21-3533

Fußgängerüberwege bei Tempo 30

Anfrage gem. § 27 BezVG

Sachverhalt

17.01.2023

Lfd. Nr. 101 (21)

 

Anfrage nach § 27 BezVG der Mitglieder der Bezirks­versammlung Eimsbüttel, Sebastian Dorsch, Robert Klein, Susanne Hericks (GRÜNE-Fraktion)

 

Fußgängerüberwege bei Tempo 30

 

Die Anfrage wird – von der Behörde für Inneres und Sport (BIS) – wie folgt beantwortet:

 

 

 

Sachverhalt:

In der Antwort auf den Antrag „Stellungnahme zur Teilschlussverschickung des LSBG zum Veloroutenausbau auf dem Abschnitt Spanische Furt–Graf-Johann-Weg (hier Veloroute 14)
Drs. 21-3276, Beschluss der BV vom 29.09.2022“ wurde unter Punkt 1 festgestellt „In Tempo-30-Zonen werden von der Polizei grundsätzlich keine Fußverkehrsüberwege mehr angeordnet.“ (Drs. 21-3327).

Zwar bestimmen die einschlägigen Richtlinien für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen (R-FGÜ 2001), dass Fußgängerüberwege „in Tempo-30-Zonen … in der Regel entbehrlich“ (2.1, (3)). Ausnahmen von dieser Regel sind aber offenbar möglich. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) lässt diese Aus­nahmeregelung ebenfalls zu. In §26/III.4 heißt es beispielsweise: „Vor Schulen, Werksaus­gängen und dergleichen sollten Fußgänger nicht unmittelbar auf den Fußgänger­überweg stoßen, sondern durch Absperrungen geführt werden.“ Da in Straßen vor Schulen i.d.R. mittler­weile Tempo 30 Regelgeschwindigkeit ist, sind FGÜs in Tempo 30-Bereichen offenbar rechtlich eine Option zum Schutz bspw. von Schüler*innen. In anderen Kommunen werden sie umgesetzt und auch in Hamburg gab es die Möglichkeit. So heißt es in der Bürgerschaftsdrucksache 18/6572 (2007): „Eine Änderung der rechtlichen Voraussetzungen für die Einrichtung von Fußgängerüberwegen in Tempo-30-Zonen ist nicht erforderlich, da bereits nach den bestehenden rechtlichen Grundlagen in Ausnahmefällen auch in Tempo-30-Zonen Fußgänger­überwege eingerichtet bzw. beibehalten werden können, wenn dies aus Gründen der Verkehrs­sicherheit sinnvoll ist. Der Senat wird entsprechend den Vorgaben des Regierungsprogramms zur nachhaltigen Verkehrssicherheit weiter dafür Sorge tragen, dass auf Grundlage der dar­gestellten Rechtslage die Möglichkeit der Einrichtung von Fußgängerüberwegen auch in Tempo-30-Zonen besonders vor Schulen und Kindergärten und auf Grund von Hinweisen aus der Bevölkerung sorgfältig geprüft wird.“

Jüngst berichtete das Abendblatt entsprechend: „Gleich an zwei Zebrastreifen im Bezirk Bergedorf will die Verkehrspolizei die Geschwindigkeit der Autofahrer demnächst deutlich reduzieren. So wird die bestehende Tempo-30-Regelung im Bereich der August-Herrmann-Francke-Schule auf dem Weidenbaumsweg um rund 40 Meter verlängert. Hier wird die Polizei für die Sicherheit der Schüler präventiv tätig, denn als Unfallschwerpunkt wird der Bereich bisher nicht eingestuft. Anders ist es beim Zebrastreifen, den die Berufsschüler in Bergedorf-West zwischen ihren Schulen und dem Bahnhof Nettelnburg zum Überqueren des Ladenbeker Furtwegs nutzen. Weil direkt neben diesem Zebrastreifen der Friedrich-Frank-Bogen einmündet und zudem auch noch die Zweispurigkeit in Richtung Lohbrügge endet, gab es bereits zahlreiche Unfälle. Tempo 30 rund um den Zebrastreifen wird die Situation nach Einschätzung der Polizei deutlich entschärfen.

(https://www.abendblatt.de/hamburg/bergedorf/article234319559/Tempo-30-an-zwei-Zebrastreifen-in-Bergedorf.html).

