20-1402.1

Baumschutz und Baumpflege in Hamburg Nord Stellungnahme des Bezirksamtes

Mitteilungsvorlage Bezirksamt

Sachverhalt

 

Der grüne Stadtcharakter Hamburgs wird sehr stark durch die zahlreichen Bäume geprägt,  die in Parkanlagen, den Straßenräumen und in zahlreichen Privatgärten und Innenhöfen zu finden sind.

Anders als in anderen Bezirken, wo es majestätische Bäume in großen, ehemals privaten Parkanlagen gibt, sind es im Bezirk Hamburg-Nord eher die vielen Straßenbäume, die die Gebiete der Stadterweiterung seit Mitte des 19. und im 20. Jahrhundert prägen. Auch die Bäume in den vielen öffentlichen Parkanlagen sind ein wesentliches Städtebauelement der Anfang des 20. Jahrhunderts beginnenden republikanischen und von den Bedürfnissen der Arbeiterbewegung beeinflussten Stadtplanung. Beispiele dafür sind der Hamburger Stadtpark als erster großer Volkspark im damaligen Deutschen Reich, aber auch die vielen kleinen Stadtteil- und Quartierparks, wie z.B. der Eppendorfer Park, der Biedermannplatz in Barmbek oder die zentralen Grünzüge in der Jarrestadt, im Dulsberg und der durchgehende Grünzug parallel der Alster.

Bäume sind daher in Hamburg-Nord ein sehr prägendes Stadtelement in den Wohn- und Erholungsgebieten, so dass der Umgang mit ihnen sowohl im öffentlichen Raum, wie in den privaten Bereichen sehr genau beobachtet wird. Bei Baumfällungen wird aus der Öffentlichkeit stets bei den Kommunalpolitikern und der Verwaltung kritisch nach den Gründen gefragt.

 

Zunehmende Belastung der Straßenbäume

Die Straßenbäume unterliegen im Stadtraum einer erheblichen Belastung. Wohl wichtigster  Grund ist die seit den 1950er-Jahren kontinuierlich gewachsene und lange auch geförderte Dominanz des Kraftfahrzeugverkehrs. Die vielen Fahrzeuge führen mit ihren Abgasen und Stäuben zur Verschlechterung der Luftqualität, worunter auch die Bäume leiden.

In den dicht bebauten Quartieren werden die Straßenräume heute anders als früher genutzt. Die früheren unterirdischen Freiräume (wo die Baumwurzeln sich ausbreiten) werden durch immer mehr Kanal- und Kabeltrassen eingeengt. Oberirdisch sind die vorhandenen Baumscheiben inzwischen oft zu klein. Expert_innen empfehlen zwölf, mindestens aber sechs Quadratmeter, damit ein Baum sich entwickeln kann. Häufig gibt es auch keinen ausreichenden Schutz vor Beschädigungen durch einparkende Autos. Die Belastung der Böden durch parkende Autos verdichtet dann selbst den wenigen „offenen Boden" so sehr, dass weder Sauerstoff noch Regenwasser zu den Baumwurzeln durchkommen können.

 

Verlust von Straßenbäumen

Selbst wenn im Bezirk Hamburg-Nord in den vergangenen Jahren mehr Straßenbäume nach- und neu gepflanzt als gefällt wurden, gibt es über einen längeren Zeitraum betrachtet aus vorherigen Jahren vermutlich noch eine negative Bilanz, die noch auszugleichen ist. Während Baumfällungen in Parkanlagen in der Regel anders zu bewerten sind, da z.B. in dichterem Baumbestand aus Gründen der natürlichen Verjüngung oder zur besseren Entwicklung einzelner Solitärbäume andere Bäume gefällt werden müssen, gelten diese Pflegekriterien bei den jeweiligen Straßenbäumen meist nicht.

Daher hat der Ausschuss für Umwelt, Verkehr und Verbraucherschutz bereits im Oktober 2014 beschlossen, dass für jeden gefällten Straßenbaum zeitnah ein neuer Baum im öffentlichen Straßenraum zu pflanzen ist. Wenn dieses am alten Standort nicht möglich ist, soll dieses ersatzweise in enger räumlicher Nähe erfolgen und nur, wenn dies auch nicht möglich ist, ist an einem anderen Standort im Bezirk im öffentlichen Straßenraum eine Baumnachpflanzung vorzunehmen.

 

Informationen über Baumfällungen

Die Information der Bezirksverwaltung über Baumfällungen ist in Hamburg-Nord im Gegensatz zu anderen Hamburger Bezirken bereits vorbildlich. Hier vor allem durch die detaillierten Baumfälllisten mit Standortangaben, stichwortartigem Fällgrund und, wenn aus Sicht der Verwaltung möglich, einer Information zur Nachpflanzung am Standort. Diese Listen werden in den Regionalausschüssen beraten und sind für die Öffentlichkeit auch online einsehbar, so dass es jedem möglich ist, die zur Fällung vorgesehenen Bäume auch vor Ort selbst anzusehen.

