem Austausch mit der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg.

Zu 6.:

Es handelt sich nicht um eine Fläche, die nach § 76 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) als Überschwemmungsgebiet festgesetzt oder vorläufig gesichert ist, also nicht um einen Hochwasserschutzpolder (Retentionsfläche).

Der gesamte Süderelbe-Raum von der Deichlinie bis zur B73 sowie für eine Vielzahl weiterer Flächen in Hamburg gilt bei extremen Sturmflutereignissen nach § 73 WHG als Risikogebiet. Dies trifft auch auf die Fläche am Neuenfelder Fährdeich 80 (Sietas-Parkplatz) zu.

 

Die Fläche liegt im sturmflutgeschützen Bereich hinter der öffentlichen Hochwasserschutzlinie und auch hinter der zweiten Deichlinie der Este. Weder von der Elbe (Sturmflut) noch von der Este (Binnenhochwasser) traten hier nach Auskunft der Behörde für Umwelt und Energie in den letzten 15 Jahren Hochwasser auf.

 

Das Abwasser aus der Einrichtung wird über das Siel am Neuenfelder Fährdeich entsorgt werden. Die Prüfung der Abführung des Niederschlagwassers ist Teil des Baugenehmigungsverfahrens. Entsprechende Unterlagen sind derzeit seitens des Betreibers in Vorbereitung. Die Versiegelung der Fläche hat sich durch die Baumaßnahme allerdings nicht erhöht, da alle Gebäude auf dem bereits asphaltierten Parkplatz errichtet wurden.

 

gez. Timmann