22-3575

Beirats- und Beteiligungsstrukturen in Hamburg-Mitte (Antrag der SPD-, CDU-, FDP- und GRÜNE-Fraktion)

Antrag öffentlich

Letzte Beratung: 31.01.2023 Hauptausschuss Ö 6.5

Sachverhalt

 

Der Bezirk Hamburg-Mitte praktiziert Bürgerbeteiligung in vielfältiger Weise und aus voller Überzeugung. Gerade die kontinuierliche Mitarbeit von Bürgerinnen und Bürgern an kommunalen Entscheidungen ist eine unverzichtbare Ergänzung zu der Arbeit in den bezirklichen Ausschüssen durch die gewählten Bezirkspolitiker. Die stark ausgeprägte, individuelle Herangehensweise, der im Bezirk Hamburg-Mitte bislang gefolgt wird, hat bisher zu gebietsverträglichen, nachhaltigen Prozessen und einer engen Verzahnung von Kommunalpolitik und Bürgerinteressen geführt. Vor diesem Hintergrund soll an dieser Art der Beteiligung auch zukünftig festgehalten werden. Andere Beteiligungsstrukturen, wie offene Veranstaltungsreihen oder Workshops, sind jedoch sinnvolle Ergänzungen, mit denen projektbezogen und kurzfristig auf stadtteilbezogene Fragestellungen reagiert werden kann.

 

Dieses Update zur Drucksache 20/9/13 setzt auf den bereits im Jahr 2013 interfraktionell beschlossenen Regelungen zu Beiräten und zur Verstetigung der aus der institutionellen Förderung gefallenen Beiratsstrukturen auf. Knapp 10 Jahre nach diesem Beschluss scheint es nun geboten, die damaligen Regelungen zu überprüfen bzw. den zwischenzeitlich gewachsenen Anforderungen anzupassen sowie neue Entwicklungen mit aufzunehmen. So ist beispielweise kritisch zu überprüfen, ob die auf eine langfristige Begleitung von stadtentwicklungspolitischen Prozessen ausgelegte Beiratsarbeit die richtige Antwort auf kurz- und mittelfristigen Herausforderungen bietet, oder ob für bestimmte Fragestellungen alternativen Formaten der Vorzug gegeben werden sollte. 

In diesem Zusammenhang sei ebenfalls auf die bereits beschlossene Drucksache 22-2026 „MITTEinander: Maßnahmenpaket für Transparenz und Beteiligung (Antrag der GRÜNE-, SPD-, CDU-, FDP und der Fraktion DIE LINKE)“ hingewiesen, die weitere Beteiligungsformate anregt.

 

1)      Beiratsstrukturen und Bürgerbeteiligung

 

Der Bezirk Hamburg-Mitte verfügt derzeit über mehrere Fördergebiete der Stadtteilentwicklung, in denen die programmatischen Grundlagen des Hamburgischen Rahmenprogramms Integrierte Stadtteilentwicklung (RISE) mit oder ohne Bundesförderung in verschiedenen Programmsegmenten Anwendung finden. Hiernach  wird jedes dieser Fördergebiete zunächst für einen bestimmten Zeitraum festgesetzt, in dem das Entwicklungskonzept umgesetzt werden soll und dieser Prozess wird von einem Beirat, dessen Größe und Zusammensetzung nach den Anforderungen des jeweiligen Fördergebiets variiert, begleitet. Mit dem Ende eines Förderzeitraums endet – so der Grundsatz – auch die Arbeit des Beirats. Die Erfahrungen, die der Bezirk Hamburg-Mitte mit auslaufenden Fördergebieten bereits gesammelt hat, zeigen, dass eine schrittweise Reduzierung der Beiratsunterstützung anstelle eines sofortigen Abschmelzens auf Null oft hilfreich ist. In diesem Sinne haben sich in vielen Quartieren verstetigte Beiratsstrukturen etabliert, die seit einigen Jahren verwaltungsseitig durch die Regionalbeauftragten des Bezirksamts unterstützt werden.

 

Auch bei knappen Ressourcen muss es möglich sein, bestehende Beiratsstrukturen zu verstetigen, wenn die örtlichen Quartiersstrukturen dies erfordern und der Beirat im Hinblick auf die für das Quartier politisch gesetzten Ziele und die verfolgten konkreten Entwicklungen förderlich erscheint. Mittelfristiges Ziel ist es jedoch, die verstetigten Beiratsstrukturen weitgehend selbsttragend zu gestalten, wenn die gesetzten Ziele erfüllt sind und die verfolgten konkreten Entwicklungen als abschlossen angesehen werden können. 

 

Die Bezirksversammlung kann entscheiden, für die Arbeit eines Beirats Gelder aus den ihr zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln einzusetzen. Bietet ein Quartier Aussicht auf weitestgehend selbsttragende Strukturen, soll dies entsprechend gefördert werden. Die finanzielle Unterstützung eines Beirats durch Dritte berechtigt diese nicht, auf die Inhalte der Beiratsarbeit Einfluss zu nehmen.

