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Rechtsextremistische Struktur, Straf- und Gewalttaten im Bezirk Hamburg-Nord Anfrage gem. § 27 BezVG

Anfrage nach § 27 BezVG

Sachverhalt

 

Die Ereignisse in Chemnitz haben deutlich gezeigt: Zunehmend werden die Übergänge zwischen Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und Neonazismus fließend. In Chemnitz paktierten die verschiedenen Gruppen der Rechten offen miteinander. Es kam nicht nur zur Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole und der Skandierung rassistischer und nationalistischer Sprechchöre auch Journalist*innen und Menschen mit Migrationshintergrund wurden ebenso tätlich angegriffen wie ein jüdisches Lokal. Die Ereignisse zeigen, dass Demokratie, Meinungsfreiheit und Pluralismus gegen ihre Feinde immer wieder neu erkämpft und verteidigt werden müssen.

Rassismus, Nationalismus und Antisemitismus sind jedoch keine spezifisch ostdeutschen Probleme. Die von Wilhelm Heitmeyer und seinem Bielefelder Forschungsteam herausgegebene Langzeitstudie Deutsche Zustände“ hat die tiefe Verankerung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft dokumentiert. Im 10. und letzten Band der Untersuchung heißt es:

Die Ergebnisse verweisen auf Entwicklungen, im Zuge welcher die Gesellschaft unterhalb des Radars der öffentlichen Aufmerksamkeit zunehmend vergiftet wird. Dadurch verändern sich auch die Einstellungen in der Bevölkerung. Im Jahr 2011 sind fast 37 Prozent der Befragten der Auffassung, bestimmte soziale Gruppen seien nützlicher als andere, und fast dreißig Prozent finden, dass eine Gesellschaft sich Menschen, die wenig nützlich sind, nicht leisten kann.“

(Wilhelm Heitmeyer (Hrsg.), Deutsche Zustände, Berlin 2012, S. 21).

Diese Gedankenwelt, wie sie in der Langzeitstudie „Deutsche Zustände“ zu Tage befördert wurde, bildet den Nährboden für rechtsextremistische Parteien und Gruppierungen sowie ihre menschenverachtenden Politik.  Bundesweit wird das rechtsextremistische Personenpotenzial auf 24.000 geschätzt. Laut aktuellem Hamburger Verfassungsschutzbericht werden 320 Menschen dem rechtsextremistischen Personenpotenzial in Hamburg zugerechnet. Im vergangenen Jahr wurden in Hamburg 286 rechtsextremistische Straftaten begangen. Auch in Hamburg-Nord treten Rechtsextreme auf. So wird im Verfassungsschutzbericht 2017 u.a. auch die in Winterhude beheimatete schlagende Studentenverbindung HB!Germania“ aufgeführt, die enge Beziehungen mit teilweise personellen Überschneidungen zur Identitären Bewegung“ aufweist. In Barmbek existierte zwischen März 2017 und Januar 2018 ein Ladengeschäft der bei Rechtsextremen beliebten Marke „Thor Steinar“, das erst nach massivem Protest und aufgrund eines Gerichtsurteils schließen musste.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

  1. Wie hoch ist das rechtsextremistische Personenpotenzial in Hamburg-Nord sowie in ganz Hamburg (bitte mit den Vergleichszahlen von 2012-einschließlich 2018 aufführen)?
    1.     In Parteien (ausschließlich NPD)?
    2.     In parteiunabhängigen/parteiungebundenen Strukturen?
    3.     Weitgehend unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial?
    4.     Wie hoch ist die Summe insgesamt?
    5.     Wie hoch ist die Summe abzüglich Mehrfachmitgliedschaften (Gesamtpotenzial)?
    6.     Wie viele aus dem Gesamtpotenzial genannten Personen zählen davon zu den gewaltorientierten Rechtsextremisten in Hamburg-Nord sowie ganz Hamburg?

 

Die Behörde für Inneres und Sport beantwortet die Anfrage wie folgt:

Zu 1.:

Eine nach Bezirken aufgeschlüsselte Erhebung von Potenzialzahlen wird nicht durchgeführt. Das für Hamburg identifizierte rechtsextremistische Personenpotenzial und die Entwicklung der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) rechts werden in den im Internet abrufbaren Jahresberichten des Landesamtes für Verfassungsschutz vorgestellt und erläutert; https://www.hamburg.de/verfassungsschutz/. In den Jahresberichten werden auch ausführlich die in Hamburg relevanten rechtsextremistischen Strukturen und ihre Aktivitäten dargestellt. Der Bezirk Hamburg-Nord ist nicht als Aktivitätsraum Schwerpunkt der rechtsextremistischen Szene. Einzige Ausnahme ist das in der Anfrage genannte Verbindungshaus der rechtsextremistischen „Hamburger Burschenschaft Germania“.

