Wie gut sind Frauen und Mädchen im Bezirk Eimsbüttel geschützt? Straftaten gegen Frauen und Mädchen steigen in allen Bereichen
20.01.2025
Lfd. Nr. 19 (22)
Anfrage nach § 27 BezVG der Mitglieder der Bezirksversammlung Eimsbüttel, Ines Schwarzarius, Ina Dinslage, Alica Huntemann, Armita Kazemi, Kordula Leites und Ann-Kathrin Riegel (SPD-Fraktion)
Wie gut sind Frauen und Mädchen im Bezirk Eimsbüttel geschützt? – Straftaten gegen Frauen und Mädchen steigen in allen Bereichen
Die Anfrage wird – von der Behörde für Inneres und Sport – wie folgt beantwortet:
Vorbemerkung:
Die Polizei erfasst Straftaten gemäß dem Straftatenkatalog der bundeseinheitlichen Richtlinien für die Erfassung und Verarbeitung der Daten in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Die statistische Erfassung eines Falles erfolgt nicht bei Eingang einer Strafanzeige, sondern erst mit Abschluss aller polizeilichen Ermittlungen durch die für die Endbearbeitung zuständige Dienststelle bei endgültiger Abgabe der entstandenen Ermittlungsvorgänge bzw. des Schlussberichts an die Staatsanwaltschaft oder das Gericht. In der PKS wird ein Fall in dem Monat gezählt, in dem er erfasst wurde. Die Tatzeit bleibt dabei unberücksichtigt und wird nicht in der PKS ausgewertet. Somit sind in der PKS eines Kalenderjahres regelmäßig Straftaten enthalten, die ein oder mehrere Jahre zuvor begangen wurden, während Straftaten mit Tatzeit aus dem aktuellen Kalenderjahr aufgrund der laufenden Ermittlungen noch nicht erfasst wurden. Die PKS kann Anhaltspunkte zum Beispiel für die kriminalpolitische Ausrichtung oder die Planung/Anpassung präventiver Maßnahmen liefern. Für die Erkennung aktueller Brennpunkte oder Problemlagen sowie die Planung kurzfristiger lageangepasster Maßnahmen der Polizei ist sie hingegen ungeeignet.
Fälle werden in der PKS nicht nach dem Geschlecht oder der Beziehung zum ermittelten Tatverdächtigen der Opfer klassifiziert. Ersatzweise wird nachfolgend die Anzahl der Opferwerdungen für die jeweils erfragten Delikte dargestellt. Die Anzahl kann nicht in Relation zu den Fallzahlen gesetzt werden, da mehrere Opfer zu einem Fall erfasst worden sein können. Zu berücksichtigen ist, dass eine Person, die im Laufe eines Jahres mehrfach Opfer von Straftaten geworden ist, auch mehrfach erfasst wird.
Daten zu Opfern werden in der PKS nur bei Delikten erfasst, für die im Straftatenkatalog eine Opfererfassung vorgesehen ist. Nach der bundeseinheitlich geltenden PKS-Richtlinie betrifft dies grundsätzlich Delikte gegen höchstpersönliche Rechtsgüter (Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit, Ehre, sexuelle Selbstbestimmung). Die Berechnung erfolgt in der PKS standardisiert nur für Hamburg gesamt. Für die Bezirks- und Stadtteilebene sind Sonderauswertungen erforderlich, die aus technischen Gründen nur für das aktuelle und das vorangegangene Jahr durchgeführt werden können. Opferzahlen für das Jahr 2022 liegen deshalb nicht vor.
Die Anzahl der Opferwerdungen in Fällen von häuslicher Gewalt bzw. Partnerschaftsgewalt wird anhand der PKS-Schlüssel „Gewaltkriminalität“ und „Vorsätzliche einfache Körperverletzung“ dargestellt.
Die Darstellung der Fälle von digitaler Gewalt erfolgt auf Grundlage der Erfassung des Tatmittels Internet/IT-Geräte für die PKS-Schlüssel 131000 (sexueller Missbrauch von Kindern), 133000 (sexueller Missbrauch von Jugendlichen, 232200 (Nötigung), 232300 (Bedrohung) und 232400 (Nachstellung/Stalking). Auch hier liegen aus einer PKS-Sonderauswertung nur Zahlen für das Jahr 2023 vor.
