20-6461

Umsetzung des Teilhabechancengesetztes in Hamburg
Anfrage gem. § 27 BezVG

Anfrage nach § 27 BezVG

Sachverhalt

 

Mit Wirkung zum 1. Januar 2019 ist das Zehnte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Schaffung neuer Teilhabechancen für Langzeitarbeitslose auf dem allgemeinen und sozialen Arbeitsmarkt (Teilhabechancengesetz) in Kraft getreten. Mit der ausdrücklichen Zielsetzung, sehr arbeitsmarktfernen Langzeitarbeitslosen Perspektiven für eine Teilhabe am Arbeitsmarkt zu eröffnen, können für die Dauer bis zu fünf Jahren sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse auf dem allgemeinen und sozialen Arbeitsmarkt geschaffen werden.

Der explizite Einbezug des sozialen Arbeitsmarkts sowie der Wegfall des Kriteriums der Zusätzlichkeit birgt die Chance, auf dem sozialen Arbeitsmarkt gemeinwohlorientierte Arbeitsplätze zu schaffen, die Langzeitarbeitslosen eine echte Chance auf Teilhabe ermöglichen.

Gleichzeitig wurde die Möglichkeit für einen Passiv-Aktiv-Transfer geschaffen. Dadurch können die eingesparten Mittel für Arbeitslosengeld II und Kosten der Unterkunft genutzt werden, um Arbeitsplätze nach dem § 16i SGB II zu finanzieren. Alternativ können die Mittel aus dem Passiv-Aktiv-Transfer auch für zusätzliche kommunale Eingliederungsleistungen verwendet werden.

Seitens der Beschäftigungsträger und anderer sozialer Träger in Hamburg wird nunmehr beklagt, dass Ihnen eine Umsetzung des Teilhabechancengesetzes nicht möglich ist, weil neben den durch das Teilhabechancengesetz ermöglichten Lohnkostenzuschüsse keine Strukturen bei den Beschäftigungsträgern mehr finanziert werden (z.B. zusätzliche Personalkosten, Mietkosten). Faktisch könnten dadurch lediglich Beschäftigungsverhältnisse in der freien Wirtschaft finanziert werden. Bereits bestehende gemeinwohlorientierte Projekte vor Ort in den Stadtteilen können somit nicht fortgesetzt werden. Dies steht im Widerspruch zur Intention des Teilhabechancengesetztes, das ausdrücklich auch Beschäftigungsverhältnisse auf dem sozialen Arbeitsmarkt, also auch bei Beschäftigungsträgern oder anderen gemeinwohlorientierten Trägern, vorsieht.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die zuständigen Behörden:

1. Zur Umsetzung des Teilhabechancengesetztes (§16i SGBII) in Hamburg:

a) Wie soll das Teilhabechancengesetz in Hamburg konkret umgesetzt werden?

b) Welche Beschäftigungsverhältnisse und welche Arbeitgeber sollen konkret in die Umsetzung des Teilhabechancengesetztes einbezogen werden?

c) Zielt die Umsetzung ausschließlich auf die Förderung von Beschäftigungsverhältnissen auf dem ersten Arbeitsmarkt ab, oder werden auch Beschäftigungsverhältnisse auf dem sozialen Arbeitsmarkt finanziert?

d) Sofern letzteres der Fall ist: welche Maßnahmen werden unternommen, um den Arbeitgebern auf dem sozialen Arbeitsmarkt die Umsetzung des §16i SGB II zu ermöglichen, z.B. durch die Übernahme von zusätzlichen Personalkosten und Mietkosten (so genannter „Regiekosten“)?

Die  Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) beantworten das Auskunftsersuchen wie folgt:

 

Das Teilhabechancengesetz bietet für langzeitarbeitslose Menschen neue Wege in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Da die Kriterien Wettbewerbsneutralität, Zusätzlichkeit und Öffentliches Interesse wegfallen, werden die Voraussetzungen geschaffen, Teilhabechancen nicht nur auf dem sozialen, sondern auch auf dem ersten Arbeitsmarkt zu realisieren.  Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter) stehen seit dem 01.01.2019 zwei Förderinstrumente neu zur Verfügung.

