21-2211

Nutzung des Vorkaufsrechts im Bezirk Eimsbüttel

Anfrage gem. § 27 BezVG

Sachverhalt

21.07.2021

Lfd. Nr. 65 (21)

 

Anfrage nach § 27 BezVG der Mitglieder der Bezirksversammlung Eimsbüttel, Mikey Kleinert, Ralf Peters und Roland Wiegmann (Fraktion DIE LINKE)

 

Nutzung des Vorkaufsrechts im Bezirk Eimsbüttel

 

Die Anfrage wird – von der Finanzbehörde – wie folgt beantwortet:

 

 

 

Vorbemerkung:

Der Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) bezieht sich im Sinne der Anfrage auf Vorkaufsrechte innerhalb der Geltungsbereiche der Sozialen Erhaltungsverordnungen. Andere spezifische gesetzliche Vorkaufsrechte werden in dieser Stellungnahme mit Ausnahme der statistischen Angaben zu 1. und 2. nicht berücksichtigt.

 

Das Verfahren zur Vorbereitung Sozialer Erhaltungsverordnungen erfolgt grundsätzlich in vier Schritten, welche von dem zuständigen Bezirksamt und der Berde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) durchgeführt werden. Das zuständige Bezirksamt führt für Gebiete mit einem vermutetem Aufwertungs- bzw. Verdrängungsdruck eine Voruntersuchung im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung durch. Fällt dieses Ergebnis positiv aus, kann die Aufstellung einer Sozialen Erhaltungsverordnung durch den Senat beschlossen werden. Im nächsten Schritt werden ein Gutachten sowie eine Repräsentativerhebung zur Prüfung der Anwendungsvoraussetzungen durch die BSW beauftragt. Sollten das Gutachten und die Repräsentativerhebung das Erfordernis einer Sozialen Erhaltungsverordnung bestätigen, empfiehlt die BSW dem zuständigen Bezirksamt den Erlass einer Sozialen Erhaltungsverordnung. Der Erlass wird durch Beschluss der Bezirksversammlung herbeigeführt. Die BSW genehmigt diesen Beschluss und das Bezirksamt veranlasst die Veröffentlichung im Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatt. Mit dieser Veröffentlichung wird die Soziale Erhaltungsverordnung rechtswirksam.

 

In Gebieten mit Sozialen Erhaltungsverordnung sind folgende Maßnahmen beim zuständigen Bezirksamt zu beantragen:

  • Der Abriss von Gebäuden und Gebäudeteilen
  • Baumaßnahmen und Modernisierungsarbeiten. Ein besonderes Augenmerk wird hierbei auf Maßnahmen gelegt, welche den Wohnwert steigern und dementsprechend zu Mieterhöhungen führen können (z.B. der Anbau von Balkonen oder der Einbau von Aufzügen).
  • Die Nutzungsänderungen von Wohnflächen (Beispielsweise zu gewerblich genutzten Flächen).
  • Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen.

 

Der LIG prüft regelhaft die in Hamburg abgeschlossenen Kaufverträge auf das Vorliegen von Vorkaufsrechten. Über die Ausübung von Vorkaufsrechten entscheiden die entsprechenden Fachbehörden und Bezirksämter (Bedarfsträger). Für den Tatbestand der Sozialen Erhaltungsverordnungen im Bezirk Eimsbüttel ist hierfür die Stadt- und Landschaftsplanung zuständig. Der Käufer hat die Möglichkeit ein bestehendes Vorkaufsrecht im Geltungsbereich der Sozialen Erhaltungsverordnung abzuwenden, indem er eine Abwendungsvereinbarung unterzeichnet und sich den Zielen der Sozialen Erhaltungsverordnung verpflichtet. Auch dies fällt in den Aufgabenbereich des zuständigen Bezirksamtes.

 

Im Bezirk Eimsbüttel ist die Soziale Erhaltungsverordnung „Eimsbüttel-Süd“ seit dem 30.07.2014 in Kraft. Die Soziale Erhaltungsverordnung Eimsbüttel/Hoheluft-West/Stellingen-Süd trat am 17.04.2018 in Kraft.

 

Die zuständigen Behörden verfolgen die rechtlichen Entwicklungen zur Möglichkeit der Ausübung von kommunalen Vorkaufsrechten bei Share-Deal-Konstellationen sehr aufmerksam. Inwiefern der Verkauf von Gesellschaftsanteilen eines Unternehmens, das Eigentümerin eines Grundstückes ist, unter dem Gesichtspunkt des kommunalen Vorkaufrechts mit einem Grundstückskaufvertrag gleichzusetzen ist, ist eine Frage des Einzelfalles und ist stets unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des jeweiligen Sachverhaltes zu beurteilen.

