Ausnahmen im Bebauungsplan nach § 31 des Hamburgischen Baugesetzbuchs
17.07.2025
Lfd. Nr. 45 (22)
Anfrage nach § 27 BezVG
der Mitglieder der Bezirksversammlung Eimsbüttel
Elke Zimmermann, Harald Wellmann, Jörg Pillatzke
(AfD-Fraktion)
Ausnahmen im Bebauungsplan nach § 31 des Hamburgischen Baugesetzbuchs
Die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) antwortet wie folgt:
Sachverhalt:
Bebauungspläne sind fast wie in Stein gemeißelt. Kaum veränderbar nach dem Beschluss durch die Politik und Verwaltung. Doch in Hamburg regelt der § 31 die Ausnahmen und Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans.
Vor diesem Hintergrund fragen wir:
Ein „Hamburgisches Baugesetzbuch“ existiert nicht. Bei dem Baugesetzbuch (BauGB) handelt es sich um Bundesrecht, das in allen Ländern gleichermaßen gilt.
Zu Fragen 1, 3 und 5: Zu den Voraussetzungen der Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB existieren eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen und juristischen Fachäußerungen (Kommentaren und Fachartikeln), die sich im Rahmen der Beantwortung einer Anfrage nach § 27 BezVG nicht umfassend darstellen lassen. Kurz zusammenfassend lässt sich Folgendes ausführen:
a) Allgemeine Voraussetzungen
aa) Durch die Befreiung dürfen die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Das ist dann der Fall, wenn die Befreiung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Das kann z.B. der Fall sein, wenn durch eine Befreiung der Charakter eines Baugebiets vollständig geändert würde.
bb) Eine Befreiung darf nur erteilt werden, wenn sie mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Zu den öffentlichen Belangen zählen grundsätzlich alle in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB aufgezählten Belange, neben anderen z.B. die nachhaltige städtebauliche Entwicklung, der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, Klimaschutz und Klimaanpassung, die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, die Belange der Wirtschaft und des Verkehrs, die Belange von Flüchtlingen und Asylbegehrenden und der Hochwasserschutz.
cc) Voraussetzung für eine Befreiung ist auch die Würdigung nachbarlicher Interessen. Dabei kommt es darauf an, ob Nachbarn konkret in ihren Interessen betroffen sind (beispielsweise durch Verschattung, Immissionsbelastung oder umgekehrt mögliche Emissionseinschränkungen durch Wohnnutzung in der Nähe von Gewerbe) und ob dadurch nachbarliche Rechte verletzt werden.
Welche Festsetzungen eines Bebauungsplans Teil des planerischen Grundkonzepts sind und ob ihnen eine Befreiung zuwiderläuft, ob sie mit öffentlichen Belangen vereinbar ist und ob ihr nachbarliche Interessen entgegenstehen, kann nur im Einzelfall entschieden werden.
b) Besondere Voraussetzungen
Für die Erteilung einer Befreiung muss darüber hinaus mindestens eine der drei im Gesetz genannten besonderen Voraussetzungen vorliegen:
aa) Gründe des Wohls der Allgemeinheit erfordern die Befreiung (Frage 3). Dabei ist sowohl der Begriff des Allgemeinwohls als auch der des Erforderns weit auszulegen (Battis/Krautzberger/ Löhr/Reidt, Baugesetzbuch – Kommentar, 15. Aufl. 2022, BauGB § 31 Rn. 34). Unter Allgemeinwohl sind – neben den ausdrücklich aufgezählten Belangen - alle öffentlichen Interessen zu verstehen, wie sie beispielhaft in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB aufgeführt sind (Bundesverwaltungsgericht, Urt. v. 18. 11. 2010 Az. 4 C 10/09, NVwZ 2011, 748). Erfordert wird die Befreiung bereits dann, wenn es „vernünftigerweise geboten“ ist, das beabsichtigte Vorhaben an der vorgesehenen Stelle trotz entgegenstehender Festsetzung im Bebauungsplan durchzuführen (BVerwG, Urt. v. 9. 6. 1978 – IV C 54/75, BVerwGE 56, 71).
bb) Die Befreiung ist städtebaulich vertretbar. Städtebaulich vertretbar ist eine Abweichung von den Planfestsetzungen daher bereits dann, wenn sie im Rahmen der Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans abwägungsfehlerfrei planbar wäre (Battis/Krautzberger/ Löhr/Reidt, aaO, § 31 Rn. 38).
cc) Es liegt eine offenbar nicht beabsichtigte Härte vor (Frage 5). Dieser – seltene – Fall ist dann gegeben, wenn die Durchführung des Bebauungsplans, also das Bauen gemäß den Festsetzungen des Bebauungsplans, zu einem Ergebnis führen würde, dass bei der Aufstellung des Plans offenbar nicht beabsichtigt worden ist (BVerwG, Urt. v. 20. 6. 1975 – IV C 5/74, BauR 1975, 313). Offenbar nicht beabsichtigte Härten sind vor allem dann in Betracht zu ziehen, wenn Planfestsetzungen sich in Bezug auf das einzuhaltende Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen oder aufgrund besonderer Grundstückszuschnitte (z.B. bei einem Eckgrundstück) als nicht sinnvoll erweisen, etwa weil sie zu einer praktischen Unbebaubarkeit des Grundstücks aus tatsächlichen oder auch aus wirtschaftlichen Gründen führen,die von der planaufstellenden Gemeinde so gar nicht beabsichtigt war.
Auch das Vorliegen dieser besonderen Befreiungsgründe kann nur im Einzelfall festgestellt werden.
Nach § 31 BauGB ist zu unterscheiden zwischen Ausnahmen und Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans. Ausnahmen (§ 31 Abs. 1 BauGB) sind solche, die im Bebauungsplan nach Art und Umfang bereits ausdrücklich zugelassen sind – sie gehören also zu den Festsetzungen des Bebauungsplans. Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB erlauben es dagegen, Genehmigungen auch für Vorhaben zu erteilen, die nicht den Festsetzungen des Bebauungsplans entsprechen. Die Voraussetzungen dafür ergeben sich aus dem Gesetzeswortlaut:
(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und
1. Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2. die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3. die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Es wird davon ausgegangen, dass sich die Fragen auf Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB beziehen.
Befreiungen können grundsätzlich von allen Festsetzungen des Bebauungsplans erteilt werden, also sowohl hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung (z.B. zusätzliche Geschosse, Überschreiten einer Baulinie, höher Grundflächenzahl u. ä.) als auch hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung (z.B. Zulassung eines größeren, nicht nur der Versorgung des Gebietes dienendem Einzelhandelsbetriebs im Allgemeinen Wohngebiet).
Siehe Beantwortung in Frage Nr. 1 (gemeinsame Beantwortung der Fragen 1, 3 und 5)
Die Entscheidung über die Genehmigung im Wege der Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB erfolgt im pflichtgemäßen Ermessen.
Siehe Beantwortung in Frage Nr. 1 (gemeinsame Beantwortung der Fragen 1, 3 und 5)
Das Aufführen aller seit 2022 erteilten Befreiungen mit den jeweiligen Befreiungsgründen würde eine Auswertung aller in diesem Zeitraum erteilten Baugenehmigungen erforderlich machen, was in der zur Beantwortung der Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit und mit vertretbarem personellem Aufwand nicht leistbar ist.
ohne
keine
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