Trotz dieser bereits vorhandenen guten Information sollte eine weitere Verbesserung der Öffentlichkeitsinformation geprüft werden und es ist wünschenswert, soweit dieses nach Datenschutz möglich ist, auch über genehmigte Baumfällungen auf Privatgrundstücken öffentlich zu informieren.

 

Petitum/Beschluss

 

Vor dem oben genannten Hintergrund zum Baumschutz und zur Baumpflege möge die Bezirksversammlung folgenden Beschluss fassen:

 

Baumschutz und Baumpflege

  1. Straßenbäume sind grundsätzlich durch Bügel oder andere geeignete bauliche Maßnahmen vor Beschädigungen zu schützen.
  2. Bei Baumaßnahmen im öffentlichen Straßenraum ist grundsätzlich eine Vergrößerung der vorhandenen Baumscheiben zu prüfen. Ziel ist, möglichst eine Baumscheibengröße von wenigstens acht Quadratmetern zu erreichen. Beim Rückbau von nicht mehr benötigten Radwegen ist der gewonnene Platz vorrangig zur Vergrößerung benachbarter Baumscheiben zu nutzen.

 

Informationen über Fällungen und Nachpflanzungen

  1. Die jährlich vorgelegten Listen für die geplanten Baumfällungen sind in ihren Aussagen noch zu optimieren. Dieses betrifft insbesondere eine verbesserte Begründung der erforderlichen Fällung. In der Rubrik der Nachpflanzungen ist für den Fall, dass am alten Standort kein neuer Baum nachgepflanzt werden kann, der Standort der Nachpflanzung an anderer Stelle im öffentlichen Straßenraum anzugeben.
  2. Zum 1. Juni jeden Jahres wird eine Liste der in den vergangenen zwölf Monaten gefällten und der im selben Zeitraum neu gepflanzten Straßenbäume mit Standortangabe und Benennung der Baumart erstellt.
  3. Soweit möglich, soll im Herbst 2015 eine zusammengefasste Baumfäll-/ Baumanpflanzliste für den Zeitraum 1. Juni 2010 bis 31. Mai 2015 erstellt werden, um zu verdeutlichen, inwiefern aus diesem Zeitraum noch eine Negativbilanz vorliegt. Falls dies so ist, dient diese Liste als Grundlage für Planungen der nächsten Jahre, das Defizit wieder auszugleichen.
  4. Die Verwaltung wird gebeten zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen es möglich ist, über die für Privatgrundstücke genehmigten Baumfällungen die Öffentlichkeit jeweils zeitnah zu informieren.
  5. Bei Nachpflanzungen von Straßenbäumen sind vorrangig heimische und standortgerechte Arten zu verwenden. Bei historisch entstandenen Straßenbaumpflanzungen (z.B. mit Linden) mit nur einer Baumart sind abgängige Bäume in erster Linie durch Bäume derselben Baumart zu ersetzen. Ausnahmen sind möglich aus stadtgestalterischen Gründen und wenn aufgrund veränderter Standort- oder Umweltbedingungen die bisherige Baumart (z.B. aktuell bei Rosskastanien) an bestimmten Standorten im Straßenraum nicht mehr gepflanzt werden sollte, weil sie dort keine ausreichenden Überlebens- und Entwicklungschancen mehr hat.
  6. Im Rahmen des Kontakts zu Personen, die Anträge auf eine Fällung von Bäumen auf Privatgrund stellen, wird künftig regelhaft eine Information zu den Standortansprüchen und den Vorteilen der Verwendung einheimischer Gehölze ausgehändigt oder zugesandt.

 

Für die SPD-FraktionFür die GRÜNE Fraktion

Thomas DomresMichael Werner-Boelz

Jörg W. LewinChristoph Reiffert

 

 

Die Bezirksversammlung beschließt den Antrag einstimmig.

 

 

Hierzu nimmt das Bezirksamt wie folgt Stellung:

 

Das Bezirksamt Hamburg-Nord hat in der Vergangenheit mit der Behörde für Umwelt und Energie (BUE) die Frage der Baumstatistik intensiv besprochen. Die BUE hat seinerzeit das digitale Baumkataster als Nachweiskataster der Straßenbaumkontrolle entwickeln lassen und administriert dieses seitdem. Durch eine Systemumstellung im Jahr 2015 ließen sich die erforderlichen Daten nicht zum Herbst 2015 herausfiltern. Da die Programmierung keine Stichtagregelung vorsieht. Die Daten wurden vom Softwareentwickler mit großem Aufwand und entsprechenden Kosten herausgefiltert und standen dem Bezirksamt Hamburg-Nord erst zum Sommer/Herbst 2016 zur Verfügung. Diese Daten aus dem Baumkataster wurden im Ausschuss für Umwelt, Verkehr und Verbraucherschutz (UVV) am 22.11.2016 verteilt und im Ausschuss entsprechend diskutiert. Die Aufstellung ist als Anlage 1 beigefügt.

