Sachstandsbericht über die Situation der Unterbringung von Geflüchteten im Bezirk Altona. Mitteilungsdrucksache des Amtes
Letzte Beratung: 19.08.2019 Ausschuss für Soziales, Integration, Gleichstellung, Senioren, Geflüchtete und Gesundheit Ö 11.1
Seit 2015 befasst sich das Bezirksamt Altona mit der Unterbringung und Unterstützung geflüchteter Menschen. Zu Beginn stand in erster Linie die Flächensuche, Genehmigungsverfahren und der Bau der Unterkünfte im Vordergrund.
Im Rahmen öffentlicher Veranstaltungen wurde die umliegende Wohnbevölkerung über den jeweiligen Bau der Unterkünfte, deren Platzzahlen, die Trägerschaft und interne Abläufe (Personal, Sicherheit, soweit bekannt, Bewohnerstruktur u.v.m.) informiert, was an einigen (wenigen) Standorten zu erheblichen Widerständen der Anlieger*innen führte.
Da in den ersten Jahren (2015/2016) die Unterbringung zur Vermeidung von Obdachlosigkeit Priorität hatte, gab es auch in Altona die großen Erstaufnahmeeinrichtungen (Schnackenburgallee mit bis zu 4.000 Personen oder ein leerstehender Baumarkt mit bis zu 1.600 Personen sowie eine Turnhalle der Bundeswehrkaserne in Osdorf mit bis zu 450 Personen) mit prekärer Unterbringungssituation (Kompartiments, keine Privatsphäre, Hallenunterbringung).
Die ZEA Schnackenburgallee wurde 2018 geschlossen. Es besteht weiterhin eine kleine Vorbehaltsfläche an dem Standort, die im Bedarfsfall wieder in Betrieb genommen werden kann. Am Kaltenkircher Platz wird von f&w weiterhin eine Erstaufnahmeeinrichtung (EA) mit ca. 150 Plätzen für schutzbedürftige Frauen betrieben. Die Planung ist, diese EA ebenfalls (voraussichtlich bis zum Jahresende) zu schließen und die Bewohnerinnen in entsprechende (Schutz-) Folgeunterkünfte zu verlegen.
Heute hat sich die Unterbringungssituation für die geflüchteten Menschen deutlich verbessert. Zurzeit leben in Altona 4562 Menschen in öffentlich-rechtlicher Unterbringung, dazu gehören Wohnungslose genauso wie Geflüchtete (Stand: 30.4.2019, siehe Tabelle).
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Belegungszahlen |
|
Unterkünfte |
Soll |
Ist |
Altona I |
|
|
Notkestraße Frauenunterkunft |
100 |
98 |
Luruper Hauptstraße |
378 |
338 |
Kroonhorst |
267 |
286 |
Björnsonweg |
192 |
180 |
Holmbrook |
208 |
207 |
Pavillondorf Sieversstücken |
695 |
593 |
Alsenstraße |
78 |
72 |
Blomkamp |
442 |
421 |
Summe |
2.360 |
2.195 |
Altona II |
|
|
August-Kirch-Straße |
478 |
470 |
Holstenkamp |
146 |
151 |
Notkestraße |
648 |
604 |
Sibeliusstraße |
232 |
202 |
Albert - Einstein - Ring |
450 |
380 |
Eimsbüttler Straße |
129 |
145 |
Waidmannstraße |
98 |
95 |
Max-Brauer-Allee |
12 |
11 |
Borselstraße |
7 |
4 |
Summe |
2.200 |
2.062 |
UPW Altona |
|
|
UPW Suurheid |
300 |
305 |
Summe |
300 |
305 |
UPW
Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg verfolgt mit der Drucksache 21/1838 die Unterbringung von Geflüchteten in eigenem Wohnraum. Dafür fordert er Ende 2015 alle Bezirke auf, Flächen für ca. 4.000 Plätze zu benennen. Das Bezirksamt hat Suurheid 45 vorgeschlagen. Die neuen Unterkünfte mit der Perspektive Wohnen (UPW) sind bzw. werden im Standard des sozialen Wohnungsbaus errichtet. Sie werden ausschließlich mit geflüchteten Menschen mit Bleibeperspektive, entsprechend den Standards einer Gemeinschaftsunterkunft belegt und als öffentlich-rechtliche Unterkünfte geführt. Wenn in den jeweiligen Wohneinheiten nicht Familien untergebracht sind, teilen sich mehrere Bewohner*innen eine Wohnung, in der Regel zu zweit oder zu dritt ein Zimmer sowie Küche und Bad. Die UPW soll den Geflüchteten eine Unterbringung in einer sozialverträglichen Wohnform und schnelle Integration ermöglichen.
