21-0778

Anfrage gem. §27 BezVG der GRÜNEN-Fraktion betr. Auswirkungen von Schulschließungen in Zeiten von Corona

Anfrage gem. § 27 BezVG

Sachverhalt

Wie werden sich die mehrmonatigen Schließungen der Schulen für alle Schüler*innen aufgrund der Corona-Pandemie auf die zukünftige Entwicklung der betroffenen Kinder und Jugendlichen auswirken? In der empirischen Wirtschaftsforschung gibt es kaum robustere Befunde als den positiven Einfluss von Schulbesuch und Kompetenzerwerb auf den wirt-schaftlichen Wohlstand. Geht etwa ein Drittel eines Schuljahres an Lernen verloren, so geht dies über das gesamte Berufsleben gerechnet im Durchschnitt mit rund 3–4% geringerem Erwerbseinkommen einher. Darüber hinaus zeigen Untersuchungen streikbedingter Schulschließungen, vorab geplanter Kurzschuljahre und langer Schulferien, dass ausbleibender Schulunterricht die Kompetenzentwicklung und den zukünftigen Arbeitsmarkterfolg dauerhaft schmälert. Deshalb steht bei den aktuellen Herausforderungen der Bildungspolitik sehr viel auf dem Spiel. Sie muss alles daransetzen, dass alle Kinder und Jugendlichen – mit oder ohne Präsenz in der Schule – umgehend wieder lernen.

Für die meisten Kinder und Jugendlichen hat seit Mitte März 2020 für viele Wochen in den Schulen kein Unterricht stattgefunden. Es ist wenig darüber bekannt, wie intensiv das Lernen zuhause in der Gesamtheit der Schüler*innen ausfällt und was das für die Entwicklung der schulischen Kompetenzen bedeutet. Es gibt aber Hinweise, dass bei vielen Kindern und Jugendlichen derzeit wenig gezieltes Lernen stattfindet. Jedenfalls fällt interpersoneller Unterricht oder direktes Beibringen durch Lehrkräfte in der Zeit des Distanzlernens zumeist aus. Onlineunterricht mit Video ist während der Schulschließungen eher die Ausnahme als die Regel.

Die übliche Form des Distanzunterrichts besteht darin, dass den Kindern und Jugendlichen klassische Aufgabenblätter zur Bearbeitung zur Verfügung gestellt werden. Wie effektiv dies ist und wie viele Schüler*innen sich tatsächlich ausgiebig mit den Aufgaben auseinandersetzen, ist derzeit unklar. Sicher ist, dass es sehr große Unterschiede zwischen verschiedenen Kindern und Jugendlichen in der Auseinandersetzung mit schulischen Inhalten gibt. So hat eine Befragung der letzten beiden Gymnasialklassen in acht Bundesländern während der Schulschließungen ergeben, dass 37% der Oberstufenschüler*innen für die Schule täglich weniger als zwei Stunden mit schulbezogenen Tätigkeiten verbringen (siehe Anger et al. 2020). Nur 27% machen mindestens vier Stunden lang etwas – was auch noch nicht unbedingt einem üblichen Schultag plus Hausaufgaben entspricht. 

Belastbare vergleichbare Daten liegen für die ersten bis zehnten Klassen nicht vor. Für einen nennenswerten Teil der Schüler*innen fällt das Lernen während der Schulschließungen möglicherweise nahezu ganz aus. 

Quellen: Ludger Wößmann (2020), Folgekosten ausbleibenden Lernens: Was wir über die Corona-bedingten Schulschließungen aus der Forschung lernen können, verfügbar unter https://www.ifo.de/DocDL/sd-2020-06-woessmann-corona-schulschliessungen.pdf abgerufen 07.07.2020

Anger, S., S. Bernhard, H. Dietrich, A. Lerche, A. Patzina, M. Sandner und C. Toussaint (2020), »Schulschließungen wegen Corona: Regelmäßiger Kontakt zur Schule kann die schulischen Aktivitäten der Jugendlichen erhöhen«, IAB Forum, verfügbar unter: https://www.iab-forum.de/schulschliessungen-wegen-corona-regelmassiger-kontakt-zur-schule-kann-die-schulischen-aktivitaten-der-jugendlichen-erhohen, aufgerufen 07.07.2020

 

Vor dem dargestellten Hintergrund wird die Vorsitzende der Bezirksversammlung gebeten,

zu veranlassen, das  Vertreter*innen der Schulbehörde folgende Fragen mit dem Schwerpunkt der Harburger Schulen antworten.

 

1.     Gibt es Daten darüber, wie viele Stunden sich die Schüler*innen pro Tag mit Unterrichtsthemen während der Corona-Pandemie beschäftigt haben? Wenn ja, welche Schlüsse wurden daraus bereits gezogen?

2.     Welche Harburger Schulen haben nachweislich erfolgreich in Corona-Zeiten gearbeitet und können als Modell genutzt werden?

3.     Sind erfolgreiche Ergebnisse nachweisbar z.B. in Form von benoteten Arbeiten und Zeugnissen?

4.     Wie oft fand Online-Unterricht pro Woche statt und in welchen Klassenstufen?

5.     Wie haben die Schulen sichergestellt, dass jeder Schülerin / jedem Schüler ein digitales Endgerät zur Verfügung steht?

6.     Wie viele Lehrkräfte nutzen digitale Medien?

7.     Wie viele Lehrkräfte sind in der Anwendung digitaler Medien wie geschult worden?

8.     Wann soll der normale Präsenzunterricht wieder beginnen?

9.     Wie sollen Lerndefizite aufgearbeitet werden?

10.  Welcher Prozentsatz der Harburger Lehrkräfte gehören zur Corona-Risikogruppe? Wie sollen diese Lehrkräfte langfristig eingesetzt werden? Welche weiteren Maßnahmen sind geplant?

11.  Wie wird die Gleichwertigkeit des diesjährigen Abiturs gesichert, 

da die Arbeiten nur von einer Gutachterin/einem Gutachter beurteilt wurden?

12.  Wie sieht der Langzeitplan 2020/2021 für den schulischen Unterricht aus?