21-1476

Racial Profiling durch Polizist*innen in Eimsbüttel?

Anfrage gem. § 27 BezVG

Sachverhalt

11.09.2020

Lfd. Nr. 37 (21)

 

Anfrage nach § 27 BezVG der Mitglieder der Bezirks­versammlung Eimsbüttel, Nico Thies, Kathrin Warnecke und Sebastian Dorsch (GRÜNE-Fraktion)

 

Racial Profiling durch Polizist*innen in Eimsbüttel?

 

Die Anfrage wird – von der Behörde für Inneres und Sport – wie folgt beantwortet:

 

 

 

Vorbemerkung:

Der Senat hat zu dem erfragten Einzelfall zuletzt mit Drs. 22/223 umfassend informiert. Im Übrigen stellt Art. 24 Bezirksverwaltungsgesetz (BezVG) klar, dass Antwort auf eine Anfrage aus der Bezirksversammlung zu erteilen ist, sofern das Bezirksamt für die erfragte Angelegenheit zuständig ist. Diese Angelegenheiten bzw. entsprechende konkrete Sachverhalte sind folglich auch vom bezirklichen Fragerecht umfasst.

 

Dies vorausgeschickt beantwortet die Behörde für Inneres die Fragen wie folgt:

 

Sachverhalt:

Am 18. April 2020 wurde der Schwarze Krankenpfleger John H. gewaltvoll durch Zivilpolizisten vom Fahrrad gerissen. Der Zugriff erfolgte laut Geschädigtem ohne Ankündigung und ohne Erklärung, sodass er seinerseits dachte, überfallen zu werden.

 

Alles was ihn verdächtig gemacht hat, war laut Polizei, dass er mit dem Fahrrad mehrere Hauseingänge in derselben Straße aufsuchte und zwischendurch mehrfach telefonierte. Etwas, das alle Menschen selbstverständlich tun können, machte John H. in den Augen der Polizei zum potentiellen Drogendealer. Dabei ging er lediglich seiner Arbeit als Pfleger nach.

 

In der Nachlese entsteht der Verdacht, dass John H. aufgrund seiner Hautfarbe Opfer von Racial Profiling geworden und dieser Vorwurf von der Polizei Hamburg noch nicht ausreichend aufgearbeitet worden ist. Zwar habe die Polizei sich laut Presseberichten entschuldigt[1] – als der Geschädigte bei der Polizei wegen des Vorgangs Anzeige erstatten wollte, wurde er jedoch laut eigener Aussage mit den Worten beschwichtigt, dass alles geklärt sei.[2] Die Polizei hat laut Aussage des Geschädigten auch proaktiv den Arbeitgeber des Geschädigten aufgesucht und hier ebenfalls versucht zu erklären, dass es sich um ein Missverständnis gehandelt habe und bereits alles geklärt sei. Insgesamt ergibt sich ein Bild, dass die Politik nicht dulden kann: Dass in Kreisen der Polizei eine selbstkritische Aufarbeitung in Fällen wie dem vorliegenden nicht gewünscht ist.

 

People of Colour sind rassistischen Übergriffen bis hin zur körperlichen Gewalt häufig ausgesetzt – das haben die Diskussionen der letzten Wochen nochmals eindrücklich unterstrichen. Die Diskussionen haben auch gezeigt, dass Rassismus kein reines Polizei-Problem ist, sondern ein gesamtgesellschaftliches und historisch gewachsenes Thema darstellt.[3] Damit ist es ein Thema, das auf allen Ebenen individuellen, gesellschaftlichen, politischen Handelns zu reflektieren und aufzuarbeiten ist, sei es beim Bewerbungsgespräch, auf dem Schulhof, der Wohnungssuche oder anderen alltäglichen Zuschreibungen. Der Polizei kommt dabei als staatliches Organ eine besondere Verantwortung zu. So gilt es auch in diesem Fall sicher zu stellen, dass es sich bei diesem Vorfall nicht um ein Beispiel eines staatlich tolerierten rassistischen Akts gehandelt hat.


Vor diesem Hintergrund fragen wir die für die Polizei zuständige Fachbehörde:

 

  1. Aufarbeitung des vorliegenden Falls:

a)    Hat die Polizei, wie vom Geschädigten geschildert, versucht, ihn von einer Anzeige abzuhalten? Wenn ja, wieso wurde dieser Versuch unternommen?

b)    Hat die Polizei, wie vom Geschädigten geschildert, den Arbeitgeber kontaktiert? Wenn ja, welchen Zweck sollte die Kontaktierung erfüllen?

c)     Welche Maßnahmen hat die Polizei Hamburg ergriffen, um den Fall John H. aufzuklären? Bitte detailliert eventuelle Verfahren sowie mögliche Ergebnisse schildern.

d)    Haben die verantwortlichen Polizist*innen disziplinarische Maßnahmen erfahren? Wenn nein, wieso wurde davon abgelassen?

 

Der erfragte Sachverhalt wurde zur Prüfung der Beschwerde- und Disziplinarabteilung der Personalabteilung der Polizei übermittelt. Von dort wurde eine Strafanzeige gefertigt und an das Dezernat Interne Ermittlungen (D.I.E.) weitergeleitet. Dort wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. In ständiger Praxis werden zu laufenden Ermittlungsverfahren einschließlich der Beteiligten keine Auskünfte erteilt. Eine dienstrechtliche Betrachtung eventueller Dienstverstöße erfolgt erst nach rechtskräftigem Abschluss des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens.

Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

 

  1. Erfassung von Racial Profiling-Fällen:

a)    Erfasst die Polizei Hamburg systematisch Fälle von Racial Profiling? Wenn ja, wie viele Fälle von Racial Profiling hat die Polizei bisher in Eimsbüttel (und im Vergleich in Hamburg) erfasst? Wenn nein, plant die Polizei, die Erfassung von Racial Profling-Fällen einzuführen?

b)    Wie viele Beschwerden bezüglich Racial Profiling sind bei der Beschwerde- und Disziplinarabteilung der Polizei Hamburg bisher für Eimsbüttel (und Hamburg) eingegangen?

 

Der Senat hat zu differenzierter Erfassung, Umfang, Grenzen der Erfassung und Umgang mit Fällen im erfragten Kontext zuletzt mit Drs. 22/668 umfassend Auskunft erteilt. Die Fallzahlen für 2020 haben sich seither in Einzelkategorien im sehr niedrigen einstelligen Bereich verändert; der Anteil von nach eingehender Prüfung als unberechtigt zu wertenden Fällen ist unverändert hoch.

 

Eine über die bestehende Erfassung hinausgehende Differenzierung (etwa nach Bezirk oder Art des Übergriffvorwurfs) erfolgt derzeit nicht, sondern würde eine zeitaufwändige zusätzliche Handaktenauswertung der registrierten Vorgänge erfordern. Im Vorfeld der vorgesehenen Stärkung und Aufwertung des polizeilichen Beschwerdemanagements prüft die Polizei derzeit jedoch eine optimierte Erfassung aus unterschiedlichen Datenquellen (Amtsdelikte, Beschwerden, Disziplinarverfahren, ggf. Justiz). Aus personalrechtlichen Gründen sind einer retrograden Erfassung von Beschwerdeverfahren und deren Ausgängen Grenze gesetzt, Daten liegen hierzu aufgrund bestehender Lösch- und Tilgungsfristen nur drei Jahre vor.

 

Über den erfragten Sachverhalt hinaus sind im Zeitraum 3. August 2017 bis 3. August 2020 für die Region Eimsbüttel keine weiteren Verdachtsfälle und für ganz Hamburg sieben Beschwerden im Sinne der Fragestellung bekannt geworden. Von diesen sind zwei Beschwerden noch nicht abgeschlossen. In einem Fall konnte die beschwerte Polizeibeamtin nicht ermittelt und der Vorgang vor dem Hintergrund nicht bewertet werden. Die verbleibenden vier Beschwerden wurden als unberechtigt eingestuft.

Es gab im Sinne der Fragestellung bis dato keinen Anlass, ein Disziplinarverfahren einzuleiten; im Übrigen siehe Antwort zu 1.

 

c)     Gibt es speziell ausgewiesene Vertrauens- oder Ombudspersonen, an die sich Opfer von Racial Profiling wenden können?

 

Das differenzierte Beratungsangebot im Bereich Opferschutz in Hamburg steht auch dem erfragten Personenkreis zur Verfügung.

 

d)    Gibt es innerhalb der Polizei Ansprechpartner oder Ansprechpartnerinnen, an die sich Polizist*innen vertrauensvoll melden können, wenn sie mitbekommen haben, dass Kolleginnen oder Kollegen Racial Profiling betreiben?

 

Die zentrale Beschwerdestelle der Polizei Hamburg ist Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger sowie für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Sie wird aktuell weiterentwickelt und neu aufgestellt.

 

  1. Maßnahmen zur Vermeidung von Racial Profling:

a)    Wie arbeitet die Polizei Hamburg mögliche Fälle von Racial Profiling intern auf?

b)    Welche Konsequenzen drohen Polizist*innen, wenn sie nachweislich Racial Profiling betrieben haben?

c)     Welche Maßnahmen ergreift die Polizei Hamburg, um Racial Profiling zu vermeiden? Bitte detailliert auch auf die Effektivität dieser Maßnahmen eingehen.

d)    Plant die Polizei Hamburg, zukünftig weitere Maßnahmen zur Vermeidung von Racial Profiling einzuführen?

 

  1. Anti-Diskriminierungs-Trainings und vergleichbare Maßnahmen:

a)    Welche Rolle spielen Anti-Diskriminierungs-Trainings oder vergleichbare Trainings in der Aus- und Fortbildung der Hamburger Polizei?

b)    Sind die Angebote verpflichtend?

  1. Wenn ja: In welchem Turnus nehmen Polizist*innen an ihnen teil? Welche Erfahrungen wurden dabei gesammelt?
  2. Wenn nein: Wie viele Polizist*innen nehmen an den Trainings teil?
  3. Welche Formen des Audits gibt es mit Bezug auf diese Trainings?

 

Siehe Drs 22/668.

 

 

Petitum/Beschluss

 

ohne

 

Anhänge

 

keine