22-0847

Anfrage der AfD-Fraktion Harburg gem. §24 zum Thema Eingaben

Große Anfrage gem. § 24 BezVG

Sachverhalt

In der Vergangenheit kam es wiederholt vor, dass Eingaben von Bürgern vom Vorsitzenden der Bezirksversammlung, Herrn Böhm, nicht als solche gewertet wurden – ohne dass dabei eine nachvollziehbare Begründung hinsichtlich der Anforderungen an eine Eingabe gegenüber Bürgern oder Mandatsträgern erfolgte.

Ein aktuelles Beispiel vom 29. April 2025 verdeutlicht dieses Problem:
Es handelt sich um eine „Eingabe“ (anonymisiert) einer langjährigen Bewohnerin aus Harburg, die im Wortlaut wie folgt lautet:

THEMA: Entwicklung der Wilstorfer Straße und Lüneburger Straße

1 Problemdarstellung

1.1 Beobachtungen und Sorgen

Seit fast fünf Jahrzehnten lebe ich im Stadtteil Harburg, und die Entwicklungen in den genannten Straßen bereiten mir große Sorgen.
Die politischen Entscheidungen der letzten Jahre haben diese Entwicklung zugelassen; nun scheint es nur noch um Schadensbegrenzung zu gehen. Was ist aus einem ehemals attraktiven, grünen und bezahlbaren Wohngebiet am Stadtrand geworden?

Durch meine berufliche Erfahrung in einem sozialen Brennpunkt habe ich Entwicklungen kennengelernt, die ich nun auch hier vor Ort beobachte. Der Stadtteil verarmt, Bildungsferne nimmt zu und die Kriminalität steigt.
Im Folgenden erläutere ich diese Beobachtungen und die daraus resultierenden Sorgen.

1.2 Entwicklung Lüneburger Straße

Früher war die Lüneburger Straße ein belebter Ort mit familienfreundlicher Atmosphäre. Heute bleibt davon wenig übrig.
Zwar brachte das Einkaufszentrum neue Geschäfte, doch die Auswahl bleibt begrenzt. Viele langjährige Bewohner meiden inzwischen die Innenstadt und orientieren sich ins Umland.
Die mediale Darstellung einer positiven Entwicklung empfinde ich als realitätsfern. Die Vielfalt fehlt, stattdessen dominieren Billigläden und Leerstand. Es mangelt an einem gestalterischen Konzept, das die Innenstadt wieder für alle Bewohner attraktiv macht.

1.3 Entwicklung Wilstorfer Straße

Die Kriminalität in diesem Bereich hat durch mehrere Faktoren spürbar zugenommen. Diese Entwicklung ist beunruhigend.
Unter dem Deckmantel von Geschäften und Kulturvereinen scheinen illegale Aktivitäten stattzufinden. Es kommt zu Gewalttaten auf offener Straße. Auch die Polizei wird zur Zielscheibe.
Das wirkt sich auf das Sicherheitsgefühl beim Besuch von Einkaufszentren oder Kinos aus. Eltern können ihre Kinder kaum noch alleine dorthin lassen. Das hat Auswirkungen auf die Lebensqualität im gesamten Stadtteil.
Die Entwicklungen machen traurig, sie machen Angst – und sie schränken das Leben der Menschen im Viertel zunehmend ein.
Harburg muss aus dieser Abwärtsspirale herausfinden und als Wohnort für alle wieder an Attraktivität gewinnen.

2 Forderungen / Vorschläge

  • Rechtliche Maßnahmen: Es müssen klare gesetzliche Grundlagen geschaffen werden, um problematische Strukturen – etwa in bestimmten Vereinsformen – zu unterbinden.
  • Polizeipräsenz: Die Polizei braucht mehr Handlungsspielraum und muss deutlich sichtbarer präsent sein.
  • Videoüberwachung: Eine gezielte und verhältnismäßige Kameraüberwachung an neuralgischen Punkten sollte ernsthaft diskutiert werden.
  • Langfristige Konzepte: Einzelmaßnahmen wie Arbeitsgruppen reichen nicht aus. Es braucht ein umfassendes Konzept gegen Kriminalität, mit neuen Anforderungen an Gewerbeflächen und einer Überprüfung der Regularien für Vereinsgründungen.
  • Bürokratie abbauen: Maßnahmen müssen zügig umgesetzt werden – ohne sich in endlosen Verfahren zu verlieren.
  • Umgestaltung der Lüneburger Straße: Der Leerstand ist nicht tragbar. Die Straße muss neu gedacht werden, um alle Bevölkerungsgruppen einzubeziehen und die Vielfalt zu fördern.
  • Integrationspolitik überdenken: Integration kann nur unter bestimmten Rahmenbedingungen gelingen – dazu gehören Bildung, Sprachkenntnisse und eine begrenzte Zuwanderung, um eine Überforderung des Stadtteils zu vermeiden.
    Integration sollte als Teilhabe an einem funktionierenden Gesamtgefüge verstanden werden – mit Pflichten und Verantwortlichkeiten für alle.
  • Es ist wichtig, dass die Bürger stärker eingebunden werden. Wer Verantwortung übernimmt, verhält sich eher konstruktiv und gemeinschaftsdienlich.

