21-3017

Neue Wege für das Stadtteilzentrum Grelckstraße testen - 2

Antrag

Bera­tungs­reihen­folge
Gremium
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30.05.2022
Sachverhalt

Aufgrund der anhaltenden Forderungen zur Gestaltung eines Lokstedter Stadtteilzentrums hatte die Bezirkspolitik im April 2019 die Einrichtung eines Runden Tisches Grelckstraße beschlossen: Anwohner*innen, Grundeigentümer*innen, Gewerbetreibende sowie eine Stadtteil-Initiative zur Grelckstraße sollten Vorschläge zur „Attraktivitätssteigerung der Grelckstraße im Sinne einer Aufwertung der Aufenthalts- und Einkaufsqualität“ machen. Bei der Vorstellung der Ergebnisse von zwei Workshops und einer umfangreichen Beteiligung von Schüler*innen wurde deutlich, 1) dass der größte Verbesserungsbedarf bei der Verkehrssituation gesehen wurde – das dokumentieren unter anderem die einschlägigen Anträge von B90/Die Grünen und CDU[1] bzw. von SPD und FDP[2] und 2) dass die Einschätzung über die Art einer verbesserten Verkehrsführung stark auseinander ging (s. unten).

Zu 1): Bei einer daraufhin von der Bezirkspolitik beauftragten Umfrage[3] gaben die Gewerbe­treibenden, die nach eigener Auskunft mehrheitlich mit dem Pkw (78 %) in die Grelckstraße fahren, der „verkehrlichen Situation“ die durchschnittliche Schulnote 3,3. Die Passant*innen, die mehrheitlich zu Fuß (61 %) oder mit dem Fahrrad (41 %) zur Grelckstraße kommen, sowie die Anwohner*innen geben der Straße hierfür durchschnittlich eine relativ schlechte 4,3. Die Aufent­haltsqualität bewerteten die Anwohner mit der Schulnote 3,3, die Gewerbetreibenden etwas besser (2,9). In der Jugendbeteiligung gaben zahlreiche Schüler*innen an, dass sie die Grelckstraße meiden, da sie sich im Verkehr „nicht sicher fühlen“ (Dokumentation Runder Tisch, S. 37). Die von der Bezirkspolitik beauftragte qualifizierte Verkehrszählung stützt diese Wahrnehmung und ergab, dass tagsüber, Donnerstag 6–20 Uhr, also in 14 Stunden über 2.300 Kfz die Grelckstraße durchfahren, in der Spitzenstunde (17–18 Uhr) ca. 220 Kfz. Die Zählung ergab außerdem, dass der „Durchgangsverkehr gegenüber Zielverkehr deutlich stärker“ ausgeprägt war, d.h. nur ein kleiner Anteil des Kfz-Verkehrs hatte die Grelckstraße als Anwohnende, zum Arbeiten oder zum Einkaufen als Ziel. Die ebenfalls beauftragte Auswertung des Kfz-Parkverhaltens (Parkraumerhebung) hat ergeben, dass auf 80 % der Parkplätze kaum Wechsel stattfindet.[4] Die große Mehrzahl der in der Grelckstraße stehenden Autos sind also nicht von Kurzparkenden, wie bspw. zum Einkaufen oder Konsumieren.

Zu 2): Da die Art einer verbesserten Verkehrsführung durch die Grelckstraße schon seit langer Zeit und so auch am Runden Tisch stark umstritten war und ist, beantragte die Bezirks­versammlung, dass verschiedene Präferenzvarianten getestet werden. Der Test von unterschiedlichen Varianten der Verkehrsberuhigung geht dabei auf den plausiblen Vorschlag aus der Beteiligung der Jugendlichen zurück, die „aus den Meinungsverschiedenheiten der Erwachsenen den Schluss gezogen [haben], dass auch die Option bestehen sollte, über eine noch näher zu klärende Zeitenregelung mehr als nur eine Lösung zu realisieren“ (Dokumentation Runder Tisch, S. 37). Das beauftragte Verkehrslabor startete schließlich Ende November 2021 mit einem Jahr Verzögerung aufgrund neuer rechtlicher Einschätzungen und langdauernder Verhandlungen mit den Straßenverkehrsbehörden. Ergebnis war unter anderem, dass die zwei beim Runden Tisch von vielen bevorzugten Versionen Anwohner- bzw. Anliegerstraße aus rechtlichen bzw. pragma­tischen Gründen abgelehnt wurden. Stattdessen wurde die Einbahnstraße (Drs. 21-0756) einbezogen und mit der ebenfalls gewünschten Durchfahrtssperre am Wochenende kombiniert. Obwohl die Durchfahrtssperre, die an den Wochenenden Zufußgehenden und Radfahrenden mehr Raum gegeben hat, bei vielen für Verwirrung gesorgt hat, konnte sie nicht zurückgenommen werden. Um dem zu begegnen, soll für die zweite Phase eine zeitlich einheitliche Regelung geplant werden.

