22-3691

Anpassung der Geschäftsordnung der Bezirksversammlung für digitale / hybride Sitzungsmodelle

Vorlage öffentlich

Bera­tungs­reihen­folge
Gremium
TOP
20.04.2023
Sachverhalt

 

Mit dem Gesetz zur Erleichterung der bezirklichen Gremienarbeit vom 27.04.2022 können Bezirksversammlungen und ihre Ausschüsse unter bestimmten Voraussetzungen weiter digital und (neu) hybrid tagen. Für beide Modelle ist eine Formulierung in der Geschäftsordnung erforderlich.

Grundmodell ist und bleibt die Präsenztagung mit ihren Möglichkeiten zum Austausch und Diskurs. Digitale und Mischformate bieten jedoch über die Sicherstellung des reinen Sitzungsbetriebs hinaus auch Chancen für einen inklusiveren Politikbetrieb, da die ehrenamtliche Tätigkeit in der Bezirkspolitik so leichter mit den unterschiedlichen Lebensumständen der Bezirksversammlungs- und Ausschussmitglieder zu vereinbaren ist.

Die Regelungen finden Anwendung auf die Bezirksversammlung und die bezirklichen Ausschüsse. Erfasst sind auch die Jugendhilfe-Ausschüsse, vgl. § 16 Abs. 5 BezVG i. V. m. § 8 Abs. 4 AGSGB VIII. Bezirkliche Beiräte sind von der Regelung nicht erfasst.

 

 

Vorprüfung einzelner Fragen

 

An das Bezirksamt wurde die Frage herangetragen, ob Gremien, die ohnehin unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen, komplett digital stattfinden können. Konkret wurde der Bauausschuss als mögliches digital tagendes Gremium genannt.

Ergebnis: Regelhaft oder ausschließlich digitale Sitzungen des Bauausschusses sind nicht mit § 13 Abs. 4 BezVG und der Gesetzesbegründung vereinbar. Der Gesetzgeber wollte digitale Sitzungen auf Einzelfälle beschränken, weil er Präsenzsitzungen nach wie vor als Regelfall ansieht. Dies gilt ausschussbezogen.

Vor diesem Hintergrund kann der Bauausschuss maximal 5 der 12 Sitzungen im Jahr digital durchführen. Gremien mit 10 Sitzungen im Jahr können maximal 4-mal digital tagen.

 

Zusätzlich wurde die Idee geäußert, dass stimmberechtigte Mitglieder „in Präsenz“ teilnehmen, alle anderen können digital dazugeschaltet werden.

Ergebnis: Eine pauschale Präsenzpflicht für die stimmberechtigten Ausschussmitglieder stünde in Konflikt mit dem Anliegen des Gesetzgebers, der das ehrenamtliche politische Engagement erleichtern und die Vereinbarkeit mit Beruf, Familie etc. verbessern wollte. Stimmberechtigte Ausschussmitglieder hätten somit stets das Nachsehen. Im Übrigen ist die Orientierungshilfe hier sehr deutlich, dass die Ausübung des Stimmrechts auch digital unbedingt ermöglicht werden muss. Vor diesem Hintergrund kann das nicht in die Geschäftsordnung einfließen - den Fraktionen bleibt es aber überlassen, fraktionsinterne Absprachen zu treffen.

 

Zur Frage, ob Ausschussvorsitzende über das Stattfinden digitaler Sitzungen (z.B. bei widrigen Witterungsverhältnissen) entscheiden, wird Folgendes ausgeführt:

Die Entscheidung über die Sitzungsdurchführung in digitaler Form liegt allein beim Ausschuss. Weder § 13 Abs. 4 BezVG noch die Orientierungshilfe sehen eine Entscheidungskompetenz der/des Ausschussvorsitzenden vor. Bereits der Wortlaut des § 13 Abs. 4 BezVG überträgt die Entscheidung ausdrücklich den „Ausschüsse[n] der Bezirksversammlung“. Und auch die Gesetzessystematik spricht für eine Entscheidung allein durch den Ausschuss. Der Gesetzgeber kannte das Problem widriger äußerer Umstände, das er in § 13 Abs. 3 BezVG explizit geregelt hat. Selbst in „Fällen, in denen die Durchführung der Sitzungen an einem Ort aufgrund äußerer, nicht kontrollierbarer Umstände erheblich erschwert ist“, legt der Gesetzgeber die Entscheidungskompetenz nicht in die Hand des Vorsitzenden, sondern erlaubt lediglich ein schriftliches oder elektronisches Beschlussverfahren des Ausschusses (§ 13 Abs. 3 Satz 3 BezVG). Eine Entscheidung des Vorsitzenden dürfte im Rahmen des § 13 Abs. 4 BezVG z.B. bei bloßen widrigen Witterungsbedingungen erst recht nicht in Betracht kommen. Dass der Vorsitzende im Rahmen des § 13 Abs. 4 BezVG nicht entscheiden darf, zeigt überdies auch ein Umkehrschluss aus § 13 Abs. 6 Satz 2 BezVG, wo der Gesetzgeber die Entscheidung über die digitale Sitzungsteilnahme einzelner Personen – nachrangig – dem Vorsitzenden zugewiesen hat. Der Gesetzgeber normiert Entscheidungsbefugnisse des Vorsitzenden also ausdrücklich, wenn er sie denn vorsehen will. Das ist in § 13 Abs. 4 BezVG aber gerade nicht geschehen. (Ergänzender Hinweis: Eine analoge Anwendung des § 13 Abs. 3 Satz 3 BezVG in den Fällen des § 13 Abs. 4 BezVG scheidet aus, weil der Gesetzgeber nur den § 13 Abs. 3 Satz 4 BezVG für entsprechend anwendbar erklärt hat (§ 13 Abs. 4 Satz 2 BezVG)).

