Eingabe an den Regionalausschuss: Alsterdorfer Straße 386 - Drohender Abriss der Villa und Neubauprojekt
Das Bezirksamt Hamburg-Nord informiert über die Eingabe einer Bürgerin:
„Sehr geehrte Frau Ros,
sehr geehrte Mitglieder des Regionalausschusses Langenhorn-Fuhlsbüttel-Ohlsdorf-Alsterdorf-Groß Borstel,
wie Sie vielleicht bereits wissen, haben wir uns mit einigen Nachbarn zu einer Bürgerinitiative zusammengeschlossen und setzen uns für den Erhalt der Villa auf dem Grundstück an der Alsterdorfer Straße 386 und gegen einen überdimensionierten Neubau auf diesem Grundstück ein. Ich schreibe Ihnen heute im Namen der Bürgerinitiative mit der Bitte, dass Sie sich im Regionalausschuss für den Erhalt der Villa an der Alsterdorfer Straße 386 und gegen einen vollständigen Neubau auf dem Grundstück einzusetzen. Unsere Bürgerinitiative wird in Kürze auch unter der Website www.villa-alsterdorf.info online sein und eine Online-Petition für den Erhalt der Villa starten.
Wie Ihnen vermutlich bekannt ist, steht auf dem Grundstück an der Alsterdorfer Straße 386 eine sehr schöne alte Fachwerk-Villa (Fotos der Villa als Anlagen A bis E anbei). Die Villa wurde zuletzt bis Ende 2018 hauptsächlich von den früheren Eigentümern bewohnt, die die Villa 2008 komplett saniert und renoviert haben. Im Erdgeschoss der Villa befindet sich zudem eine Einliegerwohnung, in der eine junge Familie wohnte. Ende 2018 hat der frühere Eigentümer das Grundstück aus persönlichen familiären Gründen veräußert. Er hat später in einem Telefonat berichtet, dass es ihm ein Anliegen war, die Villa an eine Familie zu verkaufen, die die Villa selbst bewohnen würde. Er sagt, er habe die Villa dann an jemanden veräußert, der ihm gegenüber versichert habe, er wolle dort selbst mit seiner Familie einziehen. Unglücklicherweise erwarb das Grundstück dennoch ein Bauträger, der nun die Villa abreißen möchte und an ihrer Stelle den Bau eines überdimensionierten Häuserblocks mit sieben (!) Stadthäusern plant. Die entsprechenden Neubaupläne sind Ihnen sicherlich bekannt. Ich füge Ihnen sicherheitshalber eine Kopie der Neubaupläne mit Ansicht von oben (Anlage F1) sowie eine Kopie der Neubaupläne mit Ansicht vom Kiefernhain (Anlage F2) bei. Durch den Abriss würde ein Stück des Charakters unseres schönen Stadtteils Alsterdorf und auch ein Stück der Geschichte Alsterdorfs und der Alsterdorfer Anstalten unwiederbringlich verloren gehen (dazu unten mehr). Eine Gegenüberstellung der heutigen und der vom Bauträger geplanten Situation füge ich zur Veranschaulichung als Anlage G bei. Ich habe am 3. Januar 2020 als Eigenümerin des direkt angrenzenden Grundstücks am Kiefernhain Einsicht in die Bauakte genommen und dabei die Neubaupläne (F1 und F2) gesichtet. Eine Entscheidung über einen etwaigen Bauantrag gibt es nach meinem letzten Kenntnisstand noch nicht.