r diesen zweiten Teil wurde aufgrund der Jugendbeteiligung und der von der Bürgerinitiative Grelckstraße durchgeführten Umfrage mit über 800 Teilnehmenden aus Lokstedt eine Fuß­ngerzone vorgeschlagen. Der Vorschlag Fußngerzone stößt wie zahlreiche ähnliche Ver­änderungsvorschläge zumal im Straßenraum in Hamburg und Deutschland auf leiden­schaftliche Befürwortung und leidenschaftliche Ablehnung. Viele Untersuchungen und Be­fragungen aus deutschen und internationalen Städten haben ergeben, dass die Akzeptanz für Fußngerzonen, sobald sie etabliert sind, deutlich steigt. Neben den Menschen, die die Straße für sich nutzen können, profitieren insbesondere Gewerbetreibende demnach von Verkehrsberuhigung und Aufenthaltsqualität. Beide Faktoren führen sowohl zu belebteren Straßen als auch zu Umsatzsteigerungen. Gerade inhabergeführte Geschäfte können damit ihren Standortvorteil als Stadtteil-Geschäft mit persönlicher Begegnung gegenüber Internet-Shopping und anonymeren Großrkten ausspielen.[5]

Um weitere Konsequenzen aus dem bisherigen Verlauf des Verkehrslabors und der intensiven Debatten im Stadtteil zu ziehen, soll Lieferverkehr in Absprache mit den Gewerbetreibende möglichst großgig zugelassen werden, sollen im Randbereich der Fußngerzone Parkplätze und in der Zone Parkstände für mobilitätseingeschränkte Personen eingerichtet werden.[6] Es ist zu testen, ob dieser pragmatische Vorschlag der von Anwohnern und Gewerbetreibenden beim Runden Tisch präferierten, aber von der Straßenverkehrsbehörde abgelehnten Lösung „Anliegerstraße“ nahekommt und gleichzeitig dem Wunsch des Stadtteils nach einem Stadtteilzentrum mit Fußngerzone.

Anfang April berichtete das Bezirksamt in der Sitzung des Regionalausschusses Lokstedt, Niendorf, Schnelsen öffentlich über einen Mehrbedarf von 60.000 € und begründete ihn mit der „allgemeinen Kostensteigerung, Verfügbarkeit der Firmen und Planungsbüros, Anforderungen an die Gestaltung aufgrund der straßenverkehrsbehördlichen Auflagen“ und den damit einhergehenden wiederholten Verzögerungen sowie mit „zusätzlichen Kontrollgängen und Verstärkung der Durchfahrtssperre“ nach der Nicht-Beachtung durch einzelne KfZ-Fahrer*innen. Außerdem sei das „pilothafte Verfahren“ schwer kalkulierbar gewesen. Demnach wird die zweite Phase mit € 50.000 (v.a. für die Auswertung „Leistungspaket 1“) deutlich günstiger. Selbst ein Abbruch nach der 1. Phase würde aber schon einen Mehrbedarf von € 10.000 plus bisher unbekannte Ausgaben infolge Nichterfüllung bereits abgeschlossener Verträge (in Höhe von ca. € 44.000) nach sich ziehen. Ein Abbruch hätte zur Folge, dass der bisherige finanzielle und personelle Einsatz nicht sachgerecht zum Tragen kommt und die gewünschte vergleichende Betrachtung nicht zum Tragen kommt.

Die Bezirkspolitik bedauert wie die Verwaltung die Preisentwicklung. Allerdings sind die Durchführung und Auswertung der 2. Phase zentral, um die beiden Varianten vergleichen und daraus Konsequenzen ziehen zu können. Um Kosten zu sparen, soll die Auswertung notfalls vereinfacht in Form der (bereits beschlossenen) Abschluss-Befragung und Versammlung des Runden Tisches stattfinden. Falls darüberhinausgehende Mittel für Begleitung und Auswertung eingeworben werden können, begrüßt die Bezirkspolitik das.

 

 

Petitum/Beschluss

Der Bezirksamtsleiter wird gebeten, in Weiterführung und Ergänzung der Drs. 21-1056 (Belebung der Grelckstraße als Stadtteilzentrum: Mehr Platz und Aufenthaltsqualität für Menschen, mehr Grün und Stärkung des lokalen Gewerbes) und in Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen

  1. so bald wie möglich die geplante zweite Phase des Verkehrslabors Grelckstraße starten zu lassen. Die Fußngerzone soll mit folgenden Ausnahmen ausgestaltet werden:
  1. Anwohner frei
  2. Radverkehr frei
  3. Lieferverkehr frei: Für die laut Rückmeldung der BIS notwendige zeitliche Einschränkung wird das Bezirksamt gebeten, mit den Gewerbetreibenden einen passenden, großgig ausgestalteten Zeitkorridor zu finden.

Außerdem sollen im Bereich der Fußngerzone

  1. 12 Parkstände für Mobilitätseingeschränkte Personen eingerichtet werden und
  2. die Zufahrten in die Fußngerzone so gestaltet werden, dass die oben genannten Berechtigten sowie Versorgungsfahrzeuge leicht einfahren können.

