Innovatives Modellprojekt "Mehr Barrierefreiheit im Reiherstiegviertel"
Letzte Beratung: 21.03.2019 Bezirksversammlung Hamburg-Mitte Ö 3.1
Der Regionalausschuss Wilhelmsburg/Veddel hat in seiner Sitzung am 10.04.2018 dem nachfolgend aufgeführten Antrag der SPD-Fraktion Drs. Nr. 21-4105 mehrheitlich – gegen die Stimme der AfD-Fraktion – zugestimmt.
Die Bezirksversammlung hat diesen Beschluss in ihrer Sitzung am 19.04.2018 bestätigt.
Mobilität ist eine Grundvoraussetzung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Insbesondere für mobilitätseingeschränkte Personen ist die barrierefreie Gestaltung des öffentlichen Raumes unabdingbar. In den vergangenen Jahren ist deshalb zu Recht die barrierefreie Gestaltung von Verkehrsanlagen verstärkt in den Fokus der Verkehrsplanung gerückt. Mit der Erstellung des Landesaktionsplans zur Umsetzung der UN-Konvention zur Gleichstellung behinderter Menschen und dem Handlungsplan „Älter werden in Hamburg“ wurden in Hamburg klare Akzente in diesem Themenfeld gesetzt.
Die barrierefreie Gestaltung der Verkehrsanlagen darf sich aber nicht nur auf neue Baumaßnahmen beschränken. Mobilitätseingeschränkte Personen wie auch Menschen mit eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten, Sinnesbehinderungen oder altersbedingten Handicaps sind darauf angewiesen, dass der Verkehrsraum insgesamt, besonders im unmittelbaren Wohnumfeld, so gestaltet wird, dass sie diesen ohne fremde Hilfe nutzen können. Mit kleinen, gezielten Maßnahmen kann hier oftmals schnell und unkompliziert Abhilfe geschaffen werden.
Besonders im Quartier Reiherstieg ist eine Teilhabe am alltäglichen öffentlichen Leben angesichts der vielen Barrieren zu den Ladenlokalen nicht selbstverständlich. Barrierefreie Zugänge zu den Arztpraxen fehlen gänzlich. Der Regionalausschuss Wilhelmsburg / Veddel befasste sich mit diesem Thema bereits 2015 und beschloss einstimmig einen Antrag dazu (s. Drs. 21/1687 vom 17.11.2015)
In der Drs. 21-1687.1 vom 13.01.2016 nimmt das Bezirksamt zur Situation wie folgt Stellung:
Die vielfach nur über einige Treppen erreichbaren Gebäudeeingänge der aus der Jahrhundertwende stammenden Bebauung entlang der Veringstraße sind verschiedenhoch. Eine bauliche Angleichung der Gehwege an die sehr verschiedenen Niveaus und Höhen der Eingänge lässt sich daher nicht realisieren und wäre nicht im Sinne einer barrierefreien Gestaltung der öffentlichen Gehwege. Das Bezirksamt hat das Thema des Abbaus von Barrieren für ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen im Rahmen des Sanierungsverfahrens in der Vergangenheit mehrfach thematisiert und Vorschläge zur Herstellung von Barrierefreiheit (über Rampen, Klingeln etc.) unterbreitet. Bisher hat die Apotheke in der Veringstraße 36 reagiert und eine Klingelanlage angebracht. Die Fachämter MR und SL werden dennoch auch künftig im Zusammenhang mit der geplanten Umgestaltung der Veringstraße z.B.im Rahmen der bestehenden Netzwerke auf die Bedürfnisse mobilitätseingeschränkter Bewohner hinweisen. Die Herstellung behindertengerechter Zugänge zu Praxen und Läden wird im Grundsatz jedoch als Angelegenheit der Hauseigentümer und / oder der Gewerbetreibenden angesehen. Rampenlösungen auf öffentlichem Grund würden im Einzelfall und in Abhängigkeit von der Örtlichkeit bzw. einer ausreichenden Gehwegbreite seitens M/MR wohlwollend geprüft.
Im Rahmen der Umgestaltung der südlichen Veringstraße im Jahr 2016 wurde das Niveau der Fußwege soweit erhöht, dass die Gebäudezugänge generell eine Treppenstufe weniger haben als vorher. Die meisten Ladenlokale sind jetzt über eine, maximal zwei Treppenstufen zu erreichen.