Die UPW Suurheid in Rissen wurde im Frühjahr 2018 fertig gestellt und ist zurzeit mit 305 Bewohner*innen (Soll 300) belegt. Die Überschreitung der Soll-Belegung ist mit der Geburt von Kindern zu erklären. Der Betrieb der UPW wurde nach Ausschreibung für 5 Jahre an die AWO, mit der Option der Verlängerung, vergeben.
Eine weitere UPW wird in Othmarschen in der Baurstraße mit 200 Plätzen umgesetzt und voraussichtlich 2020/21 fertiggestellt. Diese UPW wird von Fördern und Wohnen betrieben werden. In der Perspektive werden die Wohnungen in den freien Wohnungsmarkt überführt werden.
Die Diskussionen um die UPW haben zur Volksinitiative „Hamburg für gute Integration“ (VIN) und zu Bürgerintiativen geführt. Mit den Initiativen wurde ein Konsens erzielt, aufgrund dessen es für Altona Bürgerverträge zu Rissen (VIN) und Osdorf-Lurup-Bahrenfeld (LOB) gab. Neben der sukzessiven Reduzierung der Platzzahlen ist in den Bürgerverträgen der VIN Rissen und des LOB Bahrenfeld der Einsatz eines Stadtteilmanagement (Rissen) und Quartiersmanagement (Bahrenfeld) festgeschrieben. Zur Umsetzung der Bürgerverträge erfolgt eine regelmäßige Berichterstattung.
Soziale Infrastruktur
Zentrales Anliegen des Bezirksamtes war und ist es, bezogen auf soziale Infrastruktur, keine „Sonderwelten“ für geflüchtete Menschen zu schaffen, sondern die bestehende Angebotsstruktur weiter zu entwickeln, was in einem engen Zusammenspiel der Fachämter des Dezernats 3 umgesetzt wurde. Durch Mehrbedarfsdrucksachen im Bereich der Jugend- und Familienhilfe und den Mitteln aus den sozialräumlichen Integrationsnetzwerken (SIN) konnten bestehende Einrichtungen der Jugend- und Familienhilfe verstärkt und gezielt neue unterstützende Angebote für Kinder, Jugendliche und Familien mit Fluchthintergrund etabliert und somit „Integrationsnetzwerke“ geschaffen werden.
Mit Hilfe des Quartiersfonds II (flüchtlingsbedingte Mehrbedarfe) konnte z. B. der Bereich frühe Hilfe und Mütterberatung verstärkt und ausgebaut, ein neues Stadtteilmütterprojekt in Bahrenfeld etabliert sowie eine mehrsprachige, in leichter Sprache verfasste Broschüre über das Gesundheitssystem erstellt werden. Darüber hinaus werden die Stadtteil- und Quartiersmanager, die Kofinanzierung von Bundesfreiwilligen mit Fluchthintergrund, Sprachangebote, u.v.m. aus dem Quartiersfonds II gefördert.
Im Umfeld der UPW Suurheid ist ein Pilotprojet „Kleines Kifaz“ - ein Eltern-Kind-Zentrum in der Trägerschaft des DRK entstanden. Die Mütterberatung des Gesundheitsamtes bietet hier eine regelmäßige Beratungszeit an. Nach Fertigstellung des 2. Bauabschnitts Suurheid wird seitens des Bezirksamtes angestrebt, diesen Standort an anderer Stelle im Quartier zu erweitern.
Das Jugendzentrum Rissen wird mit Unterstützung des Quartiersfonds saniert. Ein Interimsträger hat begonnen, die Zielgruppe der Jugendlichen aus den Unterkünften in die offene Jugendarbeit einzubinden. Ein Interessenbekundungsverfahren für eine neue Trägerschaft Rissen JUZ läuft derzeit.