 

Zur Beschlussfassung im Einzelnen:

 

Zu 1.:

Straßenbäume werden regelhaft durch geeignete Maßnahmen und Schutzvorrichtungen (Baumschutzbügel, Poller, Eichenspaltpfähle etc.) vor Beschädigungen geschützt. Defekte oder zerstörte Schutzvorrichtungen werden im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel erneuert.

 

Zu 2.:

Der Fachbereich Stadtgrün prüft regelhaft, ob vorhandene Straßenbaumstandorte im Rahmen von Baumaßnahmen vergrößert werden können. Das Ziel möglichst großer Baumscheiben ist wünschenswert und wird dort wo machbar auch gefordert. In der Planabstimmung lassen sich häufig jedoch nur die in der PLAST als Mindestgröße angegebenen 6 qm durchsetzen.

 

Zu 3.:

Die Straßenbaumfälllisten, Anlage 2, wurden im Sommer 2015 entsprechend angepasst und ergänzt, dieser Listentyp wird in Analogie für die Baumfälllisten für Grünanlagenbäume verwandt. Die Fällgründe wurden im Baumkataster entsprechend systematisiert und werden entsprechend mit aufgeführt.

 

Zu 4.:

Das Bezirksamt Hamburg-Nord hat eine Liste, Anlage 3, entwickelt, die auf die Liste der Anlage 1 aufbaut und die Bilanzierung aller durch das Bezirksamt Hamburg-Nord veranlassten Fällungen und Nachpflanzungen abbildet.

 

Zu 5.:

Das Bezirksamt Hamburg-Nord konnte die gewünschte Gesamtbilanzierung für den Zeitraum vom Juni 2010 bis Juni 2015 erst zum Herbst 2016 erstellen. Die Gründe wurden im UVV vom 22.11.2016 entsprechend erläutert.

Demnach hat sich der Bestand an Straßenbäume in Hamburg-Nord vom 01.06.2010 mit 31.220 Straßenbäumen auf 31.256 Straßenbäume zum 01.06.2015 entwickelt mit einer weiteren Zunahme auf 31.856 Straßenbäume zum 01.06.2016. Diese positive Entwicklung ist auf Baumpflanzungen zurückzuführen, die im Zuge von Erschließungsmaßnahmen und größeren Baumaßnahmen etc. gepflanzt und zeitverzögert ins Kataster eingepflegt wurden.

 

Werden nur die Spalten Fällung/Rodung und Neupflanzung betrachtet, ergibt sich ein Defizit von 675 Bäumen (siehe Anlage 5).

Diese Defizit-Bilanzierung bezieht sich auf die Spalten „Entfallen wg. Fällung/Rodung“ und „Hinzugekommen wg. Pflanzung“ in der „Defizitbilanzierung Straßenbäume“.

 

Für das Jahr 2017 ergibt sich ein Defizit von 429 Bäumen (Anlage 6) und für das Jahr 2018 aktuell ein Defizit von 424 Bäumen (Anlage 7) Ziel ist es die statistische Defizitbilanz aus 2016 weiter abzubauen. Hierzu werden z.Z. für die Oktober Sitzung des UVV weitere Standortvorschläge  erarbeitet, so dass die abschließende Statistik 2018 auf unter 300 Defizit Bäume sinken wird. Den Absprachen mit der Politik auf eine ausgeglichene Statistik hinzuarbeiten kommen wir damit deutlich entgegen.

 

Zu 6.:

Das Bezirksamt Hamburg-Nord sieht zum einen aus rechtlichen Erwägungen, in erster Linie Datenschutzbestimmungen, keine Möglichkeit, Fällungen privater Antragsteller zu veröffentlichen. Zum anderen ist dem Bezirksamt nicht bekannt, ob die erteilten Fällgenehmigungen auch in Anspruch genommen werden.

 

Zu 7.:

Das Bezirksamt Hamburg-Nord unterstützt diesen Wunsch, muss jedoch darauf hinweisen, dass heimische Baumarten nicht immer ausreichende Entwicklungschancen haben.

Die BUE vertritt die Stadt Hamburg bei der Gartenamtsleiterkonferenz. In deren Fachgremien werden gerade vor dem Hintergrund der sich verändernden Umweltbedingungen geeignete Baumarten für das Stadtgebiet gesucht.

 

Zu 8.:

Den Antragstellern von Baumfällungen auf Privatgrund wird regelhaft ein Informationsblatt zur Verwendung „standortgerechter, heimischer Gehölze“ in privaten Gärten mitversandt. (Anlage 4)

 

 

Petitum:

Der Ausschuss wird um Kenntnisnahme gebeten.

 

Tom Oelrichs

 

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