Kurzfristige Ereignisse wie spontan auftretende „widrige Witterungsverhältnisse“ dürften de facto selten den Anlass für eine digitale Sitzung geben, weil der Ausschuss in einer Präsenzsitzung über das digitale Format einer künftigen Sitzung entscheiden müsste, ohne die Witterungsbedingungen zum Zeitpunkt der künftigen Sitzung vorhersehen zu können.

 

 

 

Konkreter Formulierungsvorschlag für die Geschäftsordnung

 

Nach Abschluss der Vorprüfungen wurde von der Vorsitzenden der Bezirksversammlung der folgende Formulierungsvorschlag eingereicht:

 

 

§ 5a Präsenz-, digitale und hybride Sitzungen

 

(1)

In Fällen, in denen die Durchführung der Sitzungen an einem Ort aufgrund äußerer, nicht kontrollierbarer Umstände erheblich erschwert ist, kann die Bezirksversammlung für ihre Sitzungen und die Sitzungen der nach § 15 Absatz 2 BezVG eingesetzten Hauptausschüsse die Durchführung mittels einer Telefon- oder Videokonferenz beschließen.

Unter den Voraussetzungen von Satz 1 können auch die Ausschüsse für ihre Sitzungen die Durchführung mittels einer Telefon- oder Videokonferenz beschließen.

Die Beschlüsse nach den Sätzen 1 und 2 können im schriftlichen oder elektronischen Beschlussverfahren gefasst werden.

Die Teilnahmemöglichkeit der Bezirksversammlungs- oder Ausschussmitglieder an Telefon- oder Videokonferenzen sowie die der Öffentlichkeit an öffentlichen Sitzungen ist zu gewährleisten.

 

(2)

Die Ausschüsse der Bezirksversammlung, mit Ausnahme des Hauptausschusses, können beschließen, dass einzelne ihrer Sitzungen mittels einer Telefon- oder Videokonferenz durchgeführt werden. Diese Fälle können beispielsweise eintreten, wenn eine Sitzung zu Tagesrandzeiten stattfindet oder sich die Sitzung in der Ferienzeit befindet. Bei Eintritt unvorhersehbarer Ereignisse wie etwas Streiks im öffentlichen Nahverkehr oder widrigen Witterungsverhältnissen kann das vorsitzende Mitglied in Abstimmung mit den Fachsprechern der Fraktionen über die Durchführung mittels einer Telefon- oder Videokonferenz entscheiden.

 

(3)

Die Bezirksversammlung und ihre Ausschüsse können beschließen, dass Angelegenheiten unter der Voraussetzung von Absatz 1 Sätze 1 und 2 im schriftlichen oder elektronischen Beschlussverfahren behandelt werden. Dieser Beschluss kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Sätze 1 und 2 im schriftlichen oder elektronischen Beschlussverfahren gefasst werden.

Den Mitgliedern der Bezirksversammlung oder des Ausschusses ist die jeweilige entsprechende Vorlage einschließlich einer Fristsetzung für Rückäußerungen schriftlich oder elektronisch zu übermitteln.

Die Frist beträgt mindestens zwei Werktage. Rückäußerungen haben schriftlich oder elektronisch zu erfolgen. Im Falle einer nicht fristgemäßen Rückäußerung gilt dies als Ablehnung der Vorlage.

Die oder der Vorsitzende der Bezirksversammlung oder des Ausschusses informiert die Mitglieder über das Ergebnis des schriftlichen oder elektronischen Umlaufverfahrens in der nächsten Sitzung.

 

(4)

In öffentlichen Präsenzsitzungen der Bezirksversammlung und ihrer Ausschüsse können sachkundige Personen, Betroffene und die Öffentlichkeit über Telefon- oder Videokonferenztechnik zugeschaltet werden. In öffentlichen Präsenzsitzungen der Ausschüsse, mit Ausnahme des Hauptausschusses, kann dies auch einzelnen Mitgliedern und ständigen Vertretungen ermöglicht werden. Die Entscheidung hierüber trifft das vorsitzende Mitglied nach pflichtgemäßem Ermessen, sofern nicht die Bezirksversammlung beziehungsweise der Ausschuss selbst darüber einen Beschluss gefasst hat.