Verkehrsexpert*innen stützen diese Regelungen: „Zebrastreifen [können] mit entsprechender Begründung, z.B. bei wichtigen Fußwegverbindungen, Kindergarten- oder Schulwegen und publikumsintensiven Institutionen, unabhängig von den Einsatzgrenzen eingerichtet werden (R-FGÜ, 2.3). „Gesicherte Überquerungsstellen (z.B. Fußgängerüberwege) können die Fort­bewegung schwächerer Verkehrsteilnehmender unterstützen und sollten nicht generell ausge­schlossen werden, zumal sie von Fahrzeugführern gut erkannt und akzeptiert werden.“ (https://geh-recht.de/zebrastreifen#Tempo30). Die Interessensvertretung der Zufußgehenden Fuß e.V. fordert folgerichtig die Streichung des zitierten Satzes in der R-FGÜ „In Tempo-30-Zonen ist die Anlage für Fußgängerüberwegen in der Regel entbehrlich“.

 

Vor diesem Hintergrund fragen wir die zuständige Behörde für Inneres und Sport (BIS):

 

  1. Ist die Aussage „In Tempo-30-Zonen werden von der Polizei grundsätzlich keine Fuß­verkehrsüberwege mehr angeordnet“ richtig?

 

Nein. Im Übrigen sieht die BIS davon ab, Stellungnahmen anderer Behörden zu kommentieren.

 

  1. Wenn ja: Auf welcher rechtlichen Grundlage beruht die Aussage?
  2. Wenn ja: Warum handhabt Hamburg die Auslegung der o.g. Regelung so restriktiv und lässt keine Ausnahmen von der Regel zu?

 

Zu 2 und 3.

Siehe Antwort zu 1.

 

  1. Wenn nein: Unter welchen Bedingungen werden Fußgängerüberwege bei Tempo 30 angeordnet?

 

Fußgängerüberwege (FGÜ) sind typische Planungselemente zur Sicherung querender Fußgängerverkehre über „Tempo 50-Straßen“ im übergeordneten Straßennetz. Ihre Anlage kommt dort in Betracht, wo die Verkehrsstärke dies erfordert, eine Bündelung des Fußgängerverkehrs gegeben ist und die Notwendigkeitskriterien für den Bau einer Lichtzeichenanlage nicht erfüllt sind.

In Tempo 30-Zonen sind FGÜ wegen ihrer Bündelungsfunktion straßenuntypisch, da die Schutzfunktion von Tempo 30-Zonen gerade auf den nicht gebündelten Fußgängerquerungsverkehr ausgerichtet ist und dieser ein prägendes Merkmal in Tempo 30-Zonen darstellt. In Tempo 30-Zonen sind FGÜ deshalb in der Regel entbehrlich und somit deren Anordnung nach § 39 Absatz 1 i.V.m. § 45 Absatz 9 Straßenverkehrs-Ordnung unzulässig.

Eine Ausnahmesituation, die die Einrichtung von Fußgängerüberwegen in Tempo 30-Zonen durchaus rechtfertigen kann, liegt aber dann vor, wenn die auch sonst herangezogenen Kennzahlen erreicht werden. Wo also diese Kennzahlen erreicht werden, können FGÜ eingerichtet, bzw. beibehalten werden. Dies unterliegt einer Prüfung im Einzelfall

Die BIS hat als Oberste Landesbehörde im Juli 2019 Konkretisierungen zur Thematik vorgenommen und diese den Straßenverkehrsbehörden verbindlich vorgegeben:

 

  1. Die geltenden Regelwerke bei der Anordnung von neuen FGÜ in Tempo 30-Zonen sind zu beachten.  Dies insbesondere, wenn die erforderlichen Verkehrsstärken erreicht werden. Es ist ausführlich zu begründen, warum andere Planungselemente (versetzte Parkplätze, Fahrbahneinengungen, Aufpflasterungen, Mittelinseln) nicht in Betracht kommen. Zusätzlich ist das besondere Risiko für querende Fußgänger herauszuarbeiten.

 

  1. In bestehenden Tempo 30-Zonen sind FGÜ nicht wegzuordnen; ungenügende Markierungen sind nachzumarkieren.

 

  1. Bei Straßenbaumaßnahmen (Überplanung / Umgestaltung) in Tempo 30-Zonen ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen zum Erhalt der FGÜ noch vorliegen oder durch andere Planungselemente (s.o.) ersetzt werden können. Ansonsten bleiben die FGÜ erhalten.

 

  1. Bei neu einzurichtenden Tempo 30-Zonen unterliegen vorhandene FGÜ einer Einzelfallbetrachtung und Prüfung, ob die Kriterien für den Erhalt der FGÜ vorliegen oder durch Planungselemente (s.o.) ersetzt werden können. Im Zweifel gilt Ziffer 2.

 

  1. Welche Rollen spielen bei dieser Aussage die Belange schwächerer Verkehrs­teilnehmer*innen?

 

Siehe Antwort zu 1.

Im Übrigen siehe Anfrage nach § 27 BezVG – lfd. Nr. 98 (21).

 

 

Petitum/Beschluss

 

ohne

 

 

Anhänge

 

Anfrage § 27 BezVG – lfd. Nr. 98 (21)

 

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