 

Eine Einschätzung zur Relevanz von Share Deals zwecks Verhinderung von Vorkaufsrechten ist aktuell nicht möglich. Gemäß § 208 Satz 1 Nr. 2 BauGB können die Behörden zur Erforschung eines Sachverhaltes anordnen, dass Urkunden und sonstige Unterlagen vorgelegt werden. Da die Veräerung von Anteilen an einer Gesellschaft, die ein Grundstück hält, der FHH grundsätzlich nicht mitgeteilt wird, kann dieses Recht nur in Anspruch genommen werden, wenn die Gemeinde auf anderen Wegen von dem Share Deal erfährt und der Share Deal als kaufähnliches Umgehungsgeschäft zu verstehen ist. Im BGH Urteil vom 27.01.2012 V ZR 272/10 wurden drei Kriterien bestimmt, deren Vorliegen für das Bestehen eines gesetzlichen Vorkaufsrechtes sprechen können:

 

  • Die Vertragsparteien wollen eine Eigentumsübertragung von mit Vorkaufsrechten belasteten Grundstücken durchführen.
  • Das wirtschaftliche Ergebnis der Transaktion entspricht dem eines Verkaufes des Grundstückes.
  • Der Zweck der Gesellschaftsgründung war die Verwaltung von mit Vorkaufsrechten belasteten Grundstücken.

 

Um unerwünschte Share Deals zu erschweren, hat der Bundesrat am 7.5.2021 das „Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes“ verabschiedet. Das Gesetz ist bereits am 1.7.2021 in Kraft getreten (vgl. BGBl 2021 I S. 986). Mit verschiedenen Maßnahmen wie der Absenkung der 95 %-Grenze in den Ergänzungstatbeständen auf 90 % und einer Verlängerung der Behaltensfrist von fünf auf zehn Jahre werden Gestaltungsspielräume zur Vermeidung der Grunderwerbsteuer durch Share Deals verengt und unattraktiver. Sowohl die Absenkung der Beteiligungsgrenze als auch die Verlängerung der Frist binden Gesellschaft und Gesellschafter länger an ihre getroffenen Dispositionen.

 

Dies vorausgeschickt, beantwortet die Finanzbehörde die Fragen wie folgt:

 

Sachverhalt:

Das Baugesetzbuch sichert im dritten Abschnitt Gemeinden ein allgemeines und ein besonderes Vorkaufsrecht zu. Die Immobilien Zeitung berichtete am 21.05.2021, dass dies in Hamburg fleißig genutzt wird.

Dabei ist auffällig, dass fast alle der Vorkäufe im Bezirk Altona stattfanden.
18 der insgesamt 20 Vorkäufe fanden dort statt.

In Eimsbüttel soll das Vorkaufsrecht nur einmal genutzt worden sein, obwohl die Gebiete der sozialen Erhaltungsverordnungen einen großen Teil des Kerngebiets und Stellingen Süds abdecken.

Der frappierende Unterschied fällt umso mehr auf, wenn man die Anzahl der Anwohner*innen in den von Sozialen Erhaltungsverordnungen geschützten Gebieten vergleicht. Während in Altona ca. 36% der Anwohner*innen in solchen Gebieten wohnen, sind es in Eimsbüttel 27%. Selbstverständlich wird es gebietsspezifische Unterschiede geben, aber das gravierende Missverhältnis bleibt überraschend.

 

Abgesehen davon gibt es noch zahlreiche Gründe, die das Vorkaufsrecht schwächen oder sogar aushebeln können. Beispielsweise bei Zwangsversteigerungen, wie aktuell im Fall des kleinen Schäferkamps 16. Hier kann kein Vorkaufsrecht wegen mangelnder Handhabe gezogen werden.

Außerdem können sogenannte Share-Deals dem städtischen Vorkauf Steine in den Weg legen. Share-Deals, also der anteilige Verkauf einer Gesellschaft in deren Vermögen Immobilien liegen, schaden nicht nur dem Fiskus, weil die Grunderwerbsteuer umgangen wird, sondern hebeln zusätzlich regelmäßig das Vorkaufsrecht der Gemeinden aus.

 

In Berlin Neukölln gibt es neue Entwicklungen in diesem Zusammenhang:
Hier wurde das Vorkaufsrecht trotz eines Share-Deals vom Bezirk ausgeübt. Der Bezirk forderte die Vertragsunterlagen mit der Begründung heraus, der “formale Verkauf von Firmenanteilen [sei] aufgrund des alleinigen Geschäftszwecks, dem Besitz von Grundstück und Haus, mit einem Grundstückskaufvertrag gleichzusetzen“.

