21-1855

Ziele und Maßnahmen des Gesundheitsamtes des Bezirks Eimsbüttel hinsichtlich der Bekämpfung der Covid19-Pandemie

Große Anfrage gem. § 24 BezVG

Sachverhalt

23.03.2021

Lfd. Nr. 100 (21)

 

Große Anfrage nach § 24 BezVG der Bezirksversammlung Eimsbüttel – Fraktion DIE LINKE

 

Ziele und Maßnahmen des Gesundheitsamtes des Bezirks Eimsbüttel
hinsichtlich der Bekämpfung der Covid19-Pandemie

 

Die Große Anfrage wird wie folgt beantwortet:

 

 

 

Vorbemerkung:

Die Große Anfrage ist zu Beginn des „Lockdown light“, als sich die Covid-19 Fallzahlen im exponentiellen Anstieg befanden, im Gesundheitsamt Eimsbüttel eingegangen. Die Leiterin des Gesundheitsamts Eimsbüttel hat im Hauptausschuss jeweils zeitnah über die Entwicklung der Pandemie im Bezirk Eimsbüttel informiert.

 

Auf Nachfrage hat die Fraktion DIE LINKE erklärt, dass sie gleichwohl eine schriftliche Antwort auf die Große Anfrage erwartet. Diese wird hiermit nachgereicht und aus der zeitlichen Perspektive März 2021 beantwortet.

 

Sachverhalt:

Ein neuartiges Virus trifft auf eine nach wie vor schlecht vorbereitete Gesellschaft und dies weltweit. Aktuell heißt die Krankheit, an der weltweit die meisten Menschen erkranken, Covid19. Diese Krankheit führt bei bester medizinischer Versorgung zu einer wesentlich höheren Sterblichkeit als eine „normale Grippe“. Bei einem überforderten Gesundheitssystem erhöht sich die Sterblichkeit sprunghaft. Es gibt zurzeit keine spezifischen Medikamente und keine Impfung.

Die Neuartigkeit des Virus, die schlechte Vorbereitung und das Ausmaß der Pandemie erfordern Lernen im Prozess der Bewältigung der Krise von allen Beteiligten: Lernen zur Natur der Erkrankung, der Pandemie, zu den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Folgen.

Wie der Begriff Pandemie andeutet, verlaufen alle Prozesse systemisch, haben alle Aktivitäten und das Infektionsgeschehen selbst gesellschaftlich vermittelte Folgen.

Allem Handeln zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie sollte unter anderem die
Prämisse “Möglichst wenig Tote” unterlegt werden.

 

1. Zu Beginn des Shutdowns formulierte der Hamburgische Erste Bürgermeister das Ziel, die Krankenhäuser nicht wie anderenorts in Europa zu überlasten.

 

2. Das RKI spricht von gefährlichen Settings hinsichtlich der Ausbreitung der Pandemie wie z.B. Pflegeheime oder Flüchtlingsunterkünfte.

Das dürften in den kommenden Monaten nicht die einzigen Gefahrenherde / ‘Hotspots’ sein.

 

3. Verschiedene Bevölkerungsgruppen / Zielgruppen und Hotspots sollten mit jeweils adäquaten, verschiedenen Maßnahmen betreut werden. Bekannt sind Maßnahmen wie Contact-Tracing und Quarantäne zur Eindämmung von Ausbrüchen.

Denkbar sind aber auch weitere Maßnahmen, z.B. aus dem Bereich der Public Health Policy.

 

4. Im Verlauf der sog. ‘Ersten Welle’ stieß die Personalkapazität des Eimsbütteler Gesundheitsamtes  schnell an ihre Grenzen, so dass weiteres Personal angestellt werden musste, bzw. andere Abteilungen des Bezirksamtes durch Vertretungstätigkeiten bis zur eigenen Handlungsunfähigkeit im Gesundheitsamt aushelfen mussten.

