Denk.Mal Dokumentationszentrum Hannoverscher Bahnhof (Antrag der Fraktion DIE LINKE)
Letzte Beratung: 02.03.2021 Hauptausschuss Ö 7.1
In den vergangenen Tagen wurde in der Presse ein Vertragsabschluss publik, der an Geschmacklosigkeit kaum zu überbieten ist: Die mit NS-Vergangenheit belastete Firma Wintershall/DEA soll im selben Gebäude Büroräumlichkeiten beziehen wie das für das Jahr 2023 geplante (und längst überfällige) Dokumentationszentrum „Denk.mal Hannoverscher Bahnhof“. Nur einige Stockwerke über dem neuen Dokumentationszentrum, welches an die Deportation von über 8000 Juden, Sinti und Roma erinnern soll, lässt sich eine fusionierte Firma nieder, die an der Ausbeutung und Vernichtung derjenigen beteiligt war, die im 2. Weltkrieg von diesem Standort aus verschleppt wurden. Wintershall/DEA haben im zweiten Weltkrieg einen wichtigen Teil der Aufrüstungs- und Kriegsführungspolitik übernommen und zahlreiche Menschen zu Zwangsarbeit gezwungen. Wintershall profitierte durch die Expansion des Kaligeschäfts und der Erdölproduktion, DEA unterstützte das Naziregime mit Zuschüssen zur Erdölförderung und ließ Häftlinge für sich arbeiten. Die Firma Wintershall/DEA gehört heute zu 67 Prozent zu BASF; einem Nachfolgekonzern der IG Farben AG, die das erste private KZ Auschwitz-Monowitz errichtete und Zyklon B in die Vernichtungslager lieferte.
Der private Investor ließ sich bei Vertragsabschluss nicht beirren von seiner eigentlichen Verpflichtung „das Gebäude nicht selbst oder durch Dritte in einer Weise zu nutzen oder nutzen zu lassen, die in der öffentlichen Wahrnehmung und insbesondere in der Wahrnehmung der Opfer des Nationalsozialismus und ihrer Interessensorganisationen im Konflikt mit dem Zweck des Dokumentationszentrum steht oder der Ausstrahlung eines Gedenkortes abträglich ist“ und relativiert sein problematisches und unreflektiertes Verhalten. Der Wintershall Chef sieht sogar eine Chance in der neuen Nachbarschaft und denkt an gemeinsame Veranstaltungen, die die Verantwortung der Unternehmen in den Fokus nehmen.
Der Einzug ist keine Chance, sondern ein Skandal und eine enorme Zumutung für die Opfer und ihre Hinterbliebenen. Eine NS-belastete Firma im selben Gebäude wie eine Holocaust-Gedenkstätte ist unvereinbar mit einer antifaschistischen Ausrichtung von Erinnerungskultur. Es ist Zeit, zu handeln. Die Bezirksversammlung Mitte muss als Veranstalterin der nächsten Woche des Gedenkens Solidarität mit den Opferverbänden zeigen, die vor vollendete Tatsachen gestellt und übergangen worden sind.
Eine kaum zu übertreffende Geschmacklosigkeit: Firma mit Nazi-Vergangenheit wird Nachbarin der Gedenkstätte „Denk.Mal Dokumentationszentrum Hannoverscher Bahnhof“. Die Bezirksversammlung muss handeln. Jetzt!
Die Bezirksversammlung möge beschließen:
1. Die Bezirksversammlung missbilligt den Vertragsabschluss zur Vermietung der oberen Geschosse des Gebäudes des Dokumentationszentrums Hannoverscher Bahnhof an die Firma Wintershall/DEA und strebt an, diesen rückgängig zu machen. Die hier geplante Nachbarschaft missachtet die Belange der Opfer und ihrer Verbände und entspricht nicht dem Vertrag mit der Kulturbehörde.
2. Die Vorsitzende der Bezirksversammlung wird gebeten, diese Missbilligung öffentlich zu machen.
3. Der Bezirksamtsleiter wird gebeten, sich bei den zuständigen Stellen dafür einzusetzen, dass begonnene und zukünftige Mietverhältnisse im Gebäude der Gedenkstätte „Denk.Mal Dokumentationszentrum Hannoverscher Bahnhof“ mit dieser im inhaltlichen Einklang stehen.
4. Sollte bis dahin der Vertrag immer noch bestehen, soll das Präsidium der Bezirksversammlung in angemessener Weise im Rahmen der Woche des Gedenkens auf die Missbilligung dieses Vertrages öffentlich hinweisen.
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