Wie Ihnen sicher auch bekannt ist, werden zur Zeit an den verschiedensten Orten in Hamburg, so z. B. auch in der Brabandstraße in Alsterdorf, immer häufiger alte, erhaltenswerte Villen und Häuser abgerissen. Damit verliert Alsterdorf einen Teil dessen, was diesen Stadtteil ausmacht und für seine Bewohner lebenswert macht. Nach und nach und durch jeden weiteren Abriss alter Villen verliert der Stadtteil sein Gesicht. Anstatt der für jeden Nachbarn, Anwohner, Spaziergänger und auch Touristen ansprechenden, ursprünglichen Bebauung, entstehen dann aber keine bezahlbaren, familienfreundlichen Häuser und Wohnungen, sondern Luxusimmobilien von oft fragwürdiger Architektur zu Quadratmeterpreisen von € 7.000,00 bis € 10.000,00, die sich hart arbeitende Familien selbst mit gutem Einkommen nicht leisten können, und bei denen es an geeigneten Außenspielflächen für Kinder fehlt. Hinzu kommt, dass durch die stark verdichtete Bebauung Grünflächen versiegelt und Hecken, Bäume und Sträucher vernichtet werden. In Hamburg ist in den vergangenen Jahren jeder Sommer heißer geworden. Umso wichtiger ist deshalb der Erhalt der bestehenden Bäume, Hecken und Sträucher als Schatten- und Sauerstoffspender sowie als Lebensraum für Vögel und Insekten! Bei dem für die Alsterdorfer Straße 386 geplanten Neubau würde entlang des Kiefernhains eine dichte und hochgewachsene Buchenhecke auf ca. 50 Metern Länge entfernt werden. Viele Nist- und Brutplätze von Amseln und anderen Singvögeln gingen dadurch verloren. Außerdem haben in den letzten Jahren Starkregenfälle zugenommen. Umso wichtiger ist es deshalb, nicht versiegelte Flächen zu erhalten, damit das Wasser ablaufen und versickern kann. Fazit: Natur, Umwelt und Stadtbild leiden unter einer maximalen Versiegelung und Bebauung. Zur Veranschaulichung füge ich Ihnen drei Fotos vom 22. Februar 2020 als Anlagen H bis J bei, die die Ausfahrt aus dem Kiefernhain und die Alsterdorfer Straße nach einem starken Regenfall zeigen. Die Fotos zeigen, dass bereits jetzt das Ausmaß der versiegelten Fläche in diesem Bereich zu groß ist. Die am Straßenrand geparkten Autos stehen bedenklich tief im Wasser und die Zufahrt zum Kiefernhain ist kaum noch passierbar. Sollte nun auf dem Grundstück Alsterdorfer Straße eine noch deutlich größere Fläche versiegelt werden, wird sich die Situation an der Ausfahrt Kiefernhain auf Alsterdorfer Straße verschlimmern. Wie an vielen Orten in Hamburg profitierten auch von dem auf dem Grundstück der Alsterdorfer Straße 386 geplanten Neubauprojekt letztlich vor allem Immobilienspekulanten, Bauträger und Investoren, aber nicht Natur und Bewohner dieser Stadt.
Vor diesem Hintergrund haben wir als Bürgerinitiative bereits im Februar diesen Jahres eine Stellungnahme beim Bezirksamt Nord eingereicht, in der wir unsere Bedenken gegen den geplanten Neubau darlegen. Die Neubaupläne sind mit dem bisherigen Konzept der Spielstraße Kiefernhain nicht ansatzweise in Einklang zu bringen. Darüber hinaus ist ein Neubau in der bisher geplanten Form, Größe, Kubatur und allgemeinen Gestaltung absolut inakzeptabel und jedenfalls aus städteplanungsrechtlicher Sicht nicht genehmigungsfähig. Unsere Stellungnahme ist Ihnen möglicherweise bereits bekannt. Ich füge sie dieser E-Mail vorsorglich noch einmal mit Anlagen bei (Anlagen K bis R zu dieser E-Mail).
Dennoch verstehen wir natürlich, dass auch in Alsterdorf neuer Wohnraum geschaffen werden soll. Wir meinen aber, dass auf dem Grundstück der Alsterdorfer Straße 386 neuer zusätzlicher Wohnraum entstehen kann, ohne dass die Villa abgerissen werden müsste. Anbei übersende ich Ihnen als Anlagen S1 bis S3 erste Entwürfe für eine Bebauung des Grundstücks, bei dem die Villa erhalten bliebe (und in mindestens zwei Wohneinheiten aufgeteilt werden könnte) und zusätzlich bis zu drei familienfreundliche "Stadthäuser" gebaut werden könnten. Wie dem Entwurf zu entnehmen ist, wären sowohl die Villa als auch die Neubauten von viel Grün umgeben. Die Buchenhecke entlang des Kiefernhains bliebe bestehen. Eine Bebauung auf diese Weise wäre zudem deutlich licht- und luftdurchfluteter als die von dem jetzigen Eigentümer geplante Neubebauung. Es handelt sich dabei selbstverständlich nur um einen ersten Entwurf. Ich denke aber, dass dieser gut veranschaulicht, wie es möglich ist, auf dem Grundstück die bestehende Villa und einen Neubau zu verbinden.
