Radarfalle für über 100.000 rechtswidrig konfiguriert?
02.09.2019
Lfd. Nr. 3 (21)
Anfrage nach § 27 BezVG der Mitglieder der Bezirksversammlung Eimsbüttel, Burkhardt Müller-Sönksen, Benjamin Schwanke und Klaus Krüger (FDP-Fraktion)
„Radarfalle für über € 100.000 rechtswidrig konfiguriert?“
Die Anfrage wird – von der Behörde für Inneres (BIS) – wie folgt beantwortet:
Am 05.07.2019 urteilte der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes (Az.: Lv 7/17), dass Messergebnisse des Messgeräts vom Typ TraffiStar 350S des Herstellers Jenoptik unter bestimmten Bedingungen als Beweismittel im Bußgeldverfahren nicht verwertbar sind. Er begründet dies mit gänzlich fehlenden Möglichkeiten der Nachvollziehbarkeit des technischen Messverfahrens mangels gespeicherter „Rohmessdaten“. Das Urteil entfaltet über das Saarland hinaus keine bindende Wirkung.
Das Urteil stellt nicht in Frage, dass es sich bei Messungen mit diesen Geräten um ein von der PTB zugelassenes standardisiertes Messverfahren handelt. Auch die ordnungsgemäße Eichung solcher Geräte wird nicht in Zweifel gezogen. Bemängelt wurde, dass die Messwertbildung der durch dieses Gerät erfolgten Geschwindigkeitsmessungen nachträglich nicht nachvollziehbar sei. Die dazu erforderlichen Daten werden vom Messgerät des Herstellers Jenoptik nicht gespeichert. Somit sei die Messwertbildung auch für eingeschaltete Sachverständige nicht nachprüfbar und im Ergebnis nicht zu verwerten. „Faire“ Verfahren bei Gericht seien so nicht möglich.
Dies vorausgeschickt, nimmt die BIS wie folgt Stellung:
Sachverhalt:
Wie verschiedenen Presseartikeln (Hamburger Abendblatt vom 10.07.2019, Seite 11, siehe Anlage) zu entnehmen ist, hat das Saarbrücker Verfassungsgericht die Konfiguration des Radarmessgerätes „Trafficstar S 350“ für rechtlich, mangels Beweiskette, nicht verwertbar erklärt.
In Eimsbüttel steht in der Kollaustraße ein solches festinstalliertes Messgerät für Geschwindigkeitskontrollen.
Wir fragen die Bezirksamtsleitung bzw. den Hamburger Senat:
1.1. Sind im Bereich des Bezirkes Eimsbüttel – außer an der Kollaustraße – weitere Geräte des Typs „Traffistar S 350“ des Herstellers Jenoptik im Einsatz?
1.2. Wenn ja, wo?
Der LBV betreibt insgesamt sechs stationäre Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen, in denen die in Rede stehende lasergestützte Messtechnik des Herstellers Jenoptik vom Typ Traffistar S 350 zum Einsatz kommt. Eine davon befindet sich an der Kollaustraße/Papenreye. Darüber hinaus befinden sich im Bezirk keine weiteren Messgeräte dieses Typs.
Der LBV verfügt jedoch auch über zwei mobile Geschwindigkeitsüberwachungsanhänger (mGÜA) des Herstellers Jenoptik in denen vier Messgeräte des in Rede stehenden Typs verbaut sind (Messung in zwei Fahrtrichtungen, daher zwei Messeinheiten pro Hänger). Diese sind seit wenigen Wochen hamburgweit im Einsatz.
1.3. Gibt es Geräte anderer Hersteller, die denselben „Fehler“ aufweisen?
Andere im Einsatz befindliche, ebenfalls lasergestütze Messeinheiten sind hiervon nicht betroffen.
1.4. Wie teuer war die Installation insgesamt?
1.4.1. Wie teuer war das Gerät allein mit Software?
1.4.2. Wie teuer war die Installation des Gerätes mit Software?
1.4.3. Wie teuer war die infrastrukturelle Vorbereitung für den Anschluss des Gerätes (Strom, Telekommunikation, Umbau der Verkehrsinsel, Sockel etc. pp.)?
Vor dem Hintergrund ausstehender Ausschreibungsverfahren wird von einer Angabe der für die Anschaffung und Installation der Geräte entstandenen Kosten abgesehen, da sich das negativ auf die Preisgestaltung der Angebote auswirken könnte.
1.5. Wie viele Messungen haben im Monat (Durchschnitt der letzten zwölf Monat) Geschwindigkeitsüberschreitungen (Einstufung gemäß Bußgeldtabelle)
1.5.1. bis 10 km/h
1.5.2. 11-15 km/h
1.5.3. 16-20 km/h
1.5.4. 21-25 km/h
1.5.5. 26-30 km/h
1.5.6. 31-40 km/h
1.5.7. 41-50 km/h
1.5.8. 51-60 km/h
1.5.9. 61-70 km/h
1.5.10. über 70 km/h ergeben?
Angaben im Sinne der Fragestellung werden nicht erhoben. Die Beantwortung der Frage würde eine Auswertung aller mit den in Rede stehenden Messeinheiten resultierenden Messarchiven erfordern. Dies ist mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich, zumal hierfür die Auswertung aktueller Archive – auch aus Messungen mit anderen Geräten – zurückgestellt werden müsste.
1.6. Von 1.5.1. bis 1.5.10., welche Bußgelder (gesamt/Monat) wurden verhängt?
Siehe hierzu Drs. 21-15721.
2. Wie beurteilt die Verwaltung die Entscheidung des Saarbrücker Verfassungsgerichts in Bezug auf die gerichtsfeste Verwertbarkeit der Messergebnisse die Bedeutung für das Bundesland Hamburg?
Siehe Vorbemerkung. Darüber hinaus siehe beigefügte Anlage.
3.1. Sind die Hamburger Messgeräte genauso konfiguriert wie im Saarland oder gibt es eine abweichende Konfiguration, die die Beweiskette schließt?
3.2. Wenn es eine abweichende Konfiguration gibt,
3.2.1. welche und
3.2.2. seit wann?
Die in Rede stehenden Geräte und die hierin zum Einsatz kommende Software unterliegen einer bundeseinheitlichen Zulassung durch die PTB. Ohne, dass die BIS nähere Kenntnis über den Gerätebestand des Saarlandes besitzt, ist davon auszugehen, dass es sich um eine identische Hard- und Software handelt.
3.2.3. Wenn es keine abweichende Konfiguration gibt, ist beabsichtigt, die Anlage bis zur „Nachrüstung“ stillzulegen?
Nein. Siehe Handlungsanweisung.
4.1. Ist beabsichtigt, die Firma Jenoptik für einen etwaigen Ausfall von Verwarn- und/oder Bußgeldern haftbar zu machen
oder
Derzeit ist nicht beabsichtigt, dass durch die PTB zugelassene, standardisierte Messverfahren auszusetzen.
4.2. hat die Verwaltung bei der Auftragsvergabe bzw. Abnahme der Geräte selber den (Rechts-)Fehler gemacht?
Nein.
5. Welche Konsequenzen für die Zukunft zieht man aus diesem Urteil
5.1. beim Landesbetrieb Verkehr
und/oder
5.2. in der Innenbehörde?
Siehe hierzu beigefügte Anlage.
ohne
Handlungsanweisung zum Einsatz von Messgeräten des Typs Jenoptik Traffistar S 350
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