Verkehrssicherheit rund um den Stadtpark erhöhen: Einführung von Tempo 30 im Borgweg Stellungnahme der Polizei Hamburg
Der Regionalausschuss Eppendorf-Winterhude hat sich in seiner Sitzung am 06.01.2024 mitder o.g. Thematik befasst und einstimmig folgende Beschlussempfehlung formuliert:
Die Bezirksamtsleitung wird gebeten, sich bei der Behörde für Inneres und Sport dafür
einzusetzen, dass im Borgweg zwischen Südring und Wiesendamm eine Tempo-30-Strecke
eingerichtet wird, um die Schulwege zu sichern und die allgemeine Verkehrssicherheit zu
erhöhen.
Hintergrund:
Im Rahmen des Busbeschleunigungsprogramms des Hamburger Senats wurde der Borgweg zwischen Südring und Wiesendamm verbreitert. Dadurch konnten neben einer Fahrspur für Autos auch ein Fahrradweg und eine Busspur eingerichtet werden. Seither hat das Verkehrsaufkommen durch die zunehmende Nutzung von Fahrrädern und die Erhöhung der Taktfrequenz des Busverkehrs stark zugenommen.
Auf der Parkinsel wurden im Zuge des Umbaus Fahrradabstellplätze eingerichtet, die insbesondere von Radfahrenden genutzt werden, die mit der U-Bahn in die Innenstadt oder nach Barmbek fahren möchten. Um zur U-Bahn zu gelangen, müssen diese Personen die Fahrbahn des Borgwegs zweimal überqueren: zunächst, um das Fahrrad abzustellen, und anschließend, um von der Insel zum U-Bahn-Eingang zu gelangen. Diese Überquerungen sind gefährlich, da Fußgänger den fließenden Autoverkehr aus dem Stadtpark beachten müssen. Das Risiko wird zusätzlich dadurch erhöht, dass viele Autofahrer nach dem Ende der Tempo-30-Beschränkung im Stadtpark (Otto-Wels-Straße) auf Tempo 50 beschleunigen.
Die Polizei Hamburg nimmt hierzu wie folgt Stellung:
Bei Geschwindigkeitsbegrenzungen wird in Hamburg unter anderem zwischen
Die Anordnung vom Tempo 30-Strecken gemäß § 45 Absatz 9 Nr. 6 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) im unmittelbaren Bereich von Kindergärten, Kindertagesstätten, allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern ist in den Hamburger Richtlinien zur Anordnung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen (HRVV) geregelt.
Mit der Regelung ist kein Automatismus verbunden, dass Tempo 30 vor den genannten Einrich- tungen stets anzuordnen ist. Gemäß dem inhaltlich unveränderten § 45 Absatz 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen weiterhin nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Dies gilt auch bei der Anordnung von Tempo 30 im unmittelbaren Bereich der in Rede stehenden Einrichtungen. Somit sind weiterhin auch in diesen Fällen jeweils eine Einzelfallprüfung und eine Gesamtabwägung notwendig.
Auf Grundlage der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV- StVO) zu § 46 Absatz 2 (Randnummer 149) wurden von der Behörde für Inneres und Sport als zuständige oberste Landesbehörde Regelungen zur Konkretisierung der neuen Vorschriften und zur Sicherstellung einer einheitlichen Ermessensausübung durch die Straßenverkehrsbehörden getroffen.
Um die Einrichtung einer Tempo 30-Strecke zu ermöglichen, müssen Einrichtungen, wie auch das Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte, über einen Zugang zu der betreffenden Straße verfügen. Gemäß HRVV unterliegen im Hinterhof oder auf Hinterliegergrundstücken be- triebene Einrichtungen mit einer eigenständigen Auffahrt grundsätzlich nicht den Kriterien zur Einrichtung einer Tempo-30-Strecke.
Tempo 30 allgemeinGrundsätzlich wird nach § 3 Absatz 3 StVO bestimmt, dass die Höchstgeschwindigkeit innerorts maximal 50 km/h beträgt. Zusätzliche Geschwindigkeitsbeschränkungen müssen rechtlich begründet werden. Nach § 45 Absatz 1 der StVO i.V.m. § 45 Absatz 9 StVO sind einerseits Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist und andererseits insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden dürfen, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt.