 

Die neue Förderung nach § 16e des Sozialgesetzbuches II (SGB II) löst das bereits seit langem bestehende Instrument „Förderung von Arbeitsverhältnissen (FAV)“ ab. Der neue Förderweg wird einfacher und besser: Bis zu zwei Jahre erhält ein Arbeitgeber einen gestaffelten Lohnkostenzuschuss und kann eine begleitende Betreuung für den Langzeitarbeitslosen in Anspruch nehmen, dem er eine Chance im Betrieb gibt. Mit diesem Förderweg sollen möglichst viele Beschäftigte nach den zwei Jahren in eine ungeförderte Beschäftigung bei dem Arbeitgeber kommen.

 

Von besonderer Bedeutung für die Gestaltung des sozialen Arbeitsmarktes ist der neue, zweite Förderweg nach § 16i SGB II. Hier ist eine bis zu fünfjährige Förderung über einen gestaffelten Lohnkostenzuschuss möglich. Dieser zweite Förderweg basiert auf dem Bundesmodellprogramm Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt, das am 31.12.2018 endete. Neben der begleitenden Betreuung können auch Ausgaben für Weiterbildung übernommen werden. Auch über diese lange Stabilisierungs- und Qualifizierungsphase sollen möglichst viele Menschen zu einer ungeförderten Beschäftigung bei einem Arbeitgeber finden.

 

Die Förderinstrumente richten sich dabei an alle Arten von Arbeitgebern. Der wirtschaftliche bzw. kostendeckende Betrieb der Unternehmen obliegt dabei in der Verantwortung der Geschäftsführung. Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter), die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) sowie die Agentur für Arbeit unterstützen dabei eine möglichst marktnahe Ausrichtung der Tätigkeit und haben hier im letzten Jahr bereits gemeinsam  viele Gespräche mit Arbeitgebern geführt. Das Interesse an den neuen Instrumenten ist hoch.

 

Darüber hinaus führen Jobcenter, Agentur für Arbeit und BASFI bereits seit der zweiten Jahreshälfte 2018 Gespräche mit den Beschäftigungsträgern, die sich künftig als Arbeitgeber aufstellen wollen, um die Umstellung der bisherigen Förderinstrumente auf das neue rechtliche Instrumentarium, dessen Förderlogik und den damit verbundenen Chancen vorzubereiten.

 

Bei Projekten, die nach dem Ende des Bundesmodellprogramms Sozialer Teilhabe am Arbeitsmarkt noch nicht unmittelbar ohne zusätzliche Unterstützung die neuen Förderinstrumente nutzen können, stehen BASFI und Jobcenter in engem Kontakt mit den Trägern. Im Januar 2019 wurden hierzu unter anderem auch Gespräche mit dem Träger Mook Wat geführt, um die Finanzierung der Projekte Pottkieker, Mookwat PC und des Arbeitsladen im Jahr 2019 sicherzustellen. Derzeit erfolgt die Zuweisung der Teilnehmenden durch Jobcenter.

 

Die dauerhafte Absicherung von Stadtteilprojekten und hier insbesondere jenen Projektbestandteilen, die über arbeitsmarktpolitisch relevante Aspekte hinausgehen, kann nicht über die Produktgruppe Arbeitsmarktpolitik des Einzelplans 4.0 erfolgen. Daher arbeitet die BASFI derzeit gemeinsam mit den Bezirken und ggf. weiteren Dienststellen an einem Konzept, wie die in diesen Projekten anfallenden und nicht von der Bundesförderung (SGB II) oder von in den Projekten erzielten Einnahmen gedeckten Kosten im Einklang mit der neuen Gesetzeslage finanziert werden können. Ziele sind eine gemeinsame und verlässliche Finanzierungs- und Verfahrensgrundlage, auf deren Basis für die als stadtteilpolitisch wichtig eingestuften Projekte unter Inanspruchnahme des § 16 i SGB II eine Perspektive über den 31.12.2019 hinaus geschaffen werden kann. 

 

Dies vorausgeschickt, beantwortet die BASFI das Auskunftsersuchen wie folgt:

 

Zu 1.a):

 

Mit dem Teilhabechancengesetz wurden zwei neue Förderinstrumente eingeführt, die seit dem 01.01.2019 auch in Hamburg nutzbar sind. Die Beantragung und Bewilligung der Förderung erfolgt über das Jobcenter (Bundesmittel).