In Berlin praktiziert die Initiative „Sozialhelden“ für ähnliche Problemlagen eine kostengünstige und praktikable Lösung. Durch eine mobile Alu-Rampe wird Zugang zu neuen Räumen mit maximal 2 Treppenstufen für Rollstuhlfahrer, Familien mit Kinderwagen und Menschen mit Rollatoren geschaffen. So können die Betreiber von z.B. Cafés, Restaurants, Friseurläden, Arztpraxen etc. ganz unkompliziert und kostenschlank den Zugang zu Ihren Räumen ermöglichen. Ohne aufwendige Baumaßnahmen oder behördlichen Aufwand. Die in Hamburg hergestellte 1,2 m bzw. 1,5 m lange Rampe ist eine klappbare Aluminium-Rampe für Rollstuhlfahrer und Kinderwagen. Mit ihr lassen sich 1-2 Treppenstufen überwinden. Sie ist für den mobilen Einsatz oder die feste Verlegung geeignet, leicht und durch den Transportgriff sehr handlich. Die Anschaffungskosten liegen im unteren dreistelligen Euro Bereich.
Was in Berlin erfolgreich praktiziert wird, sollte auch in Hamburg-Mitte möglich sein. Das überschaubare Reiherstiegviertel eignet sich dabei sehr gut als Modellprojekt für Stadtteile mit fehlenden barrierefreien Gebäudezugängen aufgrund älterer Bebauung.
Das Modellprojekt kann wie folgt aussehen: Es wird ein Fond „Mehr Barrierefreiheit im Reiherstiegviertel“ geschaffen. Um möglichst viele in Frage kommende Gebäudezugänge zu Ladenlokalen und Arztpraxen mit Rampen auszustatten, werden die Betreiber in einer öffentlichkeitswirksamen Aktion gezielt angesprochen und über die Vorteile einer mobilen Rampe informiert. Als Anreiz werden möglichst viele Rampen über den Fond „Mehr Barrierefreiheit im Reiherstieg“ angeschafft und kostenlos von interessierten Betreibern über einen Zeitraum von mehreren Monaten getestet. Gut sichtbare Aufkleber informieren darüber, dass das Gebäude mit einer Rampe barrierefrei zugänglich ist. Die Erfahrungen der Teilnehmer und der Nutzer werden nach der Testphase evaluiert und anonymisiert veröffentlicht. Teilnehmer, die nach der Testphase ihre Rampe behalten möchten, können sie für eine geringe Schutzgebühr übernehmen. Bestehende Netzwerke für mehr Barrierefreiheit vor Ort werden bei der Durchführung des Modellprojektes und für die Nachbetreuung eingebunden.
Der Regionalausschuss Wilhelmsburg/Veddel möge daher beschließen:
Der Bezirksamtsleiter wird ersucht,
Das Bezirksamt teilt zu dem Beschluss Folgendes mit:
Im Rahmen der Umgestaltung der Veringstraße zwischen Vogelhüttendeich und Mannesallee wurde der öffentliche Gehweg an den Zugängen zu den anliegenden Gebäuden erhöht, um die dortigen Barrieren zu minimieren – sofern es planerisch innerhalb der durch die Richtlinien vorgegebenen Maßgaben darstellbar war. Diese Möglichkeiten sind eingeschränkt, da das Höhenniveau im öffentlichen Raum aufgrund zahlreicher Randbedingungen und Festpunkte nicht beliebig veränderlich ist. Auch sollen die Flächen ebenfalls im Sinne der Barrierefreiheit weder zu starke Neigungswinkel aufweisen noch ständige Wechsel von Steigung zu Gefälle aufweisen.
Das Bezirksamt wird auch im südlichen Teil der Veringstraße, der im Rahmen der Veloroute 11 als nächstes beplant wird, Barrieren im Zugang zu den Gebäuden weitest möglich reduzieren. Gleichwohl liegt die Zuständigkeit, einen barrierefreien Zugang zu gewährleisten, grundsätzlich bei den Anliegern.
Die Unterstützung der Anlieger in Form von verleihbaren Rampen ist eine gute Idee. Sie kann aber nicht durch das Bezirksamt erfolgen, da hierfür nicht die notwendigen Strukturen und personellen Ressourcen vorhanden sind, um vor Ort Rampen zu verleihen, transportieren oder gar aufzubauen.
Um Kenntnisnahme wird gebeten.
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