Schaffung eines Standortes in der öffentlich-rechtlichen Unterbringung Cornelia-Harte-Straße ohne Nummer ("Huckepackbahnhof"), Bezirk Hamburg-Mitte, Stadtteil Rothenburgsort; hier: Anhörung der Bezirksversammlung gem. § 28 BezVG
Letzte Beratung: 19.01.2023 Bezirksversammlung Hamburg-Mitte Ö 7.4
Es liegt folgendes Anhörungsschreiben der Staatsrätin der Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration vom 27.12.2022 vor:
„Sehr geehrte Frau Oestreich,
die Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (Sozialbehörde) möchte Ihnen auf diesem Wege Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 28 Satz 1 Nr. 9 BezVG in Monatsfrist geben, da vorgesehen ist, im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung (örU) in der Cornelia-Harte-Straße o. Nr. (,,Huckepackbahnhof", FI. 3124, Gem. Billwerder Ausschlag) einen Standort mit rund 530 Plätzen zu schaffen.
Der Standort wird zurzeit auf der Basis des Gesetzes zur Sicherheit und Ordnung (SOG) zur Abwehr der Gefahr von Obdachlosigkeit vorbereitet und voraussichtlich in der 3. KW 2023 (Mitte Januar 2023) mit einer ersten Tranche von 168 Plätzen in die Belegung gehen. Die Inbetriebnahme des 2. Bauabschnittes mit 288 Plätzen ist ab der 7.-9. KW 2023 (Februar/März 2023) geplant. Gegebenenfalls können ab dem II. Quartal 2023 - in Abhängigkeit des Platzbedarfes für eine Halboffene Kinderbetreuung (HOB) - bis zu 70 weitere Plätze geschaffen werden.
Aufgrund kontinuierlich steigender Zugangszahlen geflüchteter Menschen in Deutschland und Hamburg wurden bereits in den letzten Monaten gesamtstädtisch diverse Anstrengungen unternommen, um weitere und auch kurzfristig verfügbare Kapazitäten in Hamburg zu akquirieren und für die jeweiligen Zwecke nutzbar zu machen.
Während der gesamte Unterbringungsbedarf in den Erstaufnahmen und der öffentlich rechtlichen Unterbringung in Hamburg seit Beginn der Flüchtlingskrise 2015/2016 leicht rückläufig war, wurden bereits seit Mitte 2021 deutlich steigende Zugangszahlen geflüchteter Menschen in Hamburg verzeichnet. Die Zugangsprognose für das Jahr 2022 wurde daher am 10. Dezember 2021 in der Lenkungsgruppe "Integration öffentlich-rechtliche Unterbringung (örU) und Erstaufnahme (EA) in die gesamtstädtische Flächenverwertung und Planung" angepasst. Der in den Vorjahren prognostizierte Unterbringungsbedarf von 250 Personen pro Monat, wurde inzwischen für das gesamte Jahr 2022 auf monatlich 400 erhöht. Grund für die steigenden Zugangszahlen seit Mai 2021 waren bisher insbesondere die Situation in Afghanistan, die Sekundärmigration aus Griechenland und der weiterhin bestehende Druck auf den Hauptmigrationsrouten.
Durch den unvorhersehbaren Angriff Russlands am 24. Februar 2022 auf die Ukraine hat sich die ohnehin angespannte Situation noch einmal verschärft.
Mit den andauernden Kriegshandlungen und einem nicht zu erwartenden schnellen Ende des Krieges steigt neben den Zugängen aus anderen Ländern die Zahl ukrainischer Schutzbedürftiger auch in Hamburg weiter an. Seit dem 24. Februar 2022 sind mit Stand 16. Dezember 2022 bereits 41.719 Personen im Zuge der Kriegshandlungen in Hamburg registriert worden. Davon sind 37.121 Schutzsuchende in Hamburg verblieben und 4.598 Schutzsuchende in andere Bundesländer verteilt worden. Im November verblieben 1.614 registrierte Schutzsuchende aus der Ukraine in Hamburg, wovon 70,1 % einen Unterbringungsbedarf in öffentlich-rechtlicher Unterbringung angemeldet haben.
