22-3029

Tempo 30 vor sozialen Einrichtungen konsequent ermöglichen (Antrag der GRÜNEN Fraktion)

Antrag öffentlich

Letzte Beratung: 22.06.2022 Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität und Stadtnatur Ö 7.1

Sachverhalt

 

Mit einer Neuregelung der Straßenverkehrsordnung (StVO) wurden 2016 die Möglichkeiten erweitert, streckenbezogene Geschwindigkeitsbegrenzungen (Tempo 30) im Umkreis von sozialen Einrichtungen auch auf überörtlichen Bundes-, Landes- oder anderen Vorfahrtsstraßen anzuordnen (§ 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 6 StVO - https://www.gesetze-im-internet.de/stvo_2013/__45.html). Dies betrifft folgende Einrichtungen:

 

  1. allgemeinbildende Schulen, Förderschulen für geistig oder körperlich behinderte Menschen,
  2. Kindergärten und Kindertagesstätten (Kitas),
  3. Alten- und Pflegeheimen oder
  4. Krankenhäusern

 

Die bundeseinheitliche Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VWV-StVO, https://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/bsvwvbund_26012001_S3236420014.htm) sieht vor, dass vor diesen Einrichtungen Tempo 30 nicht nur angeordnet werden kann, sondern in der Regel anzuordnen ist, wenn eine von zwei Bedingungen vorliegen:

  1. wenn die Einrichtungen  über einen direkten Zugang zur Straße verfügen
  2. oder wenn im Nahbereich der Einrichtungen starker Ziel- und Quellverkehr mit all seinen kritischen Begleiterscheinungen (z. B. Bring- und Abholverkehr mit vielfachem Ein- und Aussteigen, erhöhter Parkraumsuchverkehr, häufige Fahrbahnquerungen durch Fußnger, Pulkbildung von Radfahrern und Fußngern) vorhanden ist.

 

Hiervon kann im Ausnahmefall abgewichen werden, wenn negative Auswirkungen auf den ÖPNV (z. B. Taktfahrplan) oder eine drohende Verkehrsverlagerung auf die Wohnnebenstraßen zu befürchten sind.

 

Hamburg hat mit den Hamburger Richtlinien zur Anordnung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen (HRVV, https://suche.transparenz.hamburg.de/dataset/fortschreibung-der-hamburger-richtlinien-zur-anordnung-von-verkehrszeichen-und-verkehrseinricht?forceWeb=true) Abweichungen von der bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschrift beschlossen, die den Grundgedanken "Sicherheit vor Leichtigkeit des Verkehrs" konterkarieren und die Einsatzmöglichkeiten von Tempo 30 vor sozialen Einrichtungen erheblich einschränken. 

 

Zum einen verbieten die HRVV Tempo-30-Anordnungen in mehrspurigen Vorfahrtsstraßen. Die Begründung, dass damit die Verlagerung von Verkehr in die umliegenden Wohngebiete vermieden werden soll, ist nicht nachvollziehbar. Einerseits gilt in den umliegenden Wohngebieten in der Regel ohnehin Tempo 30, andererseits ist die Anordnung auf der Vorfahrtsstraße auf maximal 300m zu begrenzen, so dass ein Ausweichen mit einem spürbaren Zeitverlust einhergehen würde. Der Ausnahmetatbestand der bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschrift liegt damit in der Regel nicht vor. Zum anderen setzen die HRVV den direkten Zugang zur Straße zwingend voraus und ignorieren damit die 2. Bedingung der bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschrift (starker Ziel- und Quellverkehr im Nahbereich der Einrichtung).

 

Die Absicht des Bundesrats, Tempo 30 vor solchen Einrichtungen zur Regel zu machen, wird in Hamburg damit bewusst unterlaufen. Die auch von Hamburg unterstützte Vision Zero wird dadurch ebenso vernachlässigt wie die Bedeutung der objektiven Sicherheit, insbesondere aber auch des subjektiven Sicherheitsgefühls gerade für unerfahrene oder mobilitätseingeschränkte Verkehrsteilnehmer*innen.

 

Vor diesem Hintergrund möge der Ausschuss der Bezirksversammlung empfehlen zu beschließen:

 

Petitum/Beschluss:

 

Die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte empfiehlt der Behörde für Inneres und Sport gemäß § 27 BezVG, 

  1. Richtlinien zu Abweichungen von der StVO und VWV-StVO in Hamburg so anzupassen, dass Regelungen der bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VWV-StVO), die der Verkehrssicherheit dienen, nicht eingeschränkt werden; insbesondere sollen die mit den Hamburger Richtlinien für die Anordnung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen (HRVV) eingeführten Beschränkungen der Ermessensentscheidungen zur Anordnung von Tempo 30 km/h-Strecken bei mehrstreifiger Verkehrsführung entfallen;
  2. entsprechend der VWV-StVO die konkreten, besonders kritischen Begleiterscheinungen von Ziel- und Quellverkehr („z. B. Bring- und Abholverkehr mit vielfachem Ein- und Aussteigen, erhöhter Parkraumsuchverkehr, häufige Fahrbahnquerungen durch Fußnger, Pulkbildung von Radfahrern und Fußngern“) als alternatives Kriterium zur Lage der Zugänge der Einrichtungen zur Anordnung von Tempo 30 km/h-Strecken in den HRVV zu berücksichtigen,
  3. die oberste Straßenverkehrsbehörde A3 anzuweisen, dass Abweichungen von der StVO oder VWV-StVO mittels Verwaltungsrichtlinien künftig nur noch zulässig sind, wenn sich die Abweichungen positiv auf die Verkehrssicherheit auswirken.