 

5. Zur Pandemie-Bekämpfung sind nicht nur medizinisches Fachpersonal (Ärzt*innen) und ‘Telefonpersonal’ zum Contact-Tracing erforderlich. Für die Durchführung z.B. von Gesundheitskonferenzen im Sinne von Public Health wären auch qualifizierte Mitarbeiter*innen zur Konzept-Erarbeitung und/oder Organisation von Erfahrungsaustauschen und Maßnahmen-Entwicklung nötig.

 

6. Verschiedene Ziele, Maßnahmen und Infektionszahl-Entwicklungen erfordern unterschiedliche Ressourcenkapazitäten. Diese müssten den Anforderungen entsprechend u.U. kurzfristig angepasst werden.

 

7. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat 5.000 zusätzliche Stellen (VZÄ) für bundesdeutsche Gesundheitsämter bewilligt. Aus diesem Verfügungsfonds könnten weitere Personalressourcen für Eimsbüttel generiert werden. Rein rechnerisch, gemessen an der Einwohnerzahl des Bezirks Eimsbüttel, stünden dem Gesundheitsamt 16 VZÄ zu. DIE LINKE. Fraktion in der Bezirksversammlung Eimsbüttel hält 20 VZÄ für notwendig.

 

8. In Hamburg wird seit Tagen der Inzidenzwert von 50 überschritten. Es gibt einen Beschluss der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsident*innen, dass nach Überschreiten dieses Wertes pro 15.000 Einwohner*innen jeweils ein Fünferteam des Gesundheitsamtes zusammengestellt wird, um Infektionsketten zu verfolgen und Ausbrüche zu bekämpfen.

 

9. Beim Contact-Tracing und bei der Eindämmung von Ausbrüchen wird auch mit Angst, Kontrolle und Bestrafung gearbeitet. Angst als Strategie zur Durchsetzung des Shutdowns wird ausdrücklich in dem vertraulichen Strategiepapier des Bundesinnenministeriums gefordert.

 

10. Auch in behördlichen Strukturen ist das Arbeiten nach modernen Regeln des Qualitätsmanagements nicht unüblich und gerade bei so großen Herausforderungen wie der COVID19-Pandemie ist eine systematische Vorgehensweise ausgesprochen notwendig.

 

Vor diesem Hintergrund frage ich:

 

  1. Welche konkreten Ziele hat sich das Gesundheitsamt des Bezirks Eimsbüttel zur Bekämpfung der Covid19-Pandemie gesetzt?

 

Das Gesundheitsamt Eimsbüttel richtet sich bei der Bekämpfung der Covid19-Pandemie nach den einschlägigen Vorgaben der Gesundheitspolitik und des Robert-Koch-Instituts.

Dabei war in und nach der 1. Welle das Ziel, die Fallzahlen umfassend zu senken und niedrig zu halten. Dieses wurde erreicht, da es vom 16.5.2020 bis zum 4.6.2020 im Bezirk Eimsbüttel keine neuen Covid19-Fälle gab.

Derzeit besteht das Ziel darin, bei den geplanten vorsichtigen Schritten aus dem Lockdown und in Anbetracht des zunehmenden Vorkommens von besorgniserregenden Virusvarianten (VoC variants of concern) die derzeit wieder steigenden Fallzahlen einzudämmen und perspektivisch zu senken, um das Gesundheitswesen nicht zu überlasten und Sterbefälle an oder mit SARS-CovV-2 zu vermeiden.

 

  1. Welchen Bevölkerungsgruppen (Zielgruppen) gilt aktuell die besondere Aufmerksamkeit?

 

Seit Beginn der Pandemie hat die besondere Aufmerksamkeit immer den vulnerablen Gruppen gegolten. In erster Linie gehören dazu Pflegeheimbewohner*innen und ältere Menschen sowie Menschen mit Vorerkrankungen. Ein besonderes Augenmerk ist aber auch auf Menschen gerichtet, die sich aufgrund schwieriger Arbeits- und Lebensverhältnisse u.U. nicht ausreichend vor dem Virus schützen können.