In Rücksprache mit den Gewerbetreibenden und Marktbeschicker*innen sollen Möglichkeiten geprüft werden,

  1. vor den Gastronomiebetrieben durch Sondernutzung erweiterte Außenflächen zu genehmigen (vgl. auch Drs. 21-2727);
  2. ob die Fußngerzone am westlichen Eingang so gekürzt werden kann, dass zwischen der bestehenden Wochenmarkt-Schranke und der Konditorei Parkstände erreichbar bleiben. Vor dem östlichen Eingang sollen die drei Parkstände gegenüber Haus-Nr. 9 erhalten bleiben;
  3. inwiefern Straßenmobiliar von der Flaniermeile Volksdorf vor Ort zur Steigerung der Aufenthalts- und Sitzqualität genutzt werden kann;
  4. welche weiteren Maßnahmen zur Stärkung des Gewerbestandorts erfolgen können (vgl. Drs. 21-1056). Aus Gesprächen vor Ort entstanden neben Außengastronomie & Erhöhung der Aufenthaltsqualität folgende Vorschläge: Entwicklung weiterer Verkaufsflächen & Unterstützung neuer Geschäfte (konkrete Anfragen liegen laut Investoren vor); Aufstellen eines EC-Automaten; Parkraummanagement (mit „Brötchentaste“); verbesserte Wege für Zufußgehende zur Grelckstraße, insbesondere von den nahen Seniorenwohnanlagen; möglichst baldige Takterhöhung für die Buslinie 191 (Niendorfer Straße); Gründung einer Interessensgemeinschaft bzw. Belebung der IG „Kaufleute & Co.“; Beratung durch die bezirkliche Wirtschaftsförderung; Einrichtung von öffentlichem WLAN insbesondere für den Bereich der Fußngerzone; erleichterte Zulassung von saisonalen Verkaufsständen; mehr und bessere Radabstellanlagen.

 

Außerdem wird der Bezirksamtsleiter gebeten,

  1. r die Kosten in Höhe von ca. 10.000 €r die Durchführung der zweiten Phase (Leistungspakete 2 und 4) und die Abschluss-Befragung Mittel von der Landesebene zu beantragen und bis dahin auszulegen. Für die erhöhten, bereits verausgabten Kosten der ersten Phase in Höhe von ca. 10.000 € gilt das gleiche. Falls für die weitergehende Auswertung und Begleitung weitere Mittel zur Verfügung gestellt werden können, wird dies ausdrücklich begrüßt;
  2. das Angebot, Straßenmobiliar von der Flaniermeile Volksdorf nutzen zu können, anzunehmen (vgl. oben);
  3. die Verträglichkeit von Veloroute und Fußngerzone prüfen zu lassen. Schon jetzt verläuft die Veloroute ohne größere Konflikte durch die Grelckstraße. Im ähnlich gelagerten Projekt „Ottensen macht Platz“ ergab sich aus einem deutlich intensiveren Radverkehr durch eine Fußngerzone keine grundsätzliche Problematik; in der Denickestraße führt ebenfalls eine Veloroute durch einen Bereich, in dem Zufußgehende Vorrang haben (verkehrsberuhigter Bereich); ferner soll geprüft werden, wie auf Möglichkeiten der Rücksichtnahme besonders hingewiesen werden kann.[i] Falls die Verträglichkeitsprüfung nicht gewünscht ist bzw. wenn nicht anders möglich, soll die Veloroute bis zur Klärung der Frage über die derzeitige Alternativstrecke (zu Marktzeiten) verlaufen. Die BVM, die für die Führung des Veloroutenverlaufs zuständig ist, bringt sich gerne in den Prozess mit ein, um das Projekt und das Bezirksamt zu unterstützen.

r das weitere Verfahren der Auswertung und Gestaltung der Straße wird auf Drucksache 21-1056 verwiesen.

Der Vorsitzende der Bezirksversammlung wird gebeten,

  1. die Einrichtungen, die an der Auswertung der ersten Phase beteiligt sind, also PGV Alrutz/Tollerort sowie das Forschungsprojekt Klimafreundliches Lokstedt, so bald wie möglich in eine öffentliche Sitzung des RALONIS einzuladen, um die Ergebnisse zu präsentieren.
  2. Die Mitglieder des Runden Tisches Grelckstraße sollen zu dieser Diskussion eingeladen werden.
  3. Der Bezirksamtsleiter wird gebeten, in der gleichen Sitzung über die Herausforderungen des Verkehrslabors als doppeltes Pilotprojekt („Autoarme Quartiere“ und „Kommunikations- & Beteiligungsstrategie Mobilität“) innerhalb des Integrierten Klimaschutzkonzeptes Eims­ttel aus Sicht der Verwaltung berichten zu lassen.

In dieser Sitzung sollen im Rahmen des Beschlossenen weitere Impulse für die kurz- und lang­fristige Gestaltung der Grelckstraße festgehalten werden.

 

Sebastian Dorsch, Melanie Starken, Robert Klein, Dietmar Kuhlmann, Lutz Schmidt, Annette Hasselmann, Ali Mir Agha und GRÜNE Fraktion

 

 

 

Anhänge

keine