 

Petitum/Beschluss

Sachverhalt:

 

Mit einer Neuregelung der Straßenverkehrsordnung (StVO) wurden 2016 die Möglichkeiten erweitert, streckenbezogene Geschwindigkeitsbegrenzungen (Tempo 30) im Umkreis von sozialen Einrichtungen auch auf überörtlichen Bundes-, Landes- oder anderen Vorfahrtsstraßen anzuordnen (§ 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 6 StVO - https://www.gesetze-im-internet.de/stvo_2013/__45.html). Dies betrifft folgende Einrichtungen:

 

  1. allgemeinbildende Schulen, Förderschulen für geistig oder körperlich behinderte Menschen,
  2. Kindergärten und Kindertagesstätten (Kitas),
  3. Alten- und Pflegeheimen oder
  4. Krankenhäusern

 

Die bundeseinheitliche Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VWV-StVO, https://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/bsvwvbund_26012001_S3236420014.htm) sieht vor, dass vor diesen Einrichtungen Tempo 30 nicht nur angeordnet werden kann, sondern in der Regel anzuordnen ist, wenn eine von zwei Bedingungen vorliegen:

  1. wenn die Einrichtungen  über einen direkten Zugang zur Straße verfügen
  2. oder wenn im Nahbereich der Einrichtungen starker Ziel- und Quellverkehr mit all seinen kritischen Begleiterscheinungen (z. B. Bring- und Abholverkehr mit vielfachem Ein- und Aussteigen, erhöhter Parkraumsuchverkehr, häufige Fahrbahnquerungen durch Fußnger, Pulkbildung von Radfahrern und Fußngern) vorhanden ist.

 

Hiervon kann im Ausnahmefall abgewichen werden, wenn negative Auswirkungen auf den ÖPNV (z. B. Taktfahrplan) oder eine drohende Verkehrsverlagerung auf die Wohnnebenstraßen zu befürchten sind.

 

Hamburg hat mit den Hamburger Richtlinien zur Anordnung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen (HRVV, https://suche.transparenz.hamburg.de/dataset/fortschreibung-der-hamburger-richtlinien-zur-anordnung-von-verkehrszeichen-und-verkehrseinricht?forceWeb=true) Abweichungen von der bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschrift beschlossen, die den Grundgedanken "Sicherheit vor Leichtigkeit des Verkehrs" konterkarieren und die Einsatzmöglichkeiten von Tempo 30 vor sozialen Einrichtungen erheblich einschränken. 

 

Zum einen verbieten die HRVV Tempo-30-Anordnungen in mehrspurigen Vorfahrtsstraßen. Die Begründung, dass damit die Verlagerung von Verkehr in die umliegenden Wohngebiete vermieden werden soll, ist nicht nachvollziehbar. Einerseits gilt in den umliegenden Wohngebieten in der Regel ohnehin Tempo 30, andererseits ist die Anordnung auf der Vorfahrtsstraße auf maximal 300m zu begrenzen, so dass ein Ausweichen mit einem spürbaren Zeitverlust einhergehen würde. Der Ausnahmetatbestand der bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschrift liegt damit in der Regel nicht vor. Zum anderen setzen die HRVV den direkten Zugang zur Straße zwingend voraus und ignorieren damit die 2. Bedingung der bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschrift (starker Ziel- und Quellverkehr im Nahbereich der Einrichtung).

 

Die Absicht des Bundesrats, Tempo 30 vor solchen Einrichtungen zur Regel zu machen, wird in Hamburg damit bewusst unterlaufen. Die auch von Hamburg unterstützte Vision Zero wird dadurch ebenso vernachlässigt wie die Bedeutung der objektiven Sicherheit, insbesondere aber auch des subjektiven Sicherheitsgefühls gerade für unerfahrene oder mobilitätseingeschränkte Verkehrsteilnehmer*innen.

 

Vor diesem Hintergrund möge der Ausschuss der Bezirksversammlung empfehlen zu beschließen:

 

 

Die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte empfiehlt der Behörde für Inneres und Sport gemäß § 27 BezVG, 

  1. Richtlinien zu Abweichungen von der StVO und VWV-StVO in Hamburg so anzupassen, dass Regelungen der bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VWV-StVO), die der Verkehrssicherheit dienen, nicht eingeschränkt werden; insbesondere sollen die mit den Hamburger Richtlinien für die Anordnung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen (HRVV) eingeführten Beschränkungen der Ermessensentscheidungen zur Anordnung von Tempo 30 km/h-Strecken bei mehrstreifiger Verkehrsführung entfallen;
  2. entsprechend der VWV-StVO die konkreten, besonders kritischen Begleiterscheinungen von Ziel- und Quellverkehr („z. B. Bring- und Abholverkehr mit vielfachem Ein- und Aussteigen, erhöhter Parkraumsuchverkehr, häufige Fahrbahnquerungen durch Fußnger, Pulkbildung von Radfahrern und Fußngern“) als alternatives Kriterium zur Lage der Zugänge der Einrichtungen zur Anordnung von Tempo 30 km/h-Strecken in den HRVV zu berücksichtigen,
  3. die oberste Straßenverkehrsbehörde A3 anzuweisen, dass Abweichungen von der StVO oder VWV-StVO mittels Verwaltungsrichtlinien künftig nur noch zulässig sind, wenn sich die Abweichungen positiv auf die Verkehrssicherheit auswirken.

 

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