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Straßenbenennung in Hamburg-Nord: Walter-Bärsch-Weg

Kleine Anfrage nach § 24 BezVG

Sachverhalt

 

Mit Straßenbenennungen gedenkt die Stadtgesellschaft der Verdienste bestimmter Persönlichkeiten um das Gemeinwohl. Immer wieder gab es dabei in der Vergangenheit intensive Debatten, ob solche Ehrungen bei NS-belasteten Personen noch zu rechtfertigen sind. So wurden u.a. auf Initiative der GRÜNEN Bezirksfraktion die Konjetznystraße und die Max-Nonne-Stre in Langenhorn umbenannt. Vorangegangen war dieser Debatte eine ebenfalls von der GRÜNEN Bezirksfraktion Hamburg-Nord initiierte Diskussion um die Straßenbenennung und Ehrenbürgerschaft Paul von Hindenburgs. Hindenburg war nicht nur Feldmarschall und Reichspräsident er war auch einer der wesentlichen Wegbereiter Adolf Hitlers und der Nationalsozialisten. Diese Debatte führte dazu, dass leider nur ein kleines, nur durch den Stadtpark gehendes Teilstück der Hindenburgstraße nach Otto Wels benannt wurde. Auch die Bürgerschaft konnte sich nicht dazu entschließen, Hindenburg die Ehrenbürgerschaft zu entziehen. So ist Hindenburg auch weiterhin Ehrenbürger Hamburgs, sein Wirken wird nun lediglich in der Liste der Ehrenbürger kommentiert.

Neue Erkenntnisse über Personen und ihr historisches Wirken sowie eine veränderte Wertehaltung in einer Gesellschaft sollten es ermöglichen, von vermeintlichen Vorbildern Abschied zu nehmen, wenn deutlich wird, dass ihre Biografie einer freiheitlichen, demokratisch-pluralistischen Gesellschaft nicht gerecht wird. So hat dies auch der Senat in der Antwort auf eine Anfrage der GRÜNEN Bezirksfraktion Hamburg-Nord in der Drs. Nr. XX-3198 [1] ausgehrt: Der Senat hat regelmäßig Verkehrsflächen umbenannt, wenn ihm nachweislich die NS-Belastung einer namensgebenden Person bekannt geworden ist und die Benennung in eklatanter Weise die heutigen Wertvorstellungen verletzt.“

Im Bezirk Hamburg-Nord gibt es seit dem Jahr 2000 im Stadtteil Groß Borstel den Walter-Bärsch-Weg. Er geht von der Obenhauptstraße ab. Walter Bärsch war Sonderpädagogikprofessor, Hamburger Oberschulrat und engagierter Gewerkschafter. Er gehörte u.a. auch dem Hauptvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft an. Er war auch Präsident, später sogar Ehrenpräsident, des Deutschen Kinderschutzbundes.

Veröffentlichungen von Bodo Schümann sowie von Hans-Peter de Lorent haben in der Vergangenheit aber auch ein anderes Bild der Person Walter Bärsch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. So soll Bärsch 1933 Mitglied der SS geworden sein, in der er 1939 bis zum Untersturmhrer aufstieg. 1934 soll er der NSDAP beigetreten sein und ab 1937 soll er sich als Studenten- bzw. Altherrenführer im Nationalsozialistischen Studentenbund engagiert haben. Diesen Teil seiner Biografie hat Bärsch nach 1945 weder offen eingestanden noch aufgearbeitet. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass er dies geschickt verheimlichte, vertuschte oder sogar falsche Fährten legte.

 

Vor diesem Hintergrund fragen wir das Bezirksamt:

  1. Wann und durch wen wurde der Beschluss gefasst, nach Walter Bärsch eine Straße zu benennen?

 

Zu.1.:

Die Benennung der Straße war auf der Tagesordnung des Kerngebietsausschusses (KGA) am 22.02.1999 das Ausschussmitglied Herr Schlüter (CDU) hat den Namen Walter-Bärsch-Weg vorgeschlagen. Nach Rücksprache mit dem Staatsarchiv wurde der Benennungsvorschlag durch den KGA am 07.06.1999 zur Kenntnis genommen (siehe Anhang).

 

  1. Wie wurde dieser Beschluss begründet?

 

Zu 2.:

Als Begründung wurde angeführt, dass dieser sich beim Kinderschutzbund sehr engagiert habe und eine insgesamt eindrucksvolle Lebensleistung vollbracht habe.

 

  1. Welche Erkenntnisse über das Wirken Walter Bärschs in der Zeit des Nationalsozialismus liegen dem Senat insgesamt vor?

Zu 3.:

Siehe Antwort zu 4.

 

  1. War Walter Bärsch aktiv (ggf. auch nur Mitglied) in Organisationen der Nationalsozialisten oder Institutionen, die von diesen kontrolliert wurden?

Falls ja, bitte mit der Art der Aktivität, Hinweis auf Mitgliedschaft und eventuelle Funktionen benennen.

 

Zu 4.:

Nach Kenntnissen des Bezirksamtes war Walter Bärsch vom 01.02. bis 31.12.1934 Hitlerjunge und wurde anschließend ohne eigenen Antrag als Anwärter in die NSDAP überwiesen.

 

  1. Durchlief Bärsch nach der Befreiung Deutschlands ein Entnazifizierungsverfahren?

Wenn ja, mit welchem Ausgang? Wenn nein, warum nicht?

 

Zu 5.:

Laut Akte 221-11 Staatskommissar für die Entnazifizierung und Kategorisierung wurde Walter Bärsch in der Kategorie 5 (unbelastet) eingestuft, so dass er in den Schuldienst übernommen werden konnte.

 

  1. Welche Funktionen hatte Bärsch nach 1945 inne?

 

Zu 6.:

Siehe Lebenslauf im Anhang

 

  1. Welche Erkenntnisse liegen über die nach Bärschs Angaben 1943 erfolgte Promotion an der Prager Karls-Universität im Fach Psychologie vor?

 

Zu 7.:

Keine dem Bezirksamt zugängliche

 

  1. Waren zum Zeitpunkt der Beschlussfassung zur Straßenbenennung nach Walter Bärsch dessen Aktivitäten in der Zeit des Nationalsozialismus bekannt?
    1. Wenn ja, weshalb wurde die Straße trotzdem nach ihm benannt?
    2. Wenn nein, wie beurteilt der Senat vor dem Hintergrund des heutigen Kenntnisstandes zur Person Walter Bärsch die Straßenbenennung nach ihm?

Zu 8.:

Es waren dem Bezirksamt die unter 4. genannten Aktivitäten bekannt, die einer Benennung nicht entgegenstanden

 

  1. Wie ist der Umgang Walter Bärschs mit seiner eigenen Biografie in der Zeit des Nationalsozialismus nach 1945 zu bewerten?

 

Zu 9.:

Hierzu kann seitens des Bezirksamtes Hamburg-Nord aus Ermangelung an Erkenntnissen

keine Aussage getroffen werden.

 

  1. Angesichts des heutigen Kenntnisstandes über die Person Walter Bärsch:
    1. Ist er als NS-belastete Person zu bewerten?
    2. Verletzt eine Benennung einer Straße nach Walter Bärsch die heutigen Wertvorstellungen (vgl. Drs. Nr. XX-3198)?

Zu 10.:

Hierzu kann seitens des Bezirksamtes Hamburg-Nord aus Ermangelung an Erkenntnissen

keine Aussage getroffen werden.

 

    15.08.2018

Tom Oelrichs

 

[1]  sitzungsdienst-hamburg-nord.hamburg.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=1000300

 

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Drucksache 74/99