 

 

a)      Aufgaben und Struktur der Beiräte

 

Die Aufgabe aller Beiräte besteht darin, einzelne Projekte und stadtteilentwicklungspolitische Vorhaben in einem Quartier niedrigschwellig in der Planung und Umsetzung zu begleiten. Zur Aufgabenstellung von Beiräten gehört (wenn nicht durch gesetzliche Vorgaben anders bestimmt):

 

  • Die Begleitung von langfristigen Stadtentwicklungsprozessen, wie beispielsweise neuen stadtteilprägende Bauvorhaben oder Bebauungsplanverfahren
  • Die Begleitung von sozialräumlichen, grün- und freiräumlichen sowie verkehrlichen Themen, die im Zusammenhang mit diesen Bau- und Bebauungsplanverfahren stehen
  • Die Befassung sollte sich dabei auf die bezirklichen, d.h. unmittelbar stadtteilbezogenen Aspekte konzentrieren. Eine Befassung von übergeordneten Themenstellungen, die beispielsweise landes- oder bundespolitische Fragestellungen behandeln, steht nicht im Fokus von Beiratsberatungen
  • Dies gilt ebenfalls für die Empfehlungen des Beirats, die den bezirklichen Gremien zur politischen Beratung übermittelt und in diesem Zuständigkeitsrahmen bearbeitet werden

 

 

Dazu werden sie in die dafür erforderlichen Kommunikationsstrukturen eingebunden.

 

Beiräte können außer auf der Grundlage von Senatsdrucksachen und übergeordneten Programmen auch durch einen Beschluss der Bezirksversammlung eingesetzt oder die Weiterführung einer Bürgerbeteiligung nach Ende der Beiratslaufzeit beschlossen werden.

 

b)      Laufzeit:

 

  • Die Laufzeit eines durch einen Beschluss der Bezirksversammlung neu eingesetzten Beirats beträgt drei Jahre; bei besonderen örtlichen Erfordernissen kann sie länger bemessen werden.
  • Die Weiterführung einer Beteiligungsstruktur nach dem Ende einer Beiratslaufzeit durch Beschluss der Bezirksversammlung beträgt jeweils ein Jahr.

 

c)      Besetzung und Empfehlungsrecht:

 

Die in Hamburg-Mitte bestehenden Beiräte sollen sich in ihren Grundstrukturen ähneln. Hierbei sind folgende Grundsätze zu beachten:

 

  • Jeder Beirat benötigt eine ausgewogene Zusammensetzung aus den verschiedenen Akteuren vor Ort, in einem für das jeweilige Gebiet geeigneten Zuschnitt (z. B. Bewohner, Vereine, Gewerbetreibende, Institutionen, Grundeigentümer).
  • Als Richtwert für die Größe eines Beirats sollen 12 Personen zzgl. den Fraktionen gelten. Von diesen 12 Personen macht die Gruppe der Bewohner nach Möglichkeit mindestens 51% aus.
  • Die Politik beteiligt sich an den Beiräten.
  • Die Beiräte haben ein Empfehlungsrecht an die Bezirksversammlung, das grundsätzlich über den jeweils zuständigen Ausschuss ausgeübt wird. Aus sachlichen oder terminlichen Gründen können Beiratsempfehlungen in anderen Ausschüssen behandelt werden. Der federführende Ausschuss soll in diesen Fällen in seiner folgenden Sitzung Kenntnis bekommen.

 

d)      Verfahrensweisen:

 

Die Arbeit der Beiräte soll effektiv und transparent sein. Folgende Verfahrensweisen sind einzuhalten:

 

  • Die Beiräte tagen öffentlich. Alle im Plenum Anwesenden haben Rede- und Antragsrecht.
  • Jeder Beirat gibt sich eine Geschäftsordnung. Hierfür wird eine Mustergeschäftsordnung erstellt und vom zuständigen Ausschuss beschlossen. Die Geschäftsordnung definiert auch das Tätigkeitsfeld eines Beirats.
  • Die in einen Beirat gewählten oder für ihn benannten Personen sollen sich ihrer Verantwortung für das Quartier entsprechend kontinuierlich an den Sitzungen beteiligen.
  • Die RISE-Beiräte werden durch das zuständige Fachamt Stadt- und Landschaftsplanung inhaltlich und konzeptionell unterstützt. Das Fachamt gibt insbesondere zu übergeordneten und grundsätzlichen Fragestellungen seine Expertise ab, um den Beiräten eine fachliche Entscheidungsgrundlage zu geben.
  • Die verstetigten Beiräte werden durch die Regionalbeauftragten des Bezirksamts unterstützt.
  • Über Empfehlungen und Ersuchen, die der Beirat an einen Ausschuss der Bezirksversammlung oder eine sonstige Institution abgeben will, stimmt der Beirat ab. Abstimmungen erfolgen im Plenum (alle Anwesenden) und unter den stimmberechtigten Mitgliedern des Beirats. In den Vorlagen für den zuständigen Ausschuss der Bezirksversammlung wird zudem kenntlich gemacht, wie die Gruppe der anwesenden Fraktionsvertreter im Beirat abgestimmt hat.
  • Zuständig in diesem Sinne ist der jeweilige durch SL betreute Planungsausschuss für RISE-Beiräte (StaPla, Elbbrücken, etc.) bzw. der jeweilige Regionalausschuss für die verstetigten Beiräte.
  • Im Beirat wird über den Fortgang seiner Empfehlung oder seines Ersuchens berichtet.
  • Die Sitzungsergebnisse werden protokolliert. Die Protokolle sind öffentlich. Näheres bestimmt die Geschäftsordnung.

