Tempo 30 in der Hohen Liedt wenn Veloroute, dann richtig!
Stellungnahme der Polizei Hamburg
In der Sitzung vom 21.10.2019 forderte der Regionalausschuss FOLAG mit einem interfraktionellen Antrag von GRÜNEN, SPD, CDU, LINKE und FDP (Drs. 21-0437) einstimmig eine umfassende Überarbeitung der Planung der Veloroute 4 entlang Hohe Liedt/Neuberger Weg zwischen Fibigerstraße und Tangstedter Landstraße. Ziel ist eine Planung, welche den Anforderungen an einen besonders sicheren Schulweg für zu Fuß gehende wie radelnde Schüler*innen sowie einer auch für unsichere Radler*innen attraktiven Radverkehrsver-bindung gerecht wird.
Der Antrag wird von der Bezirksverwaltung kritisch gesehen: In der o.g. Sitzung lag eine Tischvorlage des Bezirksamts aus, in welcher eine Beanstandung des Beschlusses nach §22 BezVG in Aussicht gestellt wird. Um dem entgegenzuwirken, soll ein klarer Handlungsauftrag an das Bezirksamt in Richtung der zuständigen Fachbehörde formuliert werden.
Eine einfache Möglichkeit, den Forderungen des interfraktionellen Antrags gerecht zu werden, wäre die Reduzierung der Geschwindigkeit in der Hohen Liedt auf dem Abschnitt Tangstedter Landstraße bis U-Bahn-Brücke/Neuberger Weg auf Tempo 30. In diesme Fall könnten alle baulichen Maßnahme der aktuellen Planung sogar unverändert übernommen werden. Bisher wurde diese Variante von den Fachbehörden mit der Begründung abgelehnt, dass auf einer Straße von „übergeordneter Bedeutung” die Anordnung von Tempo 30 nicht möglich sei. Dies kann so nicht stimmen: Auch auf der Stresemannstraße im Bezirk Altona gilt seit Jahren diese Geschwindigkeitsbegrenzung.
Vor diesem Hintergrund möge die Bezirksversammlung beschließen:
Die Bezirksamtsleitung wird gebeten, sich bei den zuständigen Fachbehörden mit Nachdruck dafür einzusetzen, Möglichkeiten zu finden, auf dem Streckenabschnitt der Hohen Liedt zwischen Tangstedter Landstraße und U-Bahn-Brücke/Neuberger Weg eine Geschwindigkeitsreduzierung auf Tempo 30 anzuordnen.
Für die GRÜNE Fraktion Für die SPD-Fraktion
Michael Werner-Boelz Alexander Kleinow
Timo B. Kranz
Angelina Timm
Die Bezirksversammlung beschließt den Antrag.
Hierzu nimmt die Verkehrsdirektion 5 als Zentrale Straßenverkehrsbehörde in Ab-stimmung mit der örtlich zuständigen Straßenverkehrsbehörde am Polizeikommissariat 34 (PK 34) wie folgt Stellung:
Bei der Straße Hohe Liedt handelt es sich um eine bezirkliche Hauptverkehrsstraße mit gesamt-städtischer Bedeutung. Trotz der geringen Fahrbahnbreite von ca. 5,10 m im Bereich zwischen der Tangstedter Landstraße und der U-Bahn-Brücke dient der Straßenzug Neubergerweg-Hohe Liedt als leistungsfähige Ost-West-Verbindung im Stadtteil Langenhorn und unterliegt insbeson-dere zu den Hauptverkehrszeiten einer verstärkten Frequentierung. Weiterhin wird die Örtlichkeit regelmäßig als Umleitungsstrecke für den ÖPNV sowie bei Sperrungen anderer Straßenzüge (z.B. aufgrund von Baumaßnahmen) genutzt. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt 50 km/h.
Die Veloroute 4 verläuft von der Fibiger Straße durch den Neuberger Weg / Hohe Liedt in die Straße Laukamp hinein und tangiert die Straße Hohe Liedt im Bereich zwischen der U-Bahn-Brücke und der Straße Laukamp für ca. 90 m. Die verbleibende Distanz bis zur Tangstedter Landstraße beträgt ca. 310 m. In dieser Drucksache wird eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h für die Straße Hohe Liedt zwischen Tangstedter Landstraße und U-Bahnbrücke
gefordert (Gesamtdistanz ca. 400 m). Hintergrund sei der Wunsch nach der Beibehaltung der aktuellen Planungsvariante zur Veloroute 4 hinsichtlich der Erhaltung des Baumbestandes und der Vermeidung von Änderungen im Bebauungsplan.
Ziel sei es auch, einen besonders sicheren Schulweg zu ermöglichen. Vergleichsweise für eine bereits umgesetzte Anordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Straßen mit überge-ordneter Bedeutung wird hierzu die Anordnung von Tempo-30 in der Stresemannstraße aufge-führt.
Nach § 45 Absatz 9 StVO sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs (hier: Zeichen 274-30 StVO) dürfen nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt.
Gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) zu Zeichen 274 sollen auf bestehenden Straßen Geschwindigkeitsbeschränkungen aus
Sicherheitsgründen angeordnet werden, wenn Unfalluntersuchungen ergeben haben, dass häufig geschwindigkeitsbedingte Unfälle aufgetreten sind. Dies gilt jedoch nur dann, wenn festgestellt worden ist, dass die geltende Höchstgeschwindigkeit von der Mehrheit der Kraftfahrer eingehalten wird. Im anderen Fall muss die geltende zulässige Höchstgeschwindigkeit durchgesetzt wer-den. Geschwindigkeitsbeschränkungen können sich im Einzelfall schon dann empfehlen, wenn aufgrund unangemessener Geschwindigkeiten häufig gefährliche Verkehrssituationen festgestellt werden.
Ein erhöhtes Geschwindigkeitsniveau ist im Zusammenhang mit der schmalen Fahrbahn eher unwahrscheinlich und durch Beobachtungen des örtlich zuständigen Polizeikommissariates bis-her auch nicht festzustellen.
Die Auswertung der Verkehrsunfalllage für die letzten drei Jahre ergab keine Auffälligkeiten. Hinweise auf gefährliche Situationen sind dem PK 34 ebenfalls nicht bekannt.
Aus diesen Gründen ist eine qualifizierte Gefahrenlage, die das allgemeine Risiko einer Beein-trächtigung der relevanten Rechtsgüter (hier insbesondere: Leben und Gesundheit von Verkehrs-teilnehmern sowie öffentliches und privates Sacheigentum) erheblich übersteigt, nicht gegeben.
Auch unabhängig von der Veloroutenplanung liegen keine Gründe gem. § 45 (9) StVO vor, die zulässige Höchstgeschwindigkeit in diesem Bereich auf 30 km/h zu beschränken.
Aufgrund des in der Drucksache angegebenen Vergleiches zur Anordnung von Tempo-30 in der Stresemannstraße kann ausgeführt werden, dass diese im Jahr 1991 vor dem Hintergrund der Verkehrsunfallbekämpfung erfolgte. Zuvor hatte sich ein Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang ereignet. Daher lag eine besondere Gefahrenlage vor, die den Vorgaben des § 45 (9) StVO entsprochen hatte.
Das Ziel der Planung, die Sicherheit für radelnde Schüler oder unsichere Rad Fahrende
zusätzlich durch Geschwindigkeitsbeschränkungen zu unterstützen, lässt außer Acht, dass das Radfahren auf der Straße bei Tempo 50 als nach § 3 Absatz 3 StVO „unter günstigsten Umständen zu-lässige Höchstgeschwindigkeit“ gesetzlich der Normalfall ist.
Zudem müssen Kinder nach § 2 Absatz 5 StVO bis zum vollendeten achten Lebensjahr und dürfen Kinder bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr mit Fahrrädern Gehwege benutzen. Soweit ein Kind bis zum vollendeten achten Lebensjahr von einer geeigneten Aufsichtsperson begleitet wird, darf diese Aufsichtsperson für die Dauer der Begleitung den Gehweg ebenfalls mit dem Fahrrad benutzen.
Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Kinder ab dem achten Lebensjahr in der Lage sind, auf Radwegen oder auf der Fahrbahn einer Straße zu fahren.
Für die Straße Hohe Liedt kann die Anordnung einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h nicht erfolgen, da die rechtlichen Kriterien dafür nicht erfüllt werden.
Um Kenntnisnahme wird gebeten.
Sina Imhof