Auch die Zahl der sonstigen in Hamburg registrierten Asyl- und Schutzsuchenden liegt mit 1.794 im November 2022 so hoch wie zuletzt im Frühjahr 2016. Dabei ist der Anteil der mit Unterbringungsbedarf in Hamburg verbleibenden Menschen deutlich höher als zuvor. Gemessen an der Zahl aller Registrierungen von Asyl- und Schutzsuchenden in diesem Jahr wurde der Wert des Gesamtjahres 2015 bereits im September 2022 übertroffen.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen hat die Lenkungsgruppe "Integration öffentlich rechtliche Unterbringung (örU) und Erstaufnahme (EA) in die gesamtstädtische Flächenverwertung und Planung" am 09.12.2022 für 2023 nunmehr zwei Zugangsprognosen aufgestellt: einerseits für die Asyl- und Schutzsuchenden aus allen Drittstaaten ohne die Zugänge aus der Ukraine, andererseits für die Schutzsuchenden aus der Ukraine. Selbst im best-case-Szenario beider Zugangsprognosen bedarf es für 2023 eines Platzaufbaus von rd. 5.000 Plätzen, im worst-case-Szenario sogar von 16.500 Plätzen. Während das best case-Szenario ein Kriegsende in der Ukraine Mitte 2023 unterstellt, geht das worst-case Szenario davon aus, dass in 2023 nochmals die gleiche Anzahl von Schutzsuchenden aus der Ukraine nach Hamburg kommen wie in 2022. In der Abwägung dieser Szenarien stellen wir uns darauf ein, mindestens 10.000 Unterbringungsplätze in 2023 zu entwickeln.
Diese Situation stellt vor dem Hintergrund der ohnehin schon knapp bemessenen Unterbringungskapazitäten eine große Herausforderung dar. Um auf die sehr dynamische Entwicklung vorbereitet zu sein, werden daher derzeit in der gesamten Stadt zusätzliche Standorte zur Unterbringung von Geflüchteten geprüft und bestehende Kapazitäten ausgebaut.
Für Hamburg-Mitte ist vorgesehen, in der Cornelia-Harte-Straße o. Nr. (Huckepackbahnhof, "Unterdorf'), auf dem Flurstück Nr. 3124, eine öffentlich-rechtliche Unterbringung mit rund 530 Plätzen in Container-Bauweise, wie im beigefügten Lageplan dargestellt, für voraussichtlich 3 Jahre mit der optionalen Verlängerung auf insgesamt 5 Jahre, in Betrieb zu nehmen. Die Belegung der ersten Plätze erfolgt, wie anfangs ausgeführt, voraussichtlich Mitte Januar 2023.
Parallel zur Organisation der Unterbringung wird alles dafür unternommen, geflüchtete Kinder im geregelten Betreuungs- und Schulsystem unterzubringen und sie in die bestehende soziale Infrastruktur einzubinden.
Grundsätzlich haben Kinder, die in einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung leben, einen Rechtsanspruch auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Hierzu beantragen die Sorgeberechtigten einen Kita-Gutschein bzw. eine Kindertagespflege-Bewilligung in der Abteilung Kindertagesbetreuung des zuständigen Bezirksamtes und suchen dann selber eine geeignete Kita oder Kindertagespflegepersonal für ihr Kind. Ergänzend ist die Einrichtung einer HOB vorgesehen.
Für neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler, die nicht über ausreichende Sprachkenntnisse verfügen, um dem Unterricht in einer Regelklasse zu folgen, unterhält die für Bildung zuständige Behörde (BSB) im Bereich der allgemeinbildenden Schulen ein spezielles Aufnahmesystem: Nicht in der lateinischen Schrift alphabetisierte Schülerinnen und Schüler besuchen zunächst für bis zu 12 Monaten eine Basisklasse. Alphabetisierte Schülerinnen und Schüler besuchen für bis zu 12 Monaten eine Internationale Vorbereitungsklasse (IVK).