 

Bei einer Weiterführung bestehender Beteiligungsgremien müssen die Dauer und Intensität einer Nachsorgephase abhängig von der Größe und soziokulturellen Prägung des Gebiets, der Dauer der vorangegangenen Gebietsförderung und dem Grad der Zielerreichung auf Basis des Entwicklungskonzepts bestimmt werden. Zu berücksichtigen sind insbesondere:

 

  • Das Ziel selbsttragender Organisationsstrukturen eines Beirats, d. h. die Übernahme vollständiger Eigenverantwortung der Anwohnerinnen und Anwohner bzw. der weiteren Vertreter für ihr Quartier
  • Das Maß, in dem der Beirat zu der bisherigen positiven Entwicklung des Quartiers beigetragen hat
  • Die in dem Gebiet bereits verwirklichten Projekte
  • Der Umfang, in dem Projekte noch fortgeführt oder neu entwickelt werden sollen und auch in einem mittelfristigen Zeitraum umgesetzt werden können
  • Ein Verfügungsfonds kann weiterhin ein wichtiger Beitrag zur Unterstützung von Eigeninitiativen aus dem Quartier sein. Hierüber ist im Einzelfall zu entscheiden; auch vor dem Hintergrund der Finanzierbarkeit.

 

Dabei sollen insbesondere folgende Grundsätze berücksichtigt werden:

 

  • Eine Betreuung durch eine externe Geschäftsstelle (Entwicklungs-, Planungsbüros etc.) soll im Einzelfall fortgeführt werden.
  • Eine Unterstützung durch das Bezirksamt vor allem durch fachliche Expertise soll in angemessenem Umfang weiter bestehen.
  • Die weiter zu erbringenden Leistungen können aufgrund einer den Anforderungen des Einzelfalls entsprechenden Beauftragung durch das Bezirksamt in Abstimmung mit der Bezirksversammlung extern in Auftrag gegeben werden.

 

Maßgabe für jede Entscheidung hinsichtlich der Weiterführung einer Beteiligungsstruktur ist die dezidierte Vorlage eines durch den Beirat erarbeiteten Konzeptes. In diesem werden seine zukünftigen Aufgaben und Handlungsfelder definiert. Das einzureichende Konzept berücksichtigt alle vorgenannten Maßgaben, Grundsätze und Verfahrensweisen. Es dient als Beurteilungsgrundlage für den Beschluss der Bezirksversammlung und wird dieser durch den Beirat jeweils am Ende der aktuellen Beiratslaufzeit vorgelegt (i.d.R. zum Ende jeden Kalenderjahres).

 

Die Bezirksversammlung bzw. der zuständige Ausschuss beschäftigt sich vor dem Ende einer Beiratslaufzeit mit der Weiterführung eines Beteiligungsprozesses.

 

 

2)      Neue Formen der Beteiligung – quartiersbezogenen Micro-Workshops

 

 

a)      Aufgabe und Struktur:

 

 

Eine sinnvolle Ergänzung zu den auf langfristige Beteiligung angelegten Quartiersbeiräte können quartiers- und themenbezogenen Micro-Workshops sein. Mit diesen sollen über eine begrenzte Zeitspanne mit lokalen Akteure vor Ort (beispielsweise Bewohner:innen, Gewerbetreibende, etc.) Lösungen für konkrete Problemstellungen gefunden oder Fragen des Zusammenlebens im Quartier verhandelt werden. Hierbei kann es thematisch beispielsweise um verkehrliche, stadtentwicklungspolitische oder soziale Herausforderungen der Gegenwart oder aber um zukünftige Entwicklungen gehen.

 

Die Teilnahmemöglichkeit an den Micro-Workshops ist offen und niederschwellig zu organisieren. Es soll darauf geachtet werden, dass Partizipationsangebote für alle Altersgruppen inklusive Kindern, Jugendlichen, Jungerwachsenen, Berufstätigen sowie Senior:innen gemacht werden können. Insbesondere sollen Akteure aus Milieus angesprochen werden, die in den traditionellen Beiräten häufig wenig vertreten sind (z.B. migrantische Communities). Die konkreten Zielgruppen richten sich nach der jeweiligen Themenstellung.

 

b)      Verfahrensweisen:

 

Die Einsetzung von Micro-Workshops erfolgt über den Beschluss der Bezirksversammlung, die Einbindung in den politischen Prozess erfolgt über die jeweils zuständigen Regionalausschüsse – erarbeitete Konzepte und Empfehlungen wird diesen zur weiteren Beratung vorgelegt. Die Finanzierung von Micro-Workshops erfolgt über bezirkliche Sondermittel.

 

 

 

Petitum/Beschluss

Der Hauptausschuss wird um Beschlussfassung gebeten.

 

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