Dies vorausgeschickt, beantwortet die Polizei die Fragen wie folgt:
Sachverhalt
Gewalt gegen Frauen nimmt in Deutschland weiter zu. Das zeigt das Lagebild „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten 2023“. Das Lagebild, das in dieser Form erstmals erscheint, enthält sowohl Daten zu vorurteilsmotivierten Straftaten gegen Frauen als auch Zahlen zu Delikten, die überwiegend zum Nachteil von Frauen begangen werden. Alle drei Minuten erlebt eine Frau, ein Mädchen in Deutschland Gewalt.
Hass und Gewalt gegen Frauen sind ganz aktuelle gesellschaftliche Probleme, wie die steigenden Zahlen belegen. Das aktuelle Lagebild „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten“ zeigt, dass sowohl vorurteilsmotivierte Straftaten gegen Frauen als auch Straftaten, die überwiegend zum Nachteil von Frauen begangen werden, in Deutschland zunehmen.
Das aktuelle Lagebild, mit einer Datenbasis zu geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichteten Straftaten muss umgehend zur Prävention beitragen und die Grundsätze der Istanbul-Konvention umsetzen. Ganzheitliche Gewaltschutzstrategien müssen die aktuelle Daten- und Forschungslage zu geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und Mädchen berücksichtigen.
Vor diesem Hintergrund frage ich die zuständige Fachbehörde:
Für die Beantwortung zu Straftaten der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) wurde die Kriminaltaktische Anfrage (KTA) des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) als Recherchegrundlage herangezogen. Es handelt sich dabei um keine qualitätsgesicherte Statistik im Sinne des Hamburgischen Statistikgesetz (HmbStatG). Zur Erfassung von Straftaten der PMK sowie zu den Auswertemöglichkeiten und deren Grenzen siehe Bürgerschafts-Drs. 21/3165.
In den Jahren 2022 und 2023 sind im Bezirk Eimsbüttel keine Fälle unter dem Themenfeld „Hasskriminalität – Frauenfeindlich“ im KPMD-PMK registriert.
Darüber hinaus werden Straftaten im Sinne der Fragestellung in der PKS nicht gesondert erfasst. Zur Beantwortung wäre eine Durchsicht aller Hand- und Ermittlungsakten des erfragten Zeitraums für den Bezirk Eimsbüttel bei der Polizei erforderlich. Die Auswertung von mehreren zehntausend Akten ist in der für die Beantwortung parlamentarischer Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.
Ein einheitliches Verständnis oder eine Legaldefinition zur Bedeutung des Begriffes Femizid besteht bisher nicht. Geprägt wurde der mittlerweile auch von der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization - WHO) verwendete Begriff von der US-amerikanischen Soziologin und Feministin Diane Russell. Sie bezeichnet damit die „Tötung von Frauen und Mädchen durch männliche Personen, weil sie weiblich sind“. Aus soziologischer Sicht gilt ein Femizid als extremer Ausdruck hierarchischer Geschlechterverhältnisse und männlichen Dominanzbestrebens. Auch wurde der Begriff kürzlich definiert als Tötung einer Frau, die sich in ein Muster frauenfeindlicher Gewalt einfügt. Dadurch soll der strukturelle Kontext solcher Taten berücksichtigt werden. In Anerkennung solcher gesellschaftlichen Mechanismen spricht der Europarat von „geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen“ […], „weil sie eine Frau ist, oder die Frauen unverhältnismäßig stark betrifft.“
Die Definition nach dem Tatmotiv vorzunehmen, birgt die Schwierigkeit, sich auf die Perspektive und Ursachen der Tat festzulegen, da der Tat häufig verschiedene Ebenen zugrunde liegen und zu beachten sind. So könnte für die juristische Bewertung in entsprechenden Fällen das Mordmerkmal der „niederen Beweggründe“ für eine Benennung des Femizids herangezogen werden, wobei die „Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe maßgeblichen Faktoren“ entscheidend ist. Auch in der forensischen Psychologie ist die Frage nach dem Motiv häufig nur schwer zu beantworten. Dabei können eher vordergründige, situativ ausgerichteten Motive zum Gegenstand der Betrachtung werden oder auch Konflikte, die in der Persönlichkeitsstruktur des Täters liegen und in der Tat Ausdruck finden.