In Absprache mit der BSB könnte hierfür an der Grundschule Fritz-Köhne-Schule, der Ganztagsschule Fährstraße und den Elbinselschulen nach Prüfung der Räumlichkeiten im Bedarfsfall eine IVK für Grundschülerinnen und Grundschüler eingerichtet werden.
Für Schülerinnen und Schüler ab Jahrgang 5 kommen insbesondere die Stadtteilschule (STS) Wilhelmsburg, die Nelson-Mandela-Schule, die STS Stübenhofer Weg, das Helmut Schmidt-Gymnasium und für die Jahrgänge 5/6 zusätzlich die Schule An der Burgweide für eine Beschulung in Betracht.
Die Sozialbehörde ist darüber hinaus mit dem Bezirksamt Hamburg-Mitte für alle derzeit geplanten Standorte im Gespräch, wie die soziale Infrastruktur im Rahmen der sozialräumlichen Integrationsnetzwerke gestärkt werden kann. Hierzu hat am 19.12.2022 auf Leitungsebene ein Abstimmungsgespräch mit dem Bezirksamt stattgefunden, in dem weitestgehend Einigkeit über die seitens des Bezirksamtes formulierten Bedarfe erzielt worden sind. In einem weiteren Gespräch auf Arbeitsebene sollen kurzfristig die letzten offenen Punkte geklärt werden. Die Sozialbehörde prüft darüber hinaus ergänzend Unterstützungsangebote überregional tätiger Träger (z. B. Elternlotsenprojekte).
Darüber hinaus möchte ich darüber informieren, dass aufgrund des hohen Platzbedarfs zwei weitere Inbetriebnahmen von Standorten im Stadtteil Wilhelmsburg geplant sind. Der Container-Standort "An der Hafenbahn 5" (Flurstück 5717, Gemarkung Wilhelmsburg) wird voraussichtlich für sechs Monate als Notunterkunft betrieben werden. Er soll perspektivisch die Belegung der Sporthallen ablösen. Bei einer notmäßigen 4er Belegung der Container würde der Standort 616 Plätze umfassen. Er wird voraussichtlich zuerst mit 208 Plätzen noch ab der 52. KW 2022 belegt werden, die weiteren Plätze werden ab Januar 2023 in Betrieb genommen. Betriebsende ist voraussichtlich der 30.06.2023. Das konkrete Betriebsende hängt von den im Anschluss anstehenden Vorbereitungsmaßnahmen auf dem Grundstück für die Realisierung von Wohnungsbau ab. Der Wohnungsbau wird zeitlich nicht verzögert. Der Betrieb als Notunterkunft bedeutet, dass hier nur ein sehr kurzfristiger Aufenthalt für die Schutzsuchenden vorgesehen ist, idealerweise nur wenige Tage, je nach Zugangssituation jedoch auch zwei bis drei Wochen.
Der Standort "Karl-Arnold-Ring 11" (Flurstück 7337, Gemarkung Wilhelmsburg) mit rund 200 Plätzen soll sukzessive ab dem 01.03.2023 als Interimsstandort realisiert werden. Vorgesehen ist eine Laufzeit von bis zu einem Jahr. Ein entsprechendes Anhörungsverfahren gem. § 28 BezVG wird vorbereitet.
Durch die Schaffung neuer Unterbringungsplätze im Bezirk Hamburg-Mitte leistet der Bezirk einen wichtigen und herausragenden Beitrag, die Notlage zu mildern und die humanitäre Situation für die Geflüchteten und Schutzsuchenden in unserer Stadt zu verbessern. Nur mit der politischen Unterstützung des Bezirks kann es uns gelingen, dieser Herausforderung zu begegnen.“
Gemäß § 28 BezVG ist die Bezirksversammlung anzuhören und sie erhält binnen einer Anhörungsfrist von mindestens einem Monat die Gelegenheit, eine Stellungnahme abzugeben. Diese Frist läuft bis zum 26.01.2023.
Den Fraktionsbüros wurde das Schreiben am 29.12.2022 vorab übermittelt.
Um Kenntnisnahme und ggf. Abgabe einer Stellungnahme wird gebeten.
Anlage: Lagepläne
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