22-0702.01

Stellungnahme zum Antrag der GRÜNE-Fraktion betr. Neue Realitäten erfordern eine neue Politik: Entlassung von Moorburg aus dem Hafenerweiterungsgebiet

Antwort/Stellungnahme gem. § 27 BezVG

Sachverhalt

Seit 1961 gehören Teile von Moorburg und Hohenwisch zum Hafenerweiterungsgebiet. Seit 1982 ist ganz Moorburg gesetzlicher Teil des Hafenerweiterungsgebiets. Da der Status als Hafenerweiterungsgebiet umfassende Einschränkungen für die Rechte und das alltägliche Leben der Bewohner*innen Moorburgs mit sich bringt, bedarf dieser einer regelmäßigen Neubewertung.

Vor dem Hintergrund sinkender Containerumschlagszahlen hat sich die Bezirksversammlung Harburg bereits 2019 für eine Entlassung Moorburgs aus dem Hafenerweiterungsgebiet ausgesprochen (BV Drs. 20/4724). In der Stellungnahme zu diesem Antrag hat der Senat die Ausweisung Moorburgs als Hafenerweiterungsgebiet insbesondere damit gerechtfertigt, dass die Zone I die einzige Möglichkeit für eine Erweiterung des Hafens um Umschlagsflächen mit seeschifftiefen Liegeplätzen bietet.

Seit 2019 hat sich der Containerumschlag des Hafens jedoch nochmals deutlich verringert und liegt statt bei 9,3 Millionen TEU nur noch bei 7,7 Millionen TEU. Auch die Seeverkehrsprognose des Bundes „Basisprognose 2040“ geht nur noch von einem jährlichen Wachstum des Containerumschlags von 1,7% pro Jahr bis 2040 für den Hamburger Hafen aus. Dabei ging die Prognose unter Zugrundelegung von ambitionierten Zielen (siehe Seeverkehrsprognose des Bundes „Basisprognose 2040“, S. 23) - noch von einer Umschlagszahl von 9 Millionen TEU aus. 2040 soll danach der Containerumschlag auf 12,9 Millionen TEU ansteigen. Dieses Umschlagsvolumen liegt fernab von vorherigen Prognosen die beispielsweise 2015 für 2025 noch ein Umschlagsvolumen von 14,5 Millionen TEU prognostizierten (Prognose des Umschlagpotenzials und des Modal Splits des Hamburger Hafens für die Jahre 2020, 2025 und 2030 S. 97, 2015). Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass Moorburg in absehbarer Zukunft als Hafenfläche benötigt wird.

So finden sich auch im Hafenentwicklungsplan 2040 des Senats (Bü Drs. 22/12205) keine konkreten Pläne für eine Hafennutzung, für die die Flächen des Dorfes in Anspruch genommen werden müssten. Der begrüßenswerte Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur und der Hafenbahn lässt sich innerhalb des bisherigen Flächenkonzepts realisieren.

Um weitere Informationen zur Bewertung dieser Frage zu erhalten, hat die Fraktion der GRÜNEN in der Bezirksversammlung Harburg eine Anfrage an den Senat gestellt (BV Drs. 22/0381). Auf die aufgeworfenen Fragen ist der Senat nur teilweise eingegangen (BV Drs. 22/0381.01). Es verdichtet sich der Eindruck, dass eine Ausweisung Moorburgs als Hafenerweiterungsgebiet im Konkreten weder sachlich noch rechtlich gerechtfertigt werden kann. Im Nachfolgenden wird sich auf unteranderem die gegebenen Informationen aus der Anfrage bezogen.

Weiterentwicklung des Hafens Kein Flächenbedarf auf Moorburger Fläche

Der Senat hat die Ausweisung Moorburgs als Hafenerweiterungsgebiet in der Vergangenheit damit gerechtfertigt, dass die Flächen für eine mittel- und langfristige Entwicklung zur Verfügung stehen müssten. In seiner eigenen Strategie im Hafenentwicklungsplan bis 2040 hat der Senat jedoch kein Nutzungskonzeptr Flächen des Moorburger Dorfs vorgelegt. Es wird lediglich auf die Durchführung einer Studie zur Prüfung von Nutzungsmöglichkeiten verwiesen. Bisher ist lediglich geplant die Studie in Auftrag zu geben. Weitergehende Schritte wurden vom Senat nicht unternommen.