In diesem Sommer wird, nach langen Verhandlungen, eine Interims-Kita für die Kinder im Bereich Sieversstücken und Suurheid auf dem Gelände Sieversstücken, voraussichtlich im August, eröffnen. Damit ist ein weiterer Schritt zur Sicherstellung frühkindlicher Bildungsangebote gegangen.
Über das Netzwerk frühe Bildung, welches seitens des Bezirksamtes in Rissen / Sülldorf und in Bahrenfeld mit örtlichen Kitas, Grundschulen, Einrichtungsleitungen von f&w, den Stadtteil- und Quartiersmanagern zu Verbesserung der Kitaunterbringung geflüchteter Kinder gegründet wurde, werden weitere unterstützende Maßnahmen entwickelt und umgesetzt.
Im Gebäude der ÖrU Albert-Einstein Ring ist es ebenfalls gelungen, eine neue Kita für den Stadtteil zu schaffen. Die Belegung der Kita erfolgt, trotz aller Bedenken im Vorfeld, aus dem gesamten Stadtteil und aus der Unterkunft.
Im Stadtteil Bahrenfeld befinden sich vier Unterkünfte in unmittelbarer Nachbarschaft (August-Kirch Straße, Albert-Einstein Ring, Notkestraße 25 und Luruper Hauptstraße). Dies hat für den der Stadtteil erhebliche Veränderungen nach sich gezogen. Mit der Belegung der Wohnunterkünfte sind mehr als 2.500 neue Stadtteilbewohner*innen nach Bahrenfeld gezogen, die zu einer Erhöhung der Bedarfslage in verschiedenen Bereichen führten. Die verschiedenen institutionellen Träger des Stadtteils Bahrenfeld haben ihre Angebote bereits für die zugewanderten Zielgruppen geöffnet. Das Jugendzentrum Juno 23 hat sich im Bereich der traumsensiblen Pädagogik in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen qualifiziert. Sie bieten Kindern und Jugendlichen aus den Unterkünften geschützte Freizeiträume, schulische Unterstützung und gezielte Traumaberatung für junge Menschen. Auch die anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen in Bahrenfeld bieten Raum für freizeitorientierte Angebote.
Um einen Raum für Begegnung sowie weitere sozialräumlich Infrastrukturangebote sicherstellen zu können, hat das Bezirksamt in der zweiten Jahreshälfte 2017 in Kooperation mit dem Beschäftigungsträger KoALA die Quartiersräume (BANotke) in der Notkestraße eröffnet.
Neben einer Cafeteria, einem Sozialkaufhaus und einer Schreibstube, die von KOALA betrieben werden, finden in den Räumlichkeiten z. B. Angebote der Frühen Hilfen, Sozialberatungstermine, Beratung durch die Stadtteilmütter und ehrenamtliche Angebote statt. Der Quartiersmanager von Bahrenfeld hat dort sein Büro und organisiert die Raumvergabe. Ziel ist es, vorhandene Ressourcen interdisziplinär und bedarfsorientiert zu bündeln und zu erweitern, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Das Bezirksamt hat zusammen mit dem Beschäftigungsträger KOALA diese Räumlichkeiten für fünf Jahre angemietet.
Ehrenamtliches Engagement
Zu Beginn der Unterbringung hat das Bezirksamt, neben den oben bereits erwähnten allgemeinen Informationsveranstaltungen, auch Informationsveranstaltungen mit am Ehrenamt interessierten Personen und Gruppen durchgeführt. Sie wurden exklusiv über die Unterkünfte, die mögliche Belegungsstruktur, die Bedarfe, die insbesondere nach Bezug bei den Bewohner*innen vorhanden sind und die Unterstützungsmöglichkeiten durch das Bezirksamt informiert. Neben vielen Einzelpersonen, die sich in Willkommensbündnissen zusammengeschlossen haben, sind insbesondere Kirchengemeinden, (Sport-) Vereine und viele Einzelpersonen in den Stadtteilen sehr aktiv geworden.
Das Bezirksamt Altona begrüßt die große Bereitschaft für bürgerschaftliches Engagement in den Stadtteilen, in denen Unterkünfte eingerichtet werden und darüber hinaus. Die Erfahrungen zeigen, dass das Ehrenamt eine Koordination und Struktur benötigt. Deshalb wurde vom