Im Verlauf der Pandemie sind aber auch die sekundären gesundheitlichen Folgen der Kontaktbeschränkungen zunehmend in den Blick gerückt, insbesondere die Auswirkungen der Isolation für die älteren Mitbürger*innen und die mangelnden Kontaktmöglichkeiten in Kita und Schule für Kinder und Jugendliche.

 

  1. Welche Maßnahmen führt das Gesundheitsamt - auch zielgruppenspezifisch - durch oder plant es durchzuführen, um seine Ziele entsprechend 1. zu erreichen?

 

Das Gesundheitsamt Eimsbüttel führt weiterhin alle notwendigen Maßnahmen der Kontaktnachverfolgung (KNV) durch und ist zusätzlich bemüht, seinen Regelbetrieb sukzessive wieder voll aufzunehmen, um alle von ihm erwarteten Public Health Aufgaben wahrzunehmen, insbesondere im Kinder- und Jugendgesundheitsdienst, im Kommunalen Gesundheitsförderungsmanagement und bei den Gesundheitshilfen wie im Sozialpsychiatrischen und Jugendpsychiatrischen Dienst.

 

  1. Über welche personellen und sachlichen Ressourcen verfügt das Gesundheitsamt, um seine Maßnahmen zur Zielerreichung durchführen zu können? Ist ein Stellenausbau geplant?

 

Dem Gesundheitsamt Eimsbüttel stehen für die KNV aktuell insgesamt rund 97 VZÄ zur Verfügung. Diese Anzahl ist über einen Stellenausbau in den letzten Monaten erreicht worden. 15,5 VZÄ sind aus der Amtshilfe der Bundeswehr und 4,5 VZÄ Unterstützung durch MDK-Kräfte.

 

Wenn ja, in welcher Form, welchem sachlichen und personellen Umfang und welchem Zeitrahmen?

 

Es wurden 10 Planstellen, befristet für 2 Jahre ab Stellenbesetzung sowie 35 KNV-Stellen, befristet bis 31.12.2021 bewilligt.

 

  1. Welche fachlichen Qualifikationen haben die Mitarbeiter*innen des Gesundheitsamtes, die mit der Pandemiebekämpfung betraut sind? Und welche würden zusätzlich benötigt?

 

Mit der Pandemiebekämpfung sind Ärztinnen und Ärzte, Krankenpflegepersonal/medizinische Fachangestellte sowie Verwaltungskräfte betraut. Je 2 ausgeschriebene Stellen für Gesundheitsaufseher und Gesundheitsingenieure konnten bisher mangels geeigneter Bewerber*innen nicht besetzt werden.

 

  1. Nach welchen Kriterien passt das Gesundheitsamt seine Ressourcen an die jeweilige aktuelle Infektionslage wie an und mit welchen spezifischen Hysteresen ist zu rechnen?

 

Aufgrund der dynamischen Lage wird das vorhandene Personal je nach Bedarf in unterschiedlichen Teams eingesetzt. Da die Anwerbung neuen Personals immer einen zeitlichen Vorlauf hat, musste in der Vergangenheit immer wieder Stammpersonal des Gesundheitsamts in die KNV eingesteuert werden unter Einschränkung von anderen gesetzlichen Aufgaben.

 

Welche Faktoren bremsen oder verhindern evtl. notwendige Anpassungen.

 

Keine. Allerdings ist die Dynamik der Pandemie für alle Mitarbeiter*innen des Gesundheitsamts in hohem Maße herausfordernd.

 

  1. Wie viele Stellen aus dem Spahnschen 5.000er-’Topf’ benötigt das Bezirksamt Eimsbüttel aus Sicht des Gesundheitsamtes und wie kann es diese Anträge begründen? Wird das Gesundheitsamt bzw. die Bezirksamtsleitung Stellen aus diesem Fonds beantragen? Wenn nein, warum nicht?

 

Die Unterstützungsmaßnahmen des Bundes werden in Hamburg zentral über die Sozialbehörde/ Amt G angefordert und in Abstimmung über den Federführer Altona verteilt. Hierzu liegen noch keine Ergebnisse vor.