Eine Inanspruchnahme Moorburgs wäre nur zu rechtfertigen, wenn sie erforderlich ist. Dies ist nur der Fall, wenn eine entsprechende Hafennutzung nur auf Moorburger Flächen realisiert werden kann. Dafür kommt nur eine Nutzung als Umschlagsfläche für seeschifftiefe Containerschiffe in Betracht. Der Containerumschlag ist jedoch seit Jahren konstant rückläufig. Eine Änderung dieser Tendenz ist wegen der veränderten Umstände, wie der wachsenden Bedeutung von Hochseehäfen an der Nordseeküste wie Rotterdam und Antwerpen, sowie der wachsenden Bedeutung südeuropäischer Häfen nicht abzusehen. Alle anderen geplanten Nutzungen Energiehafen und E-Commerce lassen sich auf unbewohnten Flächen im Hafenerweiterungsgebieten, etwa auf der Hohen Schaar, realisieren.

Verfassungsrechtliche Bedenken HafenEG und konkrete Ausweisung Moorburgs

Bei der Ausweisung von Moorburg als Hafenerweiterungsgebiet ergeben sich zudem verfassungsrechtliche Bedenken. In einem Gutachten kommt der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht Prof. Dr. Jürgen Kühling zu dem Ergebnis, dass die einschlägigen Bestimmungen des Hafenerweiterungsgesetzes (HafenEG) verfassungswidrig sind (Kühling, Jürgen: Das Hamburger Hafenentwicklungsgesetz, unveröffentlichtes Gutachten (nachfolgend zitiert); siehe dazu auch Hilder, Nils & Hein, Jonas: Der Hamburger Hafen im Wachstumszwang Das Hamburger Hafenerweiterungsgebiet als Territorium der (Un)Gerechtigkeit?, S. 219 ff.).

r die bodenrechtlichen Bestimmungen des HafenEG fehlt dem Land Hamburg wegen der Kompetenzausschöpfung des Bundes (Art. 74 Nr. 18 GG) die Gesetzgebungskompetenz (S. 3 ff.) Ebenso fehlt die Gesetzgebungskompetenz für § 10 HafenEG, da auch hier der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz im BGB ausschöpfend Gebrauch gemacht hat.

Darüber hinaus greift das Veränderungsverbot des § 3 HafenEG unverhältnismäßig in das Eigentumsgrundrecht der Grundstückseigentümer*innen aus Art. 14 Abs. 1 GG ein (S. 12 ff.). § 10 HafenEG ist aus ähnlichen Gründen ebenfalls unverhältnismäßig.

Sofern die entsprechenden Bestimmungen des HafenEG verfassungswidrig sind, ist auch die Ausweisung von Moorburg als Hafenerweiterungsgebiet verfassungswidrig.

Darüber hinaus ergeben sich wegen der hafenwirtschaftlichen Entwicklung keine realistischen Bedarfe für Flächen des Moorburger Dorfes. Da es weder einen Plan noch eine Perspektive für eine Nutzung gibt, sind die aktuellen Grundrechtseinschränkungen der Moorburger*innen nicht zu rechtfertigen. Mithin wird auch die konkrete Ausweisung von Moorburg verfassungswidrig.

Diese Bedenken konnte der Senat nicht ausräumen. Er verweist lediglich darauf, dass das HafenEG von der Bürgerschaft verabschiedet worden ist. Folgt man der Argumentation des ehemaligen Richters am BVerfG Prof. Dr. Jürgen Kühling hat das Land Hamburg aber keine Gesetzgebungskompetenz. Zudem verstoßen die wesentlichen Normen des Gesetzes gegen Grundrechte, an die auch der Gesetzgeber gebunden ist. Unabhängig davon, dass sich der Senat auf eine (verfassungswidrige) Ermächtigungsgrundlage für die Ausweisung stzt, muss zudem die konkrete Ausweisung die Grundrechte der Betroffenen mit der Weiterentwicklung des Hamburger Hafens in einen Ausgleich bringen. Dies wäre nur möglich, wenn der Senat eine konkrete Nutzungsperspektive hat. Dies ist ausweislich der fehlenden Bezeichnung im Hafenentwicklungsplan und der Nichtdurchführung der geplanten Studie nicht der Fall. Bestätigt wird dies dadurch, dass der Senat nicht beurteilen kann ob und wenn ja, wie und welchem Umfang das Hafenerweiterungsgebiet in Anspruch genommen werden kann (BV Drs. 22/0381.01).