 

Zu 1.b):

 

Mit den neuen Förderinstrumenten werden sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse bei allen Arten von Arbeitgebern gefördert. Die Antragsstellung ist allen Arbeitgebern möglich. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

 

Zu 1.c):

 

Die Förderung kann von allen Arbeitgebern beantragt werden.

 

Zu 1.d):

 

Die Übernahme von zusätzlichen Personal- und Mietkosten ist im Rahmen der Förderinstrumente bundesgesetzlich nicht vorgesehen. Im Rahmen des § 16e kann 2019 wie bisher die ergänzende Förderung von Anleitungspersonal über das ESF-Projekt Servicestelle ZAQ beantragt werden.

Die Träger des ehemaligen Bundesprogramms Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt, die noch nicht unmittelbar ohne zusätzliche Unterstützung die neuen Förderinstrumente nutzen können, wird die BASFI im Jahr 2019 unterstützen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

 

2. Verwendung der Mittel aus dem Passiv-Aktiv-Transfer

a) Für welche konkreten Maßnahmen sind die Mittel aus dem Passiv-Aktiv-Transfer vorgesehen?

b) Können Mittel aus dem Passiv-Aktiv-Transfer ganz oder teilweise für eine weitere Finanzierung von Arbeitsplätzen nach §16i SGB II bei Trägern oder sozialen Einrichtungen eingesetzt werden?

c) Wenn ja: wie sollen die Arbeitsplätze nach §16i SGB II konkret zusätzlich finanziert werden?

d) Ist im Rahmen einer solchen Finanzierung von Arbeitsplätzen nach dem § 16i SGB II auch eine Finanzierung so genannter „Regiekosten“ bei Beschäftigungsträgern vorgesehen?

Zu 2.a) bis d):

 

Der Passiv-Aktiv-Transfer (PAT) wurde mit der Einführung des neuen § 16i SGB II erstmals durch einen Vermerk im Bundeshauhalt eingeführt; er bezieht sich ausschließlich auf Bundesmittel. Bei einer Förderung nach § 16i SGB II kann der PAT vom Jobcenter genutzt werden. Die Nutzung des PAT reduziert die Ausgaben im Eingliederungstitel des Jobcenters und schafft damit die Möglichkeit, weitere Teilnehmerinnen und Teilnehmer am sozialen Arbeitsmarkt oder in den weiteren Förderinstrumenten des SGB II und SGB III zu unterstützen. Einen kommunalen PAT beinhaltet das Bundesgesetz nicht.

Der PAT reduziert die Ausgaben im Eingliederungsmittel des Jobcenters. Die „eingesparten“ Mittel stehen für andere aus dem Eingliederungstitel des Jobcenters zu finanzierende Maßnahmen zur Verfügung (keine Zweckbindung). Da die Übernahme von zusätzlichen Kosten (Regierkosten) im Rahmen von § 16 i SGB II gesetzlich nicht vorgesehen ist, stehen die Mittel aus dem PAT auch nicht zur Finanzierung dieser Kosten zur Verfügung. Siehe auch Antwort zu 1d).

 

3. Wenn die Mittel aus dem Passiv-Aktiv-Transfer nicht zur Finanzierung der so genannten Regiekosten genutzt werden können, ist dann eine andere öffentliche Förderung von Arbeitsplätzen im gemeinwohlorientierten Bereich seitens der zuständigen Behörden durch die Übernahme der Regiekosten vorgesehen?

a) Wenn ja, wie und in welcher Höhe wird diese Förderung erfolgen?

b) Wenn nein, gibt es weitere Alternativen mit denen eine Förderung von Arbeitsplätzen im gemeinwohlorientierten Bereich geschaffen werden kann?

Zu 3.a):

 

Siehe Antwort zu 1.d) und Vorbemerkung. Die Abstimmungen mit den Trägern sind noch nicht abgeschlossen. Aussagen zur konkreten Förderhöhe können daher noch nicht erfolgen.

 

Zu 3.b):

 

Mit den neuen Förderinstrumenten können auch Tätigkeiten im gemeinnützigen Bereich gefördert werden. Die konkrete Finanzierung der Unternehmensausgaben liegt in der Verantwortung der Geschäftsführungen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

 

Bezirksabgeordnete Dr. Alice Otto (SPD), Martina Schenkewitz (SPD), Rüdiger Wendt (SPD), Alexander Kleinow (SPD)