  1. Wie viele Delikte wurden in den Jahren 2012 bis einschließlich 2018 unter der Rubrik Politisch motivierte Kriminalität (PMK) in Hamburg-Nord gezählt? (Bitte nach Jahren aufschlüsseln)

Zu 2.:

Über Politisch motivierte Kriminalität (PMK) berichtet der Senat seit 2008 durch die Veröffentlichung der jährlichen Verfassungsschutzberichte unter https://www.hamburg.de/innen-behoerde/publikationen-verfassungsschutz/231572/verfassungsschutzberichte-pdf/ sowie regelmäßig in parlamentarischen Anfragen.

 

So finden sich Angaben zu Zahlen des KPMD-PMK für Hamburg gesamt in den nachfolgend genannten Drucksachen:

 

Drs.

Thema

Zeitraum

21/434

PMK-links- und -rechts-

2010 - 2014

21/6214

PMK-links- und -rechts-, Islamismus, Ausländer

2015

21/13534

PMK-gesamt-

2016/2017

 

r das ersten Halbjahr 2018 sind bei der Polizei im Kriminalpolizeilichen Meldedienst (KPMD)-PMK für Hamburg gesamt bisher 595 Fälle registriert; die Angaben sind vorläufig.

 

Ungeachtet der Angaben zum Bezirk Nord, die den inAntwort zu3 genannten Drucksachen zu entnehmen sind, erfordert jede Auswertung des KPMD-PMK nach weiteren erfragten Attributen die Nutzung eines IT-Tools der Polizei Hamburg, das derzeit technisch gestört ist. Diese technische Störung war in der für die Beantwortung der bezirklichen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu beheben. Daher sind weitere Auswertungen des KPMD-PMK im Sinne der u. g. Fragestellung für den Bezirk Hamburg-Nord derzeit nicht möglich. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

 

  1. Wie viele rechtsextremistische Straftaten wurden zwischen 2012 und 2018 in Hamburg-Nord und in ganz Hamburg gezählt? (Bitte nach Jahren aufschlüsseln)
    1.     Darunter Propagandadelikte
      1.     Davon

­      Volksverhetzung

­      Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen

­      Sonstiges

3.2.        Darunter fremdenfeindliche Delikte

3.3.        Darunter antisemitische Delikte

3.4.        Darunter Gewaltdelikte

Zu 3.:

Der Senat hat seit dem Jahr 2014 unter https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/ veröffentlichten Drucksachen zum Thema „Straf- und Gewalttaten mit rassistischem, rechtsextremistischem und/oder ausländerfeindlichem Hintergrund“ über die erfragten Sachverhalte betreffend ganz Hamburg sowie einzelne Bezirke berichtet; siehe hierzu:

 

Drs.

Berichtszeitraum

21/2628

4. Quartal 2014 und 3. Quartal 2015

21/3601

2. Quartal 2015

21/4138

Jahreszahlen 2015 und 1.Quartal 2016

21/5257

2. Quartal 2016

21/6596

3. Quartal 2016

21/7492

4. Quartal 2016

21/8633

1. Quartal 2017

21/10158

2. Quartal 2017

21/10622

3. Quartal 2017

21/10621

4. Quartal 2017

21/12541

1. Quartal 2018

21/14068

2. Quartal 2018

 

Im Übrigen siehe Antwort zu 1. und 2.

 

  1. Sind in Hamburg-Nord Akteure des Neonazismus und der Freien Kameradschaften aktiv? Wenn ja, wie viele und wie ist deren Gewalt- und Gefährdungspotenzial einzuschätzen (bitte mit den Vergleichswerten der Jahre 2012-2018 aufführen)?
  2. Sind Akteure aus Hamburg-Nord als subkulturell geprägte Rechtsextremisten aktiv oder engagieren sich in der rechtsextremistischen Musikszene?

Wenn ja, wie viele Personen sind dies und in welcher Art werden diese aktiv (bitte mit den Vergleichswerten der Jahre 2012-2018 aufführen)?

  1. Wie viele Personen aus Hamburg-Nord sind in der NPD aktiv (Bitte mit den Vergleichswerten der Jahre 2012-2018 aufführen)?
  2. Welche sonstigen rechtsextremistischen Parteien sind in Hamburg-Nord mit jeweils wie vielen Personen aktiv und was sind deren wesentlichen politischen Kernaussagen (bitte mit den Vergleichswerten aus der Jahre 2012-2018 aufführen)?
  3. Welche sonstigen rechtsextremistischen Gruppierungen sind in Hamburg-Nord mit jeweils wie vielen Personen aktiv und was sind deren wesentlichen politischen Kernaussagen (bitte mit Vergleichswerten aus den Jahren 2012-2018 aufführen)?
  4. Welche Aktivitäten rechtsextremistischer Personen und Gruppierungen gab es in den Jahren 2012-2018 im Bezirk Hamburg-Nord im öffentlichen Raum?
  5. Welche Aktivitäten rechtsextremistischer Personen und Gruppierungen aus Hamburg-Nord gab es in den Jahren 2012-2018 im Internet?

 

Zu 4. 10.:

Siehe Antwort zu 1.