Entscheidungskriterien können beispielsweise gesundheitliche Einschränkungen oder berufliche oder familiäre Verpflichtungen sein, die eine Teilnahme in Präsenz erheblich erschweren. Der Charakter einer Präsenzsitzung muss erhalten bleiben, das heißt die Mehrheit der teilnehmenden Mitglieder muss in Präsenz anwesend sein.

 

(5)

Auf Wahlen und die konstituierende Sitzung der Bezirksversammlung und ihrer Ausschüsse finden die Verfahren der Absätze 1 bis 4 keine Anwendung.

 

 

Hinweise und praktische Umsetzung

 

Digitale Sitzungen

 

Der Ausschuss beschließt gemäß der Geschäftsordnung über das Stattfinden einzelner Sitzungen im digitalen Format. Der Ausschuss kann dies auch für mehrere Sitzungen im Voraus beschließen, wenn absehbar ist, dass die Bedingungen, die dies rechtfertigen, vorliegen.

 

Die Bezirksämter verfügen über ein neues Konferenztool. Es handelt sich um die Dataportlösung dOZ (dataport Online Zusammenarbeit), die auf der Open Source Lösung Jitsi basiert.

Informationen sind unter https://sitzungsdienst-hamburg-mitte.hamburg.de/bi/konferenz.asp zu finden.

 

Voraussetzung ist das Vorhandensein eines PCs bzw. Laptops. Weitere mobile Endgeräte wie Smartphones und Tablets werden nach und nach ermöglicht.

 

Folgende Systemanforderungen sind seitens der Nutzerinnen und Nutzer sicherzustellen:

  • Verwendung eines Chromium basierten Browsers wie z.B.: Microsoft Edge, Opera oder Google Chrome (die Nutzung anderer Internet-Browser wie Mozilla Firefox oder Safari führt in der Regel zu Funktionalitätseinschränkungen)
  • Stabile Internetverbindung
  • Auswahl der richtigen Kamera und ggf. des richtigen Headsets in den Browsereinstellungen

 

Sollte eine Einwahl in die Videokonferenz nicht möglich sein, besteht die Möglichkeit, telefonisch an der Sitzung teilzunehmen.

 

 

Hybride Sitzungen

 

Der Ausschuss beschließt bzw. der/die Ausschussvorsitzende entscheidet gemäß der Geschäftsordnung über das Hinzuschalten einzelner Personen auf digitalem Wege. Die Sitzung selbst findet im Bezirksamt oder anderen Räumlichkeiten statt.

 

Die technischen Voraussetzungen müssen genauso wie bei digitalen Sitzungen gegeben sein.

 

Für hybride Tagungen wird vorgeschlagen, dass die Ausschussvorsitzenden bzw. stellvertretenden Vorsitzenden eigene Laptops mitbringen. Das hat den Vorteil, dass sich die Person am eigenen Gerät gut auskennt.

Die digitalen Teilnehmenden werden über Leinwände / TV-Bildschirme übertragen. Für die Tonübertragung wird ein Konferenzspeaker aufgestellt.

 

Für größere bzw. öffentlichkeitswirksame Sitzungen ist diese Technik nicht geeignet und es wird (externes) Fachpersonal benötigt.

 

 

Beschlussfassung in digitalen oder hybriden Sitzungen

 

Das digitale Konferenztool dOZ verfügt über ein Abstimmungstool. Das Bezirksamt empfiehlt, das Abstimmungstool aus folgenden Gründen nicht zu nutzen: Alle Ausschussmitglieder müssen eingepflegt und stetig aktualisiert werden. Außerdem sind alle Tagesordnungspunkte in das Tool einzugeben. Spontane Änderungsanträge und kurzfristig eingereichte Anträge betrifft dies ebenso. Hierfür ist sowohl eine Vorab-Leistung als auch eine Sitzungsbegleitung einer zusätzlichen Person notwendig.

Die Abstimmung selbst muss für jeden einzelnen Tagesordnungspunkt vorgenommen werden. Bisher praktizierte en bloc-Abstimmungen sind nicht möglich.

Für jede Abstimmung ist eine Mindestdauer von einer Minute eingestellt. Dies kann sich bei TOPs ohne Wortbeiträge sehr zögerlich für den Sitzungsverlauf auswirken.

 

Vor diesem Hintergrund wird vorgeschlagen, dass sich die Fraktionen auf ein einfaches Abstimmungsverfahren einigen.

Beispielsweise können in digitalen Sitzungen vorab Sprecher:innen bestimmt werden, die das Abstimmungsergebnis für die Fraktion bekannt geben.

Bei hybriden Sitzungen sollte am Anfang einer Sitzung ermittelt werden, welche stimmberechtigten Mitglieder in Präsenz und welche digital teilnehmen. Dieser digital teilnehmende Personenkreis wird bei Abstimmungen separat abgefragt. Digital dazugeschaltete stimmberechtigte Mitglieder können die Stimmabgabe per Chat vornehmen.

In Einzelfällen kann von diesem Vorgehen abgewichen werden.

 

 

 

 

 

Petitum/Beschluss

Um Beratung und Beschlussfassung über die Ergänzung um § 5a der Geschäftsordnung der Bezirksversammlung wird gebeten.