21-5333

Eingabe: Große Verzweiflung in Hoheluft-Ost

Mitteilungsvorlage Bezirksamt

Bera­tungs­reihen­folge
Gremium
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06.05.2024
Ö 4.6
Sachverhalt

 

Das Bezirksamt informiert über die folgende Eingabe:

 

Große Verzweiflung in Hoheluft-Ost

Die Bewohner von Hoheluft-Ost sind verzweifelt. Alle? Die Mehrheit? Nö, beides nicht. Verzweifelt sind lediglich diejenigen unter den Anwohnern, die sich und ihr Leben, getrieben von jahrzehntelanger autofanatischer Verkehrspolitik, derart abhängig gemacht haben vom Auto, dass sie oft Dinge sagen wie: "Aber ich bin doch auf mein Auto angewiesen. Ohne Auto hat mein Leben keinen Sinn." Das mag in einigen wenigen Fällen stimmen, in der Mehrheit der Fälle hingegen wird diese Behauptung einer wirklich gründlichen Prüfung nicht standhalten, denn tatsächlich ist es im Regelfall die übliche Kombination aus Bequemlichkeit, Gewohnheit, Nachahmung und mangelndem Respekt vor den Interessen anderer, die zu dieser Einschätzung führt. Einige fürchten sich auch generell vor der direkten Begegnung mit Mitmenschen und ziehen sich deshalb lieber abgeschottet in ihr Auto zurück.

Es sind ja nicht einfach zwei gleichberechtigte Lager, die hier aufeinandertreffen - die einen möchten, dass die Gehwege zum Gehen und zur Begegnung genutzt werden, die anderen wollen, dass die Gehwege zu einem nicht unerheblichen Teil zum Abstellen von großvolumigen Fahrzeugen vorgehalten werden. Der wesentliche Unterschied, der in der Diskussion hier und anderswo viel zu wenig herausgestellt wird, besteht in der Motivation, die beide Lager jeweils antreibt: Die einen setzen sich ein für Gemeinschaftssinn, für eine gleichberechtigte Verteilung der knappen Flächen, für einen behutsamen Umgang miteinander. Die anderen hingegen handeln aus rein egoistisch geprägter Motivation - sie treten dafür ein, dass sie auch weiterhin ihre immer größer werdenden Vehikel großgig im Straßenraum platzieren dürfen, während die anderen bitte ein wenig zusammenrücken sollen, um Platz zu machen. Das geht nicht, liebe Nachbarn.

Es gibt - unabhängig vom aktuellen Thema - eine wirklich sehr einfache Methode, um herauszufinden, ob das, was man tut, richtig ist: Man stelle sich vor, alle Menschen um einen herum würden exakt ebenso handeln und ebenso entscheiden wie man selbst. Male sich bitte jeder selbst aus, wie es in Hoheluft-Ost aussehen würde, wenn sich jeder Einzelne von uns Einwohnern entscheiden würde, ein Auto in die Straße zu stellen - ob er es nun täglich nutzt oder nur alle paar Wochen. Anders formuliert: Wären alle Menschen Egoisten, wären wir am Ende. Deshalb müssen wir genau diesen Egoismus verurteilen und ebenso alle, die sich für die Auslebung egoistischer Triebe einsetzen.

r die Parteien, die blind sind für die generelle Entwicklung auch in anderen Städten, die trotz allem weiterhin die Autogeilheit fördern und sich damit für das egoistischste aller möglichen Verkehrsmittel einsetzen (wenn man mal vom Hubschrauber absieht), ist es in Mode gekommen, die Eindämmung des privaten Autoverkehrs in der Großstadt als rein ideologisch motiviert zu beschimpfen. Das ist korrekt, selbstverständlich steckt eine Ideologie dahinter, nämlich die, den Platzbedarfsdrang Einzelner auszubremsen und den Straßenraum für alle gleichermaßen verfügbar zu machen. Welchen kümmerlichen Wert hat dagegen die auf der anderen Seite stehende Grundhaltung (die natürlich ebenfalls eine Ideologie darstellt), die egoistisches Verhalten massiv fördert, indem sie möglichst viel Raum für ausgerechnet diejenigen fordert, die sehr viel mehr davon verbrauchen als die, die auch an ihre Nachbarn und andere Straßennutzer denken, wenn sie ihre Verkehrsmittelentscheidung treffen.

Gerade Hoheluft-Ost ist super an den öffentlichen Nahverkehr angebunden: Es gibt gleich drei U-Bahnhöfe in Fußentfernung, dazu sieben(!) Buslinien, obwohl das Gebiet gerade mal 0,6 Quadratkilometer umfasst. Das ist Luxus, machen Sie sich das bitte mal bewusst. Die Forderung nach besserem öffentlichen Verkehr, bevor man auch nur ansatzweise umzudenken bereit ist, ist vor diesem Hintergrund nichts als Alibi. Und wer sich entscheidet, mit einem Auto in einem der drei dichtest besiedelten Stadtteile Hamburgs zu wohnen, der entscheidet sich gleichzeitig und untrennbar dafür, dass er in vielen Fällen keinen Parkplatz bekommen wird. Punkt.

Und nein, wenn ein Abgeordneter einer Splitterpartei in der letzten Sitzung des Regionalausschusses Eppendorf-Winterhude vom 8. April sagt, niemand dürfe in der Wahl seines Lieblingsverkehrsmittels eingeschränkt sein, so liegt er damit nicht richtig, denn die Entscheidung für's Auto trifft man nie nur für sich selbst, sondern immer auch für alle Menschen in seiner Umgebung mit, weil diese eben die Konsequenzen mittragen. Es wundert mich, dass sich Menschen, die sich derart freimütig für einen kleinen, beschränkten Teil der Bevölkerung einsetzen, deren Hang zum Egoismus offen fördern und gleichzeitig gemeinschaftliche Interessen zurückdrängen wollen, sich dafür entscheiden, Politik zu machen und das Leben in der Stadt gestalten zu wollen. Das passt nicht - was soll das?

Wir freuen uns jedenfalls, dass wir die Gehwege zum Beispiel im Abendrothsweg wieder unbeschwert nutzen können, ohne uns alle Naslang an abgestellten Autos vorbei quetschen zu müssen. Und wir hoffen darauf, dass früher oder später auch die Kinder wieder zurück auf die Straße kommen, um dort zu spielen und das Leben zu genießen.

Viele Grüße aus der Meldorfer Straße

Petitum/Beschluss

 

Um Kenntnisnahme wird gebeten.

 

Michael Werner-Boelz