Ungenutzte Potenziale und drohende Schäden einer Hafenerweiterung

Sollte Moorburg einer Hafenerweiterung weichen müssen, müssten aktuell 213 Wohneinheiten abgerissen werden, die sich in öffentlicher Hand befinden und günstigen Wohnraum bieten. Dazu kommt eine für den Senat unbekannte Zahl an privaten Wohneinheiten. Neben den bestehenden Wohneinheiten müsste auch zusätzliche Fläche weichen, die für die weitere städtische Entwicklung genutzt werden können. So stellt Moorburg noch eine der wenigen Gebiete dar, in der im größeren Stil nachverdichtet werden könnte. Dieses Potenzial kann wegen der Ausweisung nicht genutzt werden. Eine Neubebauung im Hafenerweiterungsgebiet ist nicht möglich.

Moorburg wird 2025 650 Jahre alt Zeit für eine Perspektive!

2025 feiert Moorburg sein 650-jähriges Bestehen. Seit 1961 ist der Bestand des Dorfes durch die Hafenerweiterung bedroht. Auch wenn es für die damalige Zuordnung wirtschaftlich vertretbare Annahmen gab, ist die weitere Ausweisung vor dem Hintergrund der hafenwirtschaftlichen Entwicklung nicht mehr zu rechtfertigen.

Die gravierenden Beschränkungen und Eingriffe in das tägliche Leben der Moorburger*innen müssen daher schnellstmöglich aufgehoben werden. Sie haben nach fast 65 Jahren drohender Hafenerweiterung eine Perspektive verdient.

Vor diesem Hintergrund beschließt die Bezirksversammlung:

Petitum/Beschluss


1. Die Bezirksversammlung spricht sich nachdrücklich für eine Entlassung von Moorburg aus dem Hafenerweiterungsgebiet aus.

2. Die BWI wird nach § 27 BezVG gebeten eine Entlassung Moorburgs aus dem Hafenerweiterungsgebiet vorzubereiten.

3. Der Senat wird nach § 27 BezVG gebeten alle nach dem HafenEG auf Moorburger Fläche veranlassten Maßnahmen aufzuheben und Moorburg aus dem Hafenerweiterungsgebiet auszuschließen beziehungsweise die notwendigen Schritte hierfür zu veranlassen.

4. Hilfsweise wird der Senat nach § 27 BezVG nachdrücklich gebeten regelmäßige und turnushafte Überprüfungen zur Rechtfertigung der weiteren Ausweisung von Moorburg als Hafenerweiterungsgebiet einzurichten. Es sind die notwendigen Schritte für eine Entlassung einzuleiten, wenn diese Überprüfungen zum Ergebnis kommen, dass Moorburger Fläche auf absehbare Zeit nicht für eine Hafenerweiterung benötigt wird.

BEZIRKSVERSAMMLUNG HARBURG

DER VORSITZENDE

13. Juni 2025

Die Behörde für Wirtschaft und Innovation (BWI) nimmt zu dem Antrag der GRÜNE-Fraktion (Drs. 22-0702) teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Hamburg Port Authority (HPA) wie folgt Stellung:

Zu 2. 4.

Der Stadtteil Moorburg ist seit dem Erlass des Hafenentwicklungsgsetzes (HafenEG) durch die Hamburgische Bürgerschaft im Jahre 1982 Hafenerweiterungsgebiet und somit Bestandteil des Hafengebiets.

Das Hafengebiet ist für Hafenzwecke bestimmt nach § 1 Abs. 3 HafenEG und ist Gegenstand einer Sonderplanung im Sinne des § 5 Absatz 4 BauGB. Hafenzwecke umfassen nach Absatz 4 des § 1 HafenEG den Hafenverkehr, den hafengebundenen Handel und die Hafenindustrie. Hafenzwecke sind gerade nicht - und dies gilt auch für Moorburg - so eng definiert, dass sie einen Bedarf für seeschifftiefe Nutzung verlangen. Daran ändert auch die räumliche Lage Moorburgs nichts, die sich für eine solche Nutzung eignen kann.

