21-4065

Ehemaliges US-Generalkonsulat, Alsterufer 27/28: Weitere Verwendung des ehemaligen „Gauhauses“ der NSDAP - Änderungsantrag

Gemeinsamer Antrag

Letzte Beratung: 10.08.2023 Hauptausschuss Ö 10.1.1

Sachverhalt

 

Was in Hamburg nicht allgemein bekannt ist: Die Villen Alsterufer 27 und 28 wurden von 1934 bis Kriegsende von der NSDAP als Hauptsitz genutzt. Errichtet 1882 und 1893 nach den Plänen von Martin Haller wurden sie umgebaut und miteinander verbunden und dienten als Zentrale für die Gauleitung unter Karl Kaufmann.

 

Karl Kaufmann, im Mai 1933 zum „Reichsstatthalter“ ernannt, organisierte von hier aus den nationalsozialistischen Terror in Hamburg. Im Herbst 1933 ließ er das Konzentrationslager Fuhlsbüttel einrichten. 1941 initiierte er die Deportation derdischen Bevölkerung. Kaufmann hatte einen direkten Draht zu Adolf Hitler.

 

Nach dem Krieg war Kaufmann bis 1948 im ehemaligen KZ Neuengamme interniert. Dann passierte nichts. In den 1950er Jahren wurde er Teilhaber des Versicherungsunternehmens Otto Wolff, gegründet vom ehemaligen „Gauwirtschaftsberater“ Otto Wolff. Die guten Verbindungen der NS-Zeit funktionierten auch in Hamburg lange nach Kriegsende. Karl Kaufmann musste sich nicht vor Gericht verantworten. Er starb 1969 unbehelligt in Hamburg.

 

Zwischen Alsterufer und Rothenbaumchaussee befand sich mit nahezu 50 Institutionen das „Regierungsviertel“ der Hamburger Nationalsozialisten. Lediglich am Budge-Palais, ebenfalls nach den Entwürfen von Martin Haller erbaut, der heutigen Hochschule für Musik und Theater, hängt eine Tafel, die an die Geschichte der vermögenden jüdischen Familie Budge erinnert und daran, wie das Palais in den Besitz der Hansestadt überging (Quelle: Herbert Diercks, Rund um die Alster, Hamburger Geschichte des Nationalsozialismus, KZ-Gedenkstätte Neuengamme).

 

Die Erinnerungskultur an die Opfer des Nationalsozialismus hat sich Hamburg abtrotzen lassen. Über die Verantwortlichen, Nutznießer, Täter und Hintergründe fehlen zumeist die Informationen. Das trifft besonders für eines der teuersten Viertel in einem zentralen Teil der Stadt zu.

 

Die Geschichte der Stadtteile Harvestehude und Rotherbaum im Nationalsozialismus ist bis heute nicht sichtbar. Deshalb bietet der Verkauf der Doppelvilla am Alsterufer 27/28 eine Möglichkeit, diese Jahre, die im Übrigen nicht von hanseatischer Zurückhaltung gegenüber dem Nationalsozialismus geprägt sind, wie gerne kolportiert wird, vor Ort zu dokumentieren. In einem NS-Dokumentationszentrum, wie es 2015 in München realisiert wurde, was wünschenswert wäre, oder in kleinerer Version in einer Institution der FHH, die mindestens einen Teil der Doppelvilla der Dokumentation des NS-Terrors in Hamburg widmet.

 

 

Petitum/Beschluss

 

Die Bezirksversammlung stellt fest, dass es wünschenswert wäre die Sichtbarkeit der Erinnerungskultur bezüglich der benannten Objekte zu stärken.

 

A)     Der Vorsitzende der Bezirksversammlung wird gebeten,

 

  1. die Kuratoren der Ausstellung „Rund um die Alster - Hamburger Geschichte im Nationalsozialismus“, u.a. Herbert Dierks, in den Ausschuss für Haushalt, Kultur und Sport einzuladen, um über die Zielsetzung und den inhaltlichen Aufbau der Ausstellung sowie die damit verbundene öffentliche Resonanz zu berichten.

 

  1. die Behörde für Kultur und Medien (BKM) zu bitten, im Zusammenhang mit dem Verkauf der Doppelvilla am Alsterufer 27/ 28 zu recherchieren und anschließend in der Bezirksversammlung berichten, wann und unter welchen Umständen die Villen in die Hände der NSDAP gelangt sind. Ebenso wie sich die Eigentumsverhältnisse nach dem Krieg änderten und wann die Doppelvilla von der US-Administration erworben wurde.

 

  1. Die Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke (BWFGB) zu bitten, die Universität Hamburg mit ihren entsprechenden Instituten und die Stiftung Gedenkstätten und Lernorte anzusprechen und anzuregen, diese Lücken zu bewerten und die Jahre der NS-Herrschaft hinsichtlich dieser Desiderate intensiv zu beforschen. Die gewonnenen Kennt­nisse sollten nach und nach der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Zum Beispiel durch Publikationen der Landeszentrale für Politische Bildung, weitere Ausstellungen im Rathaus und/oder durch Hinweisschilder an einzelnen Immobilien in Harvestehude und Rotherbaum.

 

B)     Die Bezirksamtsleitung wird gebeten,

 

  1. zu den Orten und Gebäuden, die in der Ausstellung beleuchtet werden und in Eimsbüttel liegen, einen historisch aufgearbeiteten Rundgang (Konzept) zu entwickeln, wobei die jeweiligen Orte und Gebäude ergänzend durch digitale Informationsangebote erläutert und deren Geschichte vor, während und nach der NS-Zeit illustriert werden sollen, um so zur Erinnerungskultur beizutragen. Das Anbringen von Hinweisschildern an ausgewählten Orten und Gebäuden soll in die Konzepterarbeitung mit einbezogen werden.

 

  1. die dafür anfallenden Kosten zu ermitteln,

 

  1. über die entsprechenden Ergebnisse, nebst eines Überblicks zur zeitlichen Realisation, im Ausschuss für Haushalt, Kultur und Sport zu berichten.

 

 

Burkhardt Müller-Sönksen und FDP-Fraktion

Sascha Geshake und CDU-Fraktion

Gabor Gottlieb und SPD-Fraktion

 

 

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