Das Phänomen Femizid und der diesbezügliche gesellschaftliche Diskurs sind der Polizei Hamburg bekannt. Sie verwendet derzeit die Definition der „vorsätzlichen Tötung, bei der das Geschlecht des Opfers für die Tatbegehung jedenfalls mitbestimmend ist.“
In der PKS wird das Geschlecht der Opfer erfasst, nicht das Tatmotiv. In der polizeilichen Praxis bleibt zudem bei einer Vielzahl von Fallkonstellationen die Tatmotivation unklar beziehungsweise ist ein vorurteilsgeleitetes Motiv letztlich nicht zu ermitteln oder die Würdigung der Tatumstände lässt keinen eindeutigen Schluss hinsichtlich des Vorliegens der vorgenannten polizeilichen Definition zu. Aus diesem Grund kann von polizeilicher Seite nicht durchgehend klassifiziert werden, ob es sich bei Fällen mit einem weiblichen Opfer um Femizide handelt.
Anmerkung für die BL:
Zu im Rahmen von Hauptverhandlungen durch die Gerichte ggf. gewonnen Erkenntnissen zu Tatmotiven ist die Polizei nicht auskunftsfähig. Dies fällt in den Zuständigkeitsbereich der BJV.
Siehe Vorbemerkung und Anlage 1.
Siehe Vorbemerkung und Anlage 2.
Siehe Vorbemerkung und Anlage 3.
Siehe Vorbemerkung und Anlage 4.
Wenn ja, bitte die Fälle der Gewalttaten an weiblichen Personen in diesen Bereichen für das Jahr 2023 auflisten und definieren.
Wenn nein, bitte aufzeichnen in welcher Kategorie diese Art von geschlechtsspezifischer Gewalt und Straftaten geführt werden.
Siehe Vorbemerkung sowie Antwort zu 2 und Anlage 3.
Wenn ja, in welcher Form? Wird in den Ermittlungen auch mit Tatverdächtigen Personen gesprochen?
Wenn nein, warum nicht?
Bei der Polizei angezeigte Sachverhalte, bei denen ein offensichtliches Stalking-Verhalten festzustellen ist und die davon betroffenen Personen in Eimsbüttel wohnhaft sind, werden nach dem sogenannten Wohnortprinzip grundsätzlich bei der örtlich zuständigen Dienststelle im Landeskriminalamt (LKA 13) bearbeitet.
Das LKA 13 ist am Standort des Polizeikommissariats 24 im Garstedter Weg 24 untergebracht. Im dortigen Sachgebiet LKA 133 „Körperverletzung und Beziehungsgewalt“ sind speziell fortgebildete Beziehungsgewaltsachbearbeiterinnen und -sachbearbeiter für die polizeiliche Intervention bei Stalking zuständig.
Gespräche mit tatverdächtigen Personen finden regelhaft statt, insbesondere zum Zweck der Gefahrenabwehr im Rahmen einer Gefährderansprache und zum Zweck der Strafverfolgung im Rahmen des Vernehmungsangebots.
Wenn nein, warum nicht und gibt es Planungen in diese Richtung?
Die Polizei ist sich ihrer Verantwortung zur Intervention bei geschlechtsspezifischer Gewalt bewusst und beobachtet die Entwicklung dieser Deliktsphänomenologie sehr genau. Unter anderem beteiligt sie sich an einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe des Arbeitskreises (AK) II der Innenministerkonferenz (IMK) zu „geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichteten Straftaten“. Weiterhin kooperiert sie mit der Sozialbehörde im Rahmen der Fortschreibung deren Konzepts zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Menschenhandel und Gewalt in der Pflege – siehe hierzu auch die Senatsstrategie „Gewaltschutzkonzept zur Umsetzung der Istanbul-Konvention und Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt“ (Drs. 22/2319).
Im Übrigen nutzt die Polizei bei der Intervention gegen Gewalt grundsätzlich alle ihr zur Verfügung stehenden gefahrenabwehrenden und strafprozessualen Möglichkeiten - unabhängig vom Geschlecht der gewaltbetroffenen Personen.
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