Ein interdisziplinäres Gesundheitszentrum für den Dulsberg Stellungnahme der Sozialbehörde
Der Ausschuss für Soziales hat sich in seiner Sitzung am 06.01.2022 mit der o.g. Thematik befasst und einstimmig die folgende Beschlussempfehlung verabschiedet.
„Die Bezirksversammlung Hamburg-Nord wird gebeten sich dafür einzusetzen, dass eine Referentin/ ein Referent der Sozialbehörde in den Ausschuss für Soziales eingeladen wird, um über das Konzept und die Förderkriterien zur Einrichtung sozialer Gesundheitszentren zu informieren“.
Hintergrund:
Es liegt ein Bewerbungsverzicht hinsichtlich des lokalen Gesundheitszentrums Dulsberg vor. Als Hauptgründe werden einerseits die Einbindung der Ärzteschaft, die langfristige Finanzierung und andererseits auch die Räumlichkeiten genannt.
Der Ausschuss für Soziales will an dem Thema festhalten und einen kritischen Blick auf das Konzept werfen, weil es Hamburg-weit nicht zur Ausschöpfung von 7 Gesundheitszentren gekommen sei. In einem Austausch mit der Fachbehörde soll im Zuge einer „lessons-learned-situation“ erörtert werden, welche Konsequenzen aus dieser Nicht-Zielerreichung gezogen werden.
Auszug aus dem interfraktionellen Antrag (Drucksache 21-2096):
Der Hamburger Senat fördert in Quartieren mit besonderem sozialen Unterstützungsbedarf lokale Gesundheitszentren, um Menschen mit gesundheitlichen und sozialen Problemen besser zu unterstützen. In diesen Gesundheitszentren sollen medizinische Versorgung und soziale Unterstützung „Hand in Hand“ gehen.
Kernelemente der Lokalen Gesundheitszentren sind: mindestens eine haus- und/oder kinderärztliche Praxis, Sozialberatung sowie eine moderne Form der „Gemeindeschwester“ und eine Vernetzung in Stadtteil durch eine verbindliche Kooperation mit Pflegediensten, gesundheitlichen und sozialen Angeboten.
Gemeinnützige Träger*innen können sich bei der Gesundheitsbehörde um eine Förderung pro Zentrum von 100.000 Euro jährlich bewerben, die Sozialbehörde fördert zusätzlich jeweils eine halbe Stelle für Sozialberatung.
Im Bezirk Hamburg-Nord ist der „sozial schlechter gestellte“ Stadtteil Dulsberg als Standort sehr geeignet. Er verfügt über eine signifikant unterdurchschnittliche Arztdichte (151 zu 167 Ärzten je 100.000 Einwohner; Statistikamt-Nord 2019: Regionaldaten Dulsberg) weist aber gleichzeitig insbesondere bei den unter 18-Jährigen eine erhöhte Inanspruchnahme ambulanter ärztlicher Leistungen auf (Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI), 2013: Morbiditätsatlas Hamburg, S. 136).
Der Dulsberg ist durch eine überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit, einen erhöhten Anteil an SGB II-Empfänger:innen einen hohen Migrationsanteil gekennzeichnet. Über 40% der Kinder wachsen bei alleinerziehenden Eltern auf (Statistikamt-Nord 2019). Diese Bevölkerungsgruppen haben regelhaft besondere Belastungen zu bewältigen und sind angewiesen auf niedrige Zugangshürden bei der ambulanten medizinischen Versorgung und bei Präventionsangeboten.
Denn bei zahlreichen Indikatoren weist der Dulsberg einen erhöhten medizinischen Bedarf auf, beispielsweise beim ambulanten ärztlichen Versorgungsbedarf. Insbesondere bei der Adipositas im Einschulungsalter gehört der Dulsberg zu den Stadtteilen mit „Spitzenwerten“ (BVG: Faktenblatt Adipositas, 2019). Auch in den höheren Altersgruppen weist der Dulsberg hohe Prävalenzen bei der Herzinsuffizienz, der Demenz oder bei Depressionen (ZI 2013: Morbiditätsatlas Hamburg, S. 57, S. 69, S. 51) auf.
Demgegenüber steht ein schwaches ambulantes Versorgungsangebot. So versorgen die acht Hausärzt:innen durchschnittlich 2.176 Patient:innen und eine Frauenarztpraxis versorgt 8.807 Frauen. Die 2.169 Kinder finden im Stadtteil überhaupt kein kinderärztliches Angebot. Gerade im haus- wie kinderärztlichen Bereich bringt jedoch eine Mitversorgung des Dulsbergs durch angrenzende Stadtteile erhebliche Mehrbelastungen mit sich (Eigene Berechnung, Ärzteregister 2019, Statistikamt-Nord 2019).
Die Etablierung eines lokale Gesundheitszentrums würde durch eine engere Verzahnung und Kooperation von medizinischen, sozialen und präventiven Angeboten zu einer Entlastung ärztlicher Strukturen führen. Ein niedrigschwelliger Zugang zu sozialen Unterstützungs- und medizinischen Präventionsangeboten, die aufsuchende Tätigkeit der „Gemeindeschwester“ und mehrsprachiges medizinisches Personal führt zu einer bedarfsgerechteren Versorgung des Dulsberg auch ohne zusätzliche Arztsitze zu schaffen.
Der Hauptausschuss folgt der Beschlussempfehlung.
Die Sozialbehörde nimmt hierzu wie folgt Stellung:
Bis Ende 2021 wurden sechs Anträge zur Förderung eines LGZ gestellt. Ein LGZ wird schon gefördert. Ziel des Förderprogrammes ist es in Form von Pilotprojekten in verschiedenen Stadtteilen neue Versorgungsansätze zu erproben, die patientenzentriert und koordiniert die gesundheitliche, pflegerische, psychosoziale Sicht zusammenführt und damit die lokale hausärztliche Versorgung neu ausrichtet.
Die Pilotprojekte werden durch die Robert-Bosch-Stiftung evaluiert werden. Im Koalitionsvertrag des Bundes ist vorgesehen sektorenübergreifende Versorgungsformen zu etablieren. Die Evaluation wird zeigen, ob die Versorgungsansätze der LGZ geeignet sind, die Bedarfe in den Stadtteilen besser zu decken und in die Regelversorgung überführt zu werden.
Das Ziel des Förderprogrammes wurde erreicht, auch wenn nicht aus allen Bezirken ein LGZ-Antrag gestellt wurde.
Eine „lessons-learned-situation“ kann erst auf der Grundlage der Evaluationsergebnisse sinnvoll hergestellt werden. Die Sozialbehörde kann darüber zu gegebener Zeit im Ausschuss der Bezirksversammlung berichten und sieht derzeit von der Entsendung von Referentinnen bzw. Referenten ab.
Um Kenntnisnahme wird gebeten.
Priscilla Owosekun-Wilms