Der Hamburger Senat hat zuletzt mit Beschluss des Hafenentwicklungsplans (HEP) am 13. Juni 2023 die herausragende Bedeutung von Moorburg für die Entwicklung des Hamburger Hafens betont, siehe Drs. 22/12205. So wird z.B. die einzigartige Lage der Hafenerweiterungsfläche Moorburg mit einem direkten Anschluss an die Straßen-, Wasser- und Schienenwege sowie die grundlegende Bedeutung der Fläche durch die unmittelbare Nähe zu gren Umschlagsterminals und Industrieunternehmen, die für die Hafenentwicklung durch die Ansiedlung von innovativen Unternehmen mit zukunftsorientierten Arbeitsplätzen neue Impulse geben kann, herausgestellt. Die im HEP genannte und mittlerweile in Auftrag gegebene Studie betreffend der Moorburger Fläche bezieht sich auf die Untersuchung von hafenbezogenen Nutzungskonzepten und dient somit der Zieldefinition für die optimale hafenspezifische Nutzung. Der Gedanke der Entlassung Moorburgs aus dem Hafengebietist zu keinem Zeitpunkt verfolgt worden. Im Übrigen ist es ausreichend, die Flächenreserve perspektivisch nutzen zu wollen. Die Feststellungen, die sich betreffend Moorburg im HEP wiederfinden, sind zudem das Ergebnis einer Betrachtung im Kontext der gesamtstädtischen Entwicklung und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens. Eine isolierte Betrachtung der Interessen einzelner Flächen im Hafengebiet, ohne die übergeordneten wirtschaftlichen und strategischen Belange Hamburgs zu berücksichtigen, ist nicht zielführend. Der Senat verfolgt auch vor dem Hintergrund einer derzeit schwachen wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland das Ziel durch gezielte Anreize und Maßnahmen die Hafenentwicklung positiv zu beeinflussen und den Umschlag zu steigern.

Verfügbare Flächenreserven sind für eine langfristige Hafenplanung von entscheidender Bedeutung und unverzichtbar, um mögliche künftige Veränderungen der innerdeutschen, europäischen und weltweiten Handels- und Verkehrsströme berücksichtigen zu können. Hafenerweiterungsflächen dienen dazu, die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Hafens zu sichern. Sie ermöglichen es, flexibel auf zukünftige Entwicklungen im Hafenbereich zu reagieren, auch wenn diese Entwicklungen heute noch nicht absehbar sind. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass Moorburg als Reservefläche für den Hafen erhalten bleibt. Schließlich gewinnt der Hamburger Hafen angesichts aktueller politischer Entwicklungen an Bedeutung dazu. Die hafen- und logistikbezogene Flächenvorsorge ist eines der strategischen Ziele der Nationalen Hafenstrategie.

Dementsprechend kommt eine Entlassung Moorburgs aus dem Hafengebiet nicht in Betracht.

Zudem weist die BWI darauf hin, dass die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das HafenEG und konkret gegen die Ausweisung der Moorbuger Fläche als Hafenerweiterungsfläche, die im Antrag geäert worden sind, nicht stichhaltig sind. Da der Antrag sowohl das Hafenerweiterungsgesetz als auch das Hafenentwicklungsgesetz (HafenEG) erwähnt, ist unklar, auf welche spezifischen Vorschriften er sich tatsächlich bezieht. Grundsätzlich ist aber die Gesetzgebungszuständigkeit Hamburgs sowohl für das Hafenerweiterungsgesetz als auch für das Hafenentwicklungsgesetz mehrfach gerichtlich bestätigt worden (BGH, Urt. Vom 08.März 1979 - Az. III ZR 7/78-, juris; sehr eingehend: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 23.September 1996 - Az. Bs III 68/96-, juris).

Das HafenEG ist spezialgesetzliches Hafenrecht, das auf der originären Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Hafenwesen beruht. Es hat zwar bodenrechtlichen Bezug im Sinne des Art. 74 Nr. 18 GG, dient aber im Kern der Sicherung und Entwicklung des Hamburger Hafens und der wirtschaftlichen Entwicklung der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH). Soweit Bodenfragen berührt sind, sind sie nicht auf die allgemein städtebauliche Ordnung ausgerichtet, sondern auf die spezifischen Bedürfnisse eines Großhafens als zentrale Infrastruktur. Mit der Entwicklung eines Seehafens verknüpfte Fragen des Vorkaufsrechts, der Veränderungssperre und der Enteignung gelten als „notwendiger Annex dieser Sonderplanung“ (BGH, Urt. Vom 08.März 1979 - Az. III ZR 7/78-, juris RdNr.7; Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 23.September 1996 - Az. Bs III 68/96-, juris RdNr.104). In Hinblick auf § 10 HafenEG ist die Gesetzgebungszuständigkeit der FHH ebenso anzuerkennen (Art.124 Abs. 1 EGBGB; Das hamburgische Hafenentwicklungsgesetz, Schulz-Schaeffer, Rn.14 zu § 10).

Entgegen der Behauptung im Antrag stehen die Vorschriften des HafenEG nicht im Widerspruch zum BGB, sondern ergänzen diese lediglich. Das BGB trifft privatrechtliche Regelungen, wohingegen das HafenEG spezifische öffentlich-rechtliche Vorschriften normiert, die den besonderen Anforderungen des Hafens gerecht werden.

gez. hm f.d.R. Hille


Lokalisation Beta
Moorburg Moorburg Gut Moor Hamburg

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