 

  1. Welche Aktivitäten rechtsextremistischer Parteien gab es in den Jahren 2012-2018 im Bezirk Hamburg-Nord im Rahmen von Wahlkämpfen?

Zu 11.:

In Hamburg-Nord wurden im genannten Zeitraum vereinzelt Informationsstände insbesondere der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) durchgeführt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

 

  1. In Hamburg-Barmbek existierte zwischen März 2017 und Januar 2018 ein Laden der „Nordic Company“, der Bekleidung der Marke „Thor Steinar“ vertrieb. Gegen den Laden wurde vielfach protestiert, er musste letztendlich nach einer gerichtlichen Auseinandersetzung schließen.

Welchem rechtsextremen Milieu sind dieser Laden bzw. die Marke „Thor Steinar“ zuzuordnen?

Zu 12.:

Thor Steinar“ ist eine Marke des in Brandenburg ansässigen Unternehmens Mediatex GmbH. Weder der „Nordic-Company“-Laden in Barmbek noch das Unternehmen Mediatex sind Beobachtungsobjekte des LfV Hamburg. Das Tragen von „Thor Steinar“ ist ein „identitätsstiftendes Erkennungszeichen unter Rechtsextremisten“.

 

  1. Welche Strategie steckt hinter der Eröffnung solch umstrittener Läden?

 

Zu 13.:

Siehe Drs. 21/8466 und Vorbemerkung. Darüberhinausgehende Erkenntnisse liegen den Sicherheitsbehörden nicht vor.

 

  1. Welche Erkenntnisse liegen über die Kundschaft des damaligen Ladens in der Fuhlsttler Straße 257 vor?

Zu 14.:

Siehe Antworten zu 12. und 13.

 

  1. Wurden politische oder kriminelle Aktivitäten aus dem Laden heraus bekannt?
  2. Gab es Vorfälle, in die Rechtsextreme verwickelt waren, die mit dem Laden mindestens in lose Verbindung gebracht wurden?

Zu 15. und 16.:

Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen der zuständigen Polizei Hamburg nicht vor. Im Übrigen siehe Drs. 21/8466.

 

  1. Was sind die wesentlichen Merkmale und Zielsetzungen der Identitären Bewegung? Durch welche Art der Öffentlichkeitsarbeit zeichnet sich diese aus?
    1.      Welche Aktivitäten gab es in Hamburg-Nord in den Jahren 2012-2018?
  2. Wie viele Personen aus Hamburg-Nord sowie aus ganz Hamburg sind bei der Identitären Bewegung aktiv (bitte mit den Vergleichszahlen der Jahre 2012-2018 aufführen)?

 

 

Zu 17. und 18.:

Siehe 1. und Drs. 21/9161.

 

  1. Welche Formen politisch motivierter Kriminalität durch die Identitäre Bewegung in welcher Anzahl sind in Hamburg-Nord in den Jahren 2012 bis einschließlich 2018 bekannt?

Zu 19.:

Die erfragten Daten werden von der Polizei nicht erhoben. Darüber hinaus siehe Antworten zu 2., 17. und 18.

 

  1. Wie begründet sich die Aufnahme der Hamburger Burschenschaft Germania, die in Winterhude beheimatet ist, in den Verfassungsschutzbericht?
    1. Wie viele Personen sind dort aktiv Mitglied?
    2. Wie viele Personen sind dort passiv Mitglied (bitte jeweils mit den Vergleichszahlen der Jahre 2012-2018 aufführen)
    3. Welche Verbindungen der Germania zu anderen Rechtsextremen Personen, Parteien oder Gruppierungen sind bekannt?

Zu 20.:

Siehe 1.

 

  1. Gab es in Hamburg-Nord in den Jahren 2012-2018 Fälle von politisch motivierter, rechtsextremer Islamfeindlichkeit?

Wenn ja, wie viele und welcher Art?

Zu 21.:

Siehe Antwort zu 1. und 3.

 

  1. Wie viele „Reichsbürger und Selbstverwalter“ gibt es in Hamburg-Nord und ganz Hamburg (bitte mit den Vergleichszahlen der Jahre 2012-2018 aufführen)?
    Wie wird deren Gefährdungspotenzial eingeschätzt?

Zu 22.:

Siehe 1.

 

  1. Gibt es Kontakte zwischen Mitgliedern der AfD und Personen oder Gruppierungen aus dem rechtsextremistischen Umfeld in Hamburg und hier insbesondere in Hamburg-Nord?

Wenn ja, wie sehen diese aus?

Zu 23.:

Siehe Internetbeitrag des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg https://www.hamburg.de/innenbehoerde/schlagzeilen/10531018/montags-versammlungen-in-der-hamburger-city/ und Vorbemerkung.

 

Bezirksabgeordnete Michael Werner-Boelz, Ingo Hemesath, Sina Imhof, Dr. Anıl Kaputanoğlu, Timo B. Kranz, Carmen Möller, Christoph Reiffert, Michael Schilf, Tanja Schmedt auf der

nne, Thorsten Schmidt, Carmen Wilckens

 

Anhänge

 

Keine