Mit freundlichen Grüßen
Eine langjährige Bewohnerin von Harburg

Auf Nachfrage zur Ablehnung der Eingabe teilte die Verwaltung folgendes mit:

„Aufgrund der Datenlage handelt es sich um eine Angelegenheit des Qualitätsmanagements. Dort liegt das Schreiben vor […].
Die Entscheidung liegt nach den geltenden Vorschriften beim Vorsitzenden der Bezirksversammlung. Gleichwohl wurde das Schreiben nach Rücksprache mit dem Vorsitzenden den Fraktionen weitergeleitet, wie es auch in der Vergangenheit in ähnlichen Fällen bereits praktiziert wurde.“

Diese Antwort verdeutlicht, dass die Nicht-Anerkennung von Eingaben kein Einzelfall ist, sondern offenbar regelmäßig vorkommt.

Laut § 22 der Geschäftsordnung der Bezirksversammlung Harburg (Fassung von März 2025) heißt es:

(1) Eingaben werden vom vorsitzenden Mitglied der Bezirksversammlung an den zuständigen Ausschuss überwiesen, der die Entscheidung des Hauptausschusses vorbereitet. Eingaben werden nicht behandelt, solange in der gleichen Angelegenheit Rechtsmittel geführt werden oder zulässig sind. Sie müssen von der eingebenden Person unterzeichnet und mit deren Anschrift versehen sein. Anonyme Eingaben werden nicht behandelt.
(2) Eingaben, die gleichzeitig dem Senat, der Bürgerschaft, den Behörden oder der Presse zugesandt werden, können zurückgewiesen werden.
(3) Über die Art der Erledigung der Eingabe wird die unterzeichnende Person, bei mehreren unterzeichnenden Personen die erste, von dem vorsitzenden Mitglied der Bezirksversammlung unterrichtet.

Demnach sind zwei klare Gründe für die Ablehnung einer Eingabe definiert:
(a) es bestehen oder sind zulässige Rechtsmittel anhängig,
(b) die Eingabe ist nicht unterschrieben oder ohne Anschrift.

In dem genannten Beispiel kann (b) ausgeschlossen werden, da sowohl Unterschrift als auch Anschrift vorlagen. Der Hinweis auf die „Datenlage“ ist unklar und lässt keinen Rückschluss auf (a) zu. Der Begriff ist unspezifisch und bietet weder Bürgern noch Abgeordneten eine nachvollziehbare Grundlage.

Auf der offiziellen Internetseite der Stadt Hamburg heißt es:

„Sie können sich grundsätzlich mit allen Anregungen, Bitten oder Beschwerden, die den Bezirk Harburg betreffen, an die Bezirksversammlung Harburg wenden. Ihre Eingabe ist nicht an eine bestimmte Form gebunden. Schreiben Sie einfach auf, was Sie bewegt und wozu Sie Verbesserungsvorschläge haben. Bitte geben Sie eine Kontaktmöglichkeit für die Rückantwort oder gegebenenfalls Rückfrage an.“ 1 Quelle: hamburg.de – Eingaben Harburg

Von einer „Datenlage“, die erfüllt sein muss, ist dort keine Rede. Vielmehr ist ausdrücklich erwähnt, dass keine bestimmte Form erforderlich ist. Bürger sollen unkompliziert schreiben, was sie bewegt – bei Angabe einer Kontaktmöglichkeit.

Aus einem Telefonat am 11.06.2025 mit dem Vorsitzenden der Bezirksversammlung Harburg, Herrn Böhm, ging hervor, dass es keine schriftlich fixierte Definition des Begriffs „Eingabe“ gibt. Die Einordnung erfolge vielmehr auf Grundlage des Inhalts sowie der jeweiligen Zuständigkeiten und ist damit subjektiv geprägt. Herr Böhm verwies in diesem Zusammenhang auf den Ausschuss der Bürgerschaft, der als zentrale Anlaufstelle für Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern diene.

Damit Bürger sich politisch beteiligen können, müssen die Bedingungen für Eingaben transparent sein. Nur wenn die Anforderungen bekannt sind und Gründe für eine Nicht-Behandlung offen kommuniziert werden, besteht die Möglichkeit zur Nachbesserung und aktiven Teilhabe.

Aus diesem Grund wird die zuständige Stelle um Beantwortung der nachfolgenden Fragen gebeten:

(Für den Fall, dass einzelne Fragen mit „Nein“ beantwortet werden, wird um eine Begründung gebeten.)

  1. Wie wird derzeit sichergestellt, dass die Bewertung von Eingaben nicht ausschließlich subjektiv erfolgt, sondern objektive Kriterien zur Anwendung kommen? Gibt es hierzu bereits Richtlinien oder Planungen zur Einführung solcher Maßstäbe?
  2. Besteht eine dokumentierte interne Handreichung, Dienstanweisung oder sonstige Arbeitsgrundlage, anhand derer der Vorsitz der Bezirksversammlung prüft, ob eine Eingabe vorliegt? Falls ja, kann diese der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden?
  3. Wie wird sichergestellt, dass der Umgang mit Eingaben verwaltungsintern einheitlich erfolgt, insbesondere im Hinblick auf Bearbeitung, Bewertung und Kommunikation mit den Einreichenden?
  4. Gibt es Schulungen oder Einweisungen für Mitarbeiter bzw. für das vorsitzende Mitglied der Bezirksversammlung hinsichtlich des Umgangs mit Eingaben und der gesetzlichen Anforderungen?
  5. Ist vorgesehen, den Informationsgehalt zum Thema Eingaben auf der offiziellen Internetseite der Stadt Hamburg bzw. des Bezirks Harburg zu aktualisieren oder zu erweitern? Falls ja, bitte um Mitteilung, in welchem Zeitraum dies voraussichtlich erfolgen soll.
  6. Ist vorgesehen, im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit oder Bürgerbeteiligung künftig Informationsveranstaltungen oder Onlineangebote durchzuführen, um Bürgerinnen und Bürger über das Verfahren rund um Eingaben aufzuklären?
  7. Besteht die Möglichkeit, ein digitales Formular mit vorgegebenen Feldern zur strukturierten Einreichung von Eingaben auf der Internetseite bereitzustellen?
  8. Ist geplant, auch Bürgern ohne Zugang zu elektronischen Medien die Einreichung von Eingaben zu erleichtern, etwa durch die Auslage von Formularen in öffentlichen Einrichtungen (z. B. Bürgerämtern, Bibliotheken)?
  9. Erhält jede Person, deren Eingabe nicht behandelt oder abgewiesen wurde, eine schriftliche Mitteilung mit Angabe der konkreten Gründe sowie einer klaren Empfehlung, wie das Anliegen ggf. korrekt oder zielführend eingebracht werden kann? Falls dies derzeit nicht erfolgt, bitte ich um Erläuterung der Gründe.
  10. Wurde bereits geprüft, ob eine unabhängige Stelle – etwa der Bürgerbeauftragte oder ein Ombudsmann – bei Uneinigkeit über die Anerkennung einer Eingabe hinzugezogen werden kann?
  11. Wie viele Eingaben wurden seit Beginn der aktuellen Wahlperiode (2024–2029) eingereicht, wie viele davon wurden behandelt, abgelehnt oder weitergeleitet, und wie viele blieben unbearbeitet? Kann eine Übersicht mit anonymisierter Darstellung zur Verfügung gestellt werden?
  12. Besteht die Möglichkeit, die zuvor genannten Maßnahmen auch rückwirkend auf Eingaben anzuwenden, die seit Beginn der aktuellen Amtsperiode (2024–2029) eingereicht, aber nicht behandelt oder abgewiesen wurden? Kann dieser Prozess innerhalb eines Zeitraums von drei bis sechs Monaten durchgeführt werden?
  13. Gibt es seitens der zuständigen Stellen Überlegungen, in einer der kommenden Sitzungen der Bezirksversammlung einen Überblick zum aktuellen Stand der Eingaben sowie einen möglichen Zeitplan zur Umsetzung der genannten Maßnahmen zu geben?
Lokalisation Beta
Wilstorfer Str. Lüneburger Str.

Die Erkennung von Orten anhand des Textes der Drucksache kann ungenau sein. Es ist daher möglich, das Orte gar nicht oder falsch erkannt werden.