Wie Sie vielleicht wissen, ist über den drohenden Abriss der Villa und über den Einsatz der Bürgerinitiative für ihren Erhalt bereits mehrfach in der Presse berichtet worden. Den Artikel aus dem Hamburger Abendblatt vom 29. Februar 2020 füge ich Ihnen als Anlage T bei. In der Folge haben dann auch das Hamburger Wochenblatt Winterhude (beigefügt als Anlage U), die MoPo (https://www.mopo.de/hamburg/historische-villa-vor-abriss-investor-will-neu-bauen---anwohner-gruenden-initiative-36478562), Kiekmo ( https://kiekmo.hamburg/hamburg-reisst-ab-hier-sollen-alte-bauwerke-neuem-weichen-90861) und die Alster-Dorfzeitung (Kopie als Anlage V anbei) kritisch über den geplanten Abriss der Villa berichtet. Die MoPo schreibt beispielsweise: "In Hamburg soll erneut ein Stück Geschichte dem Erdboden gleich gemacht werden."
Die Berichterstattung zeigt auch: Bei der Villa an der Alsterdorfer Straße 386 handelt es sich nicht um ein x-beliebiges Wohnhaus, sondern um ein für die Geschichte Alsterdorfs bedeutsames Gebäude. In den Jahren nach dem Bau wohnten dort die jeweiligen Chefärzte der Alsterdorfer Anstalten, in den 1930er Jahren auch der Psychiater Gerald Kreyenberg, der viele Menschen mit Behinderungen, die in den Alsterdorfer Anstalten lebten, in andere Einrichtungen verlegen ließ, wo diese oft ermordet wurden (siehe auch Bericht im Abendblatt, Anlage T). Insofern ist die Villa auch ein Mahnmahl für die während der Zeit des Nationalsozialismus verübten grausamen Verbrechen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Villa zunächst von Pastoren und ab den 1990er Jahren von Menschen mit Behinderung in Wohngruppen bewohnt. Wir sind der Meinung, dass die Villa auch aufgrund ihrer wechselvollen Geschichte erhalten bleiben sollte. An dem Grundstück könnte sogar eine Tafel angebracht werden, auf der die Geschichte der Villa dargestellt wird.
Selbstverständlich standen wir auch mit dem Denkmalschutzamt bereits in Kontakt, um zu klären, ob für die Villa ein Denkmalschutz oder sogar für die Villa und die beiden benachbarten Villen an der Alsterdorfer Straße 382 und 384 ein Ensembleschutz in Betracht kommt (Fotos des Ensembles beigefügt als Anlagen W1 bis W3). Nach Auskunft des Denkmalschutzamts sei dies nicht der Fall. Wir lassen uns davon jedoch nicht entmutigen und werden einen Gutachter mit einer Stellungnahme beauftragen.
Sehr geehrte Frau Ros, sehr geehrte Ausschussmitglieder,
wir bitten Sie, sich im Regionalausschuss für den Erhalt der Villa an der Alsterdorfer Straße 386 und gegen einen vollständigen Neubau auf dem Grundstück einzusetzen, damit ein stadtteilprägendes Gebäude in Alsterdorf erhalten bleibt.
Wenn Sie Rückfragen haben, können Sie mich unter meiner Telefonnummer (aus datenschutzrechtlichen Gründen entfernt, Anm. Gremienbetreuung) erreichen.
Mit freundlichen Grüßen“
Mit der Bitte um Kenntnisnahme.
Michael Werner-Boelz