 

  1. Wie viele zusätzliche Stellen sind bereits im Gesundheitsamt Eimsbüttel in diesem Monat wegen der aktuellen Inzidenzwert-Überschreitung geschaffen worden, um den aktuellen und zukünftigen Anforderungen nachzukommen? Aus welchen Quellen speisen sich eventuelle zusätzliche Personalressourcen, bezirksamtsextern wie auch aushilfsweise aus anderen Abteilungen des Bezirksamtes?

 

In den Monaten Januar bis März 2021 konnten 9,5 Stellen zusätzlich geschaffen und nach einer Ausschreibung von extern besetzt werden.

 

  1. Halten sie weitere Ansätze (wenn ja, welche) für sinnvoll, die z.B. auf einen Zusatznutzen für bestimmte besonders gefährdete Zielgruppen (RKI: “Settings”) setzen, um sie aktiv zur Mitarbeit beim Infektionsschutz zu bewegen?

 

Das Gesundheitsamt Eimsbüttel geht davon aus, dass ein Jahr nach Beginn der Pandemie und viele Monate nach Beginn des jetzigen Lockdowns besondere Anstrengungen erforderlich sind, um die Bevölkerung insgesamt und bestimmte Zielgruppen im Besonderen weiterhin zur Mitarbeit bei der Bekämpfung der Pandemie zu motivieren. Das kommunale Gesundheitsförderungsmanagement sucht zusammen mit dem Projekt „Gesund in Eimsbüttel“ hierfür nach innovativen corona-tauglichen Strategien.

 

  1. Welchen Ansatz eines Qualitätsmanagements verfolgt das Gesundheitsamt, um hinsichtlich der Bekämpfung der Pandemie Zielerreichung, Maßnahmen und erwartete und nicht erwartete Effekte zu steuern?

 

Die Bekämpfung der Pandemie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das Gesundheitsamt kann mit seinem Instrumentarium insoweit nur einen Beitrag zur Zielerreichung leisten, diese aber nicht garantieren, da es weitere Einflussfaktoren außerhalb der Steuerungsmöglichkeit des Gesundheitsamts gibt. Die vom Gesundheitsamt durchgeführten Maßnahmen werden standardisiert anhand der gesetzlichen Vorgaben, der Handreichungen des Robert-Koch-Instituts und der Vorgaben der Sozialbehörde in hoher Qualität durchgeführt.

 

  1. Welche aktive Unterstützung von Institutionen der Zivilgesellschaft nutzt das Gesundheitsamt, um seine formulierten Ziele zu erreichen?

 

Im Rahmen der Pandemiebekämpfung ist das Gesundheitsamt mit vielen Institutionen der Zivilgesellschaft in Kontakt und nutzt diese um Verständnis für die erforderlichen Maßnahmen zu schaffen. Darüber hinaus hält das Kommunale Gesundheitsförderungsmanagement zusammen mit dem Projekt „Gesund in Eimsbüttel“ den Kontakt zu zivilgesellschaftlichen Austauschforen soweit die aktuellen Kontaktbeschränkungen dies erlauben.

 

  1. Welche Unterstützung wünscht sich das Gesundheitsamt von den politischen Parteien respektive den Fraktionen in der Bezirksversammlung Eimsbüttel als Teil der Zivilgesellschaft hinsichtlich der Pandemiebekämpfung?

 

Das Gesundheitsamt erwartet eine Unterstützung dahingehend, dass der Öffentliche Gesundheitsdienst mit seinen wichtigen Aufgaben für die Gesundheit und das Wohlergehen der Bevölkerung dauerhaft personell und sächlich (z.B. Ausstattung mit digitaler Hard- und Software) gestärkt wird. Die vor der Pandemie zur Verfügung stehenden Ressourcen sind dafür nicht ausreichend.

 

Petitum/Beschluss

ohne

 

Anhänge

keine