 

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Verwaltung:

 

  1. Wann und wie oft prüfen die zuständigen Behörden, die Möglichkeiten des Vorkaufsrechts in Hamburg und besonders in Eimsbüttel zu nutzen?

 

Der LIG prüft jährlich rund 3.000-4.000 Kaufverträge im ganzen Hamburger Stadtgebiet, davon entfielen rd. 450 Kauffälle auf den Bezirk Eimsbüttel im Jahr 2020.

 

Jeder Grundstückskaufvertrag ist nach notarieller Beurkundung dem LIG vorzulegen. Nachdem das jeweilige Notariat den Kaufvertrag dem LIG übermittelt hat, wird dieser auf alle gesetzlichen Vorkaufsrechttatbestände geprüft.

 

  1. In wie vielen Fällen wurde das städtische Vorkaufsrecht seit dem 01.01.2018 in Hamburg und in Eimsbüttel geprüft?

 

Folgende Darstellung gibt einen Überblick über die Anzahl der insgesamt geprüften Kaufverträge in den Jahren 2018-2021 (Stand: 21.06.2021) im Hamburger Stadtgebiet und im Bezirk Eimsbüttel. Des Weiteren sind die Fälle, in denen ein Vorkaufsrechttatbestand aufgrund der Sozialen Erhaltungsverordnung vorlag und in denen das Vorkaufsrecht durch die FHH ausgeübt wurde, aufgeführt.

 

Jahr

Erteilte Verzichtserklärungen FHH insgesamt 

Davon in Eimsbüttel

Tatbestand SozErhVO Eimsbüttel

Ausgeübt SozErhVO Bezirk Eimsbüttel

2018

3.879

481

28

0

2019

4.033

498

36

2

2020

3.574

450

31

0

2021               (bis 21.06.2021)

1.806

204

9

0

 

  1. In wie vielen Fällen wurde das städtische Vorkaufsrecht im selben Zeitraum in Hamburg und in Eimsbüttel genutzt?

Gab es dort Widerspruch?

 

Seit dem 01.01.2018 wurde in Hamburg mit Stichtag 21.06.2021 in insgesamt 48 Fällen, davon 4 Fälle im Bezirksamtsbereich Eimsbüttel, das Vorkaufsrecht ausgeübt.

Davon wurde in 11 (Eimsbüttel: 1) Fällen nach Ausübung des Vorkaufsrechts noch eine Abwendung durch den Erstkäufer erzielt, in 2 Fällen (Eimsbüttel: 1) Rechtsmittel eingelegt, in 3 Fällen (Eimsbüttel: Null) haben die Verkäufer von ihrem zustehenden Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht. In einem weiteren Fall hat die Verwaltung nach Einlegen eines Widerspruchs im Rahmen der Prüfung weitere Erkenntnisse gewonnen und hat das Vorkaufsrecht zurückgezogen.

 

Die FHH ist demnach in 31 (Eimsbüttel: 2) von 48 Fällen Eigentümerin der Grundstücke geworden.

In drei Fällen besteht jedoch für die Verkäufer noch die Möglichkeit des Rechtsbehelfs bzw. des Rücktritts gem. § 28 Abs. 3 Satz 2 BauGB.

 

  1. Wie hoch waren die Kaufpreise der gekauften Objekte?

 

Der Senat äert sich grundsätzlich nicht zu Immobilienkaufpreisen.

 

  1. Wie groß schätzen die zuständigen Behörden die Relevanz von Share-Deals bei der Verhinderung der Nutzung des Vorkaufsrechts ein und ist ihnen bekannt, wie viele Objekte durch sogenannte Share-Deals verkauft wurden?

 

  1. In wie vielen Fällen wollten die zuständigen Behörden tätig werden und scheiterten letztlich an der durch Share-Deals verkomplizierten Eigentumslage?

 

Antwort zu 5. und 6.:

Siehe Vorbemerkung.

 

  1. Teilen die zuständigen Behörden die Einschätzung des Bezirks Neukölln, dass der formale Verkauf von Firmenanteilen aufgrund des alleinigen Geschäftszwecks, dem Besitz von Grundstück und Haus, mit einem Grundstückskaufvertrag gleichzusetzen ist?

 

Siehe Vorbemerkung.

 

Im Übrigen können zu internen Bewertungen des Bezirksamts Neukölln zu dort anhängigen Vorkaufsrechtsfällen keine Aussagen getroffen werden.

 

 

Petitum/Beschluss

 

ohne

 

 

Anhänge

 

keine