22-0668.1

Eingabe: Ergänzung der Erläuterungsschilder im Erlerring und Am Holthusenkai

Vorlage öffentlich

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29.09.2020
30.06.2020
18.02.2020
Sachverhalt

 

Der Regionalausschuss Wilhelmsburg / Veddel hat in seiner Sitzung am 21.01.2020 die Beratung über nachfolgend aufgeführte Drucksache, Drs. 22-0668, vertagt, und vor Beschlussfassung darum gebeten, zunächst eine Stellungnahme der zuständigen Stellen, einzuholen.

 

 

Die nachfolgende Eingabe wurde beim Vorsitzenden der Bezirksversammlung eingereicht. Gemäß Geschäftsordnung der Bezirksversammlung wird diese an den zuständigen Regionalausschuss weitergeleitet.

 

 

„Seit vielen Jahren - damals noch als stellvertretende Direktorin der Landeszentrale für politische Bildung - engagiere ich mich dafür, dass in Hamburg mehr Straßen nach Frauen benannt werden. Im Rahmen dieser Aktion hatte ich verschiedentlich den Vorschlag gemacht, dass Straßen, die nach dem Nachnamen von bedeutenden Männern benannt sind, diese ebenso nach den bedeutenden weiblichen Familienmitgliedern mit selben Nachnamen mitbenannt werden können. Damit bedarf es keiner Umbenennung. Nur das Erläuterungsschild unter dem Straßennamen muss verändert werden und im Amtlichen Anzeiger braucht es eine entsprechende Notiz. Solche Mitbenennungen ist in den letzten Jahren bei  25 Straßennamen in Hamburg erfolgt, auch im Bezirk Mitte (Petersenkai, Schmilinskystraße, Leipeltstraße, Döhnerstraße, Blostwiete Reimarusstraße, Wichernsweg und Meriandamm.)

 

Nun bin ich bei meinen Recherchen auf weitere Straßennamen gestoßen, die ebenso nach den bedeutenden weiblichen Verwandten mitbenannt werden sollten. Es handelt sich um den Erlerring, den Predöhlkai und Am Holthusenkai.

 

Anbei die Viten der Frauen.

 

Vorsitzende des Vereins Garten der Frauen e. V., Vorstandsmitglied des Landesfrauenrates Hamburg e.

 

V. Erlerring, Wilhelmsburg (1975): Fritz Erler (1913-1967), Verwaltungsbeamter bei der Berliner Stadtverwaltung, Bundestagsabgeordneter, Fraktionsvorsitzender der SPD

 

Diese Straße könnte auch nach seiner Ehefrau Käthe Erler, geb. Wiegand mitbenannt werden, Politikerin, Stadträtin.  

 

In der Zeit des Nationalsozialismus schloss Fritz Erler sich der Widerstandsgruppe ‚Neu Beginnen‘ an. 1938, wenige Monate nach seiner Hochzeit mit Käthe Wiegand (1912-2006), die er in der Berliner Stadtverwaltung kennen- und lieben gelernt hatte, wurde er verhaftet und nach einjähriger Untersuchungshaft zu zehn Jahren Zuchthaus wegen ‚Vorbereitung zum Hochverrat‘ verurteilt. ‚Er konnte jedoch bei einem der berüchtigten ‚Todesmärsche‘ vom KZ Dachau aus fliehen und sich die letzten Kriegswochen in Süddeutschland versteckt halten.‘ 1)

 

‚Für die junge Frau bedeutete die damit für sie verbundende gesellschaftliche Isolation ebenfalls eine Art Gefangenschaft. ‚Es wurde ziemlich einsam um sie in einem Staat, der sie feindlich betrachtete‘, hat später ein Wegbegleiter vermerkt.‘ 2) Hinzu kam, dass Käthe Erler mit der Heirat ihren Beruf aufgeben musste, das verlangte das Gesetz zum ‚Doppelverdienertum‘. Danach hatten erwerbstätige Behördenangestellte und Beamtinnen aus dem Erwerbsarbeitsleben auszuscheiden, sobald sie einen ‚Ernährer‘ heirateten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Fritz Erler Landrat in Biberach und Tuttlingen, ab 1949 Bundestagsabgeordneter.

 

Seine politische Karriere machte es ihm oft nicht leicht und auch nicht möglich, seine Rolle als Ehemann und Vater zu erfüllen. Und so ist dann auch unter einem Familienbild, das in der Pforzheimer Zeitung am 19.10.2012 abgedruckt wurde, zu lesen: ‚Einen Spaziergang mit der gesamten Familie gab es höchstens mal am Wochenende, wenn der Politiker Fritz Erler etwas Zeit für die Ehefrau Käthe und die Kinder (…) hatte.‘

 

Aber auch Käthe Erler, die 1931 als 19-Jährige in die SPD eingetreten war, war politisch aktiv. Zwei Jahre, bevor Fritz Erler an Leukämie erkrankte, wurde sie in den Gemeinderat gewählt. Fritz Erler verstarb 1967. Von 1966 bis 1987 war Käthe Erler Stadträtin in Pforzheim. ‚Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit im Gemeinderat, fortan wurde sie zur Stimmenkönigin bei den Wahlen, lag im Jugendwohlfahrts- und Sozialausschuss, im Schul-, im Krankenhaus- und Kulturausschuss. Ihr Rat und ihre Lebenserfahrung waren unter anderem der Manfred-Bader-Stiftung, der August-Kayser-Stiftung, der Ehe- und Familienberatungsstelle, der Nachbarschaftshilfe und Pro Familia, dem Frauen- und Müttertreff zugutegekommen. Und sie hat einen Babysitterdienst mit auf den Weg gebracht. Als Käthe Erler an ihrem 75. Geburtstag vom damaligen Oberbürgermeister Joachim Becker das Bundesverdienstkreuz überreicht wurde, betonte er, dass sie sich stets für den sogenannten kleinen Mann eingesetzt habe – für die Schwachen und die Jugend. Sie habe viel Not gelindert, ihre Arbeit sei dabei jedoch fast immer im Stillen geschehen.‘ 3)

 

 

Quellen:

 

1)      wikipedia, Stand: 10.9.2013.

 

2)      Thomas Frei in PZ News vom 19.10.2012.

 

3)      Ebenda.

 

 Am Holthusenkai, Kleiner Grasbrook, benannt 1967: Gottfried Holthusen (1848-1920), Senator und Präses der Baudeputation

 

Ergänzung um:

Um Gottfried Holthusens Schwiegertochter Agnes Holthusen, geborene Weizsäcker (24.10.1896 Frankfurt a. M. – 10.8.1990 Hamburg) verheiratet seit 1919 mit Hermann Holthusen (1886-1971), Sohn aus zweiter Ehe von Gottfried Holthusen.

Die Kunstmäzenin Agnes Holthusen war die Tochter des Direktors des Städelschen Kunstinstituts in Frankfurt am Main, Prof. Dr. Heinrich Weizsäcker. Sie wurde durch ihren Vater schon früh an die Künste herangeführt. Nach dem Abitur 1916 begann sie ein Studium der Kunstgeschichte, Philosophie und der Klassischen Sprachen in Heidelberg. 1919 heiratete sie den Arzt Hermann Holthusen. Das Paar bekam drei Kinder. Es zog nach Hamburg, wo Hermann Holthusen die Leitung des Strahleninstituts des Allgemeinen Krankenhauses St. Georg übernahm. Agnes Holthusen engagierte sich in Hamburg von 1928 bis 1937 in diversen Frauenverbänden und war dort auch in die Vorstände gewählt.

 

Freundschaftlich war sie mit Aby Warburg und der Kunsthistorikerin Rosa Schapire, aber auch mit anderen Künstlerinnen und Künstlern verbunden. Sie engagierte sich stark in der Künstlernothilfe, eine Stiftung des Hamburger Bankiers Max Warburg.

 

Die "Nothilfe für bildende Künstler Hamburgs" wurde 1931 in Zeiten der Weltwirtschaftskrise eingerichtet. Agnes Holthusen, die moderne Kunst sammelte, übernahm die Verbindung zu den Künstlern. "Sie besuchte diese in den Ateliers und nutzte ihre Verbindungen zu deren Unterstützung". (Maike Bruhns: Kunst in der Krise. Bd. 1: Hamburger Kunst im "Dritten Reich". Hamburg, 2001, S. 42.)

 

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten "wehrten sich die wenigsten Sammler gegen die politische Bevormundung (...). Der Arzt Prof. Hermann Holthusen erwarb, erbost über den vorzeitigen Abbruch der 12. Sezessionsausstellung 1943 ein großes Leim-Kreide-Bild von Rolf Nesch 'Abschied' (1933), und setzte damit ein Zeichen für die Unabhängigkeit des Kunstsammelns. Holthusens Sammlung stammte vorwiegend aus Agnes Holthusens Tätigkeit für die Künstlernothilfe (...). Von Gustav Heinrich Wolff erwarb sie Plastik und Graphik und trug 1964 ein Werkverzeichnis zusammen. Die Sammlung blieb in der NS-Zeit unbehelligt und in ihrem Haus in der Goernerstraße 29." (Maike Bruhns, a. a. O., S. 232).

 

Agnes Holthusen gehörte auch zum "Hamburger Kreis", der sich aus "Künstlern und Intellektuellen der gehobeneren Gesellschaft zusammen[setzte]. Gustav Schiefler, Karl und Hannah Kluth, Willem Grimm, Bruno und Hertha Snell, Kurt Eggers-.Kestner (...) gehörten ihm an. Alle fühlten sich dem humanistischen Geist verpflichtet und waren gegen die NSDAP eingestellt." (Maike Bruhns, a. a. O., S. 322.)

 

1946 wurde sie in den Denkmalrat des Denkmalschutzamtes gewählt und 1948 in den Verwaltungsrat der Hamburger Kunsthalle berufen, dem Agnes Holthusen bis 1985 angehörte.

 

In der Hamburger Kunsthalle befindet sich eine Bronzebüste von Agnes Holthusen, geschaffen von dem Bildhauer Gustav Heinrich Wolff (1186-1934).

 

[…] (Hinweis: Der Text zum Predöhlkai wird im Regionalausschuss Finkenwerder vorgelegt.)

 

 

Die Entscheidungen der Fach- oder Regional-Ausschüsse können nach erfolgter Beratung lauten:

 

a) Die Eingabe oder Beschwerde wird dem Bezirksamt

 

-       zur Kenntnisnahme,

 

-       zur Berücksichtigung,

 

-       zur Erwägung,

 

-       mit einer Empfehlung, bestimmte, näher bezeichnete Maßnahmen zu veranlassen,

 

-       zur Weiterleitung an die zuständige Behörde,

 

-       als Material zur Information,

 

überwiesen.

 

b) Der Petentin bzw. dem Petenten wird geraten, zunächst den Rechtsweg auszuschöpfen.

 

c) Die Eingabe oder Beschwerde wird für erledigt erklärt.

 

d) Die Eingabe oder Beschwerde wird, ohne auf die Sache einzugehen, zurückgewiesen.

 

e) Die Eingabe oder Beschwerde wird für ungeeignet zur weiteren Beratung erklärt.

 

f) Die Eingabe oder Beschwerde fällt nicht in die Kompetenz der Fach- oder Regional-Ausschüsse der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte und wird deswegen dem Eingabenausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft oder dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages zugeleitet.

 

 

Das Bezirksamt nimmt wie folgt Stellung:

 

1. Erlerring

Der Erlerring wurde 1975 nach dem sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten und ehemaligen Fraktionsvorsitzenden Fritz Erler (1913-1967) benannt. Über ein Erläuterungsschild soll nach der Ehefrau Käthe Erler mitbenannt werden. Das politische Handeln Käthe Erlers beschränkte sich auf Berlin und Pforzheim, wo Käthe Erler auch Stadträtin war. Sie fällt damit nicht unter den Personenkreis, nach denen laut den Bestimmungen über die Benennung von Verkehrsflächen vom 28.02.2005 Verkehrsflächen in Hamburg zu benennen sind. Es wird empfohlen, der Petentin vorzuschlagen sich mit ihrem Anliegen an die Stadt Pforzheim zu wenden. Dort wurde offenbar bisher noch keine Verkehrsfläche nach Käthe Erler benannt.

 

2. Am Holthusenkai

Die Straße Am Holthusenkai wurde 1967 nach dem Senator und Präses der Baudeputation Gottfried Holthusen (1848-1920) benannt. Über ein Erläuterungsschild soll nach der Schwiegertochter Agnes Holthusen mitbenannt werden. Agnes Holthusen, geb. Weizsäcker gilt als Kunstmäzenin und Künstlerin, die ihren Wirkkreis v. a. in Hamburg hatte. Sie kann als „Persönlichkeit der Stadtgeschichte“ gemäß der Bestimmungen über die Benennung von Verkehrsflächen gewertet werden. Eine Überprüfung einer möglichen NS-Belastung muss zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Es wird empfohlen, auf eine Mitbenennung vorläufig zu verzichten und die Ergebnisse und Empfehlungen der Kommission für NS-belastete Straßennamen abzuwarten. Dem Regionalausschuss bleibt es unbenommen, ein grundsätzliches Votum zur Mitbenennung abzugeben. Der Vorschlag wäre dann zur zuständigen Bearbeitung an HPA abzugeben.

 

Bitte beachten Sie außerdem, dass die Behörde für Kultur und Medien (BKM) nicht für die Anbringung von Erläuterungsschildern zuständig ist. Die Bezirke entscheiden selbständig nach ihrer Haushaltslage und nach der tatsächlichen Erläuterungsnotwendigkeit, in welchen Einzelfällen Erläuterungsschilder gesetzt werden sollen.

 

Petitum/Beschluss

Um Beratung und Entscheidung über die Eingabe wird gebeten.