Wie oben ausgeführt, muss eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 30 umfassend rechtlich begründbar sein; die genannte Gefahrenlage muss vorliegen.
Begründen Auswertungen zu Geschwindigkeit und eine Verkehrsunfallanalyse diese Gefahrenlage nicht, fehlt hier die rechtliche Voraussetzung. Aufgrund der fehlenden Gefahrenlage, die eine Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich über- steigt, ist eine Anordnung einer Geschwindigkeitsreduzierung von Tempo 30 aus diesen Gründen rechtlich nicht möglich.
Eine verdeckte Messung mittels eines Verkehrsstatistikgerätes (VSG) im Borgweg vom 20.01.- 27.01.2025 ergab einen V-85-Wert von 30 km/h. Der V-85-Wert gibt an, welche Geschwindigkeit von 85 % der Kraftfahrzeugführer nicht überschritten wird und gilt als maßgebende Kerngröße für das Geschwindigkeitsniveau einer Straße. Das Niveau liegt im Borgweg bei erlaubten 50 km/h somit auf einem niedrigen Niveau.
Weitere Argumente für eine Tempo-30-Regelung:
1. Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte (BZBS):
Am Borgweg befindet sich das Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte. Viele Schülerinnen und Schüler werden regelmäßig mit Kleinbussen abgeholt, die hierzu in den Borgweg ein- und ausfahren müssen. Eine Tempo-30-Regelung würde die Sicherheit in diesem Bereich erheblich erhöhen.
Wie bereits beschrieben, müssen entsprechende Einrichtungen über einen Zugang zu der betreffenden Straße verfügen, was in diesem Fall nicht vorliegt.
2. Heinrich-Hertz-Schule:
Mit der Heinrich-Hertz-Schule befindet sich eine der größten Schulen Hamburgs ebenfalls am Borgweg. Beide Schulen (BZBS und Heinrich-Hertz-Schule) profitieren bereits am Südring von einer Tempo-30-Zone.
Die Heinrich-Hertz-Schule befindet sich im Grasweg 72-76. Zwischen den Straßen Grasweg und Borgweg liegt noch der Südring, woraufhin kein unmittelbarer Bezug für die Einrichtung einer Tempo-30-Strecke im Borgweg mit der besagten Schule hergeleitet werden kann.
3. Starker Zustrom von Stadtparkbesuchern:
Besonders im Sommer strömen zahlreiche Besucherinnen und Besucher in den Stadtpark, wobei viele den Borgweg auch abseits von Ampelanlagen queren. Die Einführung von Tempo 30 würde das Risiko von Kollisionen mit schnell fahrenden Autos reduzieren.
Ein etwaiges Fehlverhalten von Fußgängerströmen lässt keine rechtlich fundierte Errichtung einer Tempo-30-Strecke zu.
Entkräftung der Argumente gegen Tempo 30:
1. Zweispurigkeit des Borgwegs:
Die von der Behörde angeführte Zweispurigkeit besteht faktisch nicht, da die zweite Spur überwiegend als Busspur, Warte-, Aufstell- und Haltefläche dient. Dieses Argument ist hier nichtzutreffend.
2. Fehlende Unfallstatistik:
Die Behauptung, eine Tempo-30-Regelung sei aufgrund der geringen Unfallzahlen nicht erforderlich, ist nicht haltbar. Verkehrssicherheit sollte präventiv erhöht werden, bevor es zu schweren oder tödlichen Unfällen kommt.
FazitEine Gefahrenlage, welche sich aus zu hohen Geschwindigkeiten und/ oder entsprechenden Verkehrsunfallzahlen ableiten lässt, ist im Borgweg in dem zur Rede stehenden Bereich nicht erkennbar. Aufgrund der fehlenden Gefahrenlage, die eine Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt, ist eine Anordnung einer Geschwindigkeitsreduzierung von Tempo 30 aus diesem Grund rechtlich nicht möglich.
Um Kenntnisnahme wird gebeten.
Isabel Permien
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