Das Dokumentationszentrum Hannoverscher Bahnhof (Antrag der SPD-, CDU- und FDP-Fraktion)
Letzte Beratung: 02.03.2021 Hauptausschuss Ö 7.5
Im geplanten Dokumentationszentrum Hannoverscher Bahnhof am Lohsepark in der Hafencity soll zukünftig über die Deportationen informiert und an die Deportierten während der Zeit des Nationalsozialismus erinnert werden. Der Lern- und Erinnerungsort entsteht in einem Gebäude, dessen Erdgeschoss ein Privateigentümer der Stadt für das Dokumentationszentrum überlässt, das aber auch für weitere Nutzungen Verwendung findet.
Bei der Vermietung von Flächen in unmittelbarer Nähe zu einem Gedenkort handelt es sich um einen sensiblen Vorgang. Aus diesem Grund hat die FHH – hier in Vertretung durch die Kulturbehörde – bereits beim Verkauf des Grundstücks mit dem Eigentümer eine vertragliche Vereinbarung geschlossen. In dieser Dauernutzungsvereinbarung verpflichtet sich der Eigentümer sinngemäß, nicht an Dritte zu vermieten, die in der öffentlichen Wahrnehmung und in der Wahrnehmung der Opfer des Nationalsozialismus im Konflikt mit den Dokumentationszentrum stehen und dem Zweck der Gedenkstätte abträglich sein können.
Wie den Presseberichten der letzten Wochen zu entnehmen war, trifft nun die Entscheidung des Eigentümers, Büroflächen an die Firma Wintershall Dea GmbH zu vermieten in Kreisen von Opferverbänden auf starkes Unverständnis. Laut MOPO Bericht vom 13.02.21 zeigt sich der Landesverband der Sinti und Roma Hamburg e.V. „entsetzt über den neuen Mieter“ und beklagt eine „unglaubliche(n) Unsensibilität gegenüber den Opfern des NS-Regimes.“ Zum Hintergrund: Das Unternehmen Wintershall Dea GmbH, bzw. deren Vorgänger, gehörten in der Zeit des Nationalsozialismus zu den Profiteuren der Kriegswirtschaft und haben Zwangsarbeiter eingesetzt und ausgebeutet. Dieses Kapitel der Unternehmensgeschichte hat Wintershall Dea in einer bei unabhängigen Historikern beauftragten und 2020 unter dem Titel „Expansion um jeden Preis. Studien zur Wintershall AB zwischen Kriese und Krieg 1929–1945“ erschienenen Untersuchung selbstkritisch anerkannt.
Der Hauptausschuss möge daher in Vertretung der Bezirksversammlung beschließen:
1. Die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte erkennt an, dass der geplante Einzug des Unternehmens Wintershall Dea GmbH in das Gebäude des Dokumentationszentrums Hannoverscher Bahnhof aufgrund der Vergangenheit der Vorgängerunternehmen im Nationalsozialismus bei den Verbänden ehemals im Nationalsozialismus Verfolgter und ihrer Angehörigen zu ernsten Irritationen geführt hat. In diesem Sinne sieht die Bezirksversammlung die Nutzungsbeschränkung der Vereinbarung zwischen der Behörde für Kultur und Medien (nachfolgend BKM) und dem Eigentümer als berührt an.
2. Gleichzeitig würdigt die Bezirksversammlung die kritische Auseinandersetzung des Unternehmens Wintershall Dea GmbH mit der eigenen Geschichte und der Verstrickung in den Nationalsozialismus.
3. Aus diesen Gründen bittet die Bezirksversammlung den Bezirksamtsleiter, auf die Kulturbehörde zuzugehen, um auf der Grundlage der vertraglichen Vereinbarung Gespräche mit dem Eigentümer und dem potenziellen Mieter zu führen, deren Ziel eine einvernehmliche Lösung vor Ort sein sollte, die den Bedenken der Verbänden und der städtischen Erinnerungskultur ebenso Rechnung trägt wie den eigentümer- und nutzerseitigen Interessen.
4. Dem federführenden Ausschuss für Musik, Kultur und Kreatives möge hierzu berichtet werden.
5. Des Weiteren regt die Bezirksversammlung an, dass die BKM mit dem Eigentümer einen Prozess entwickelt, wie die öffentlichen Belange (aus der Nutzungsbeschränkung) bei zukünftigen Vermietungen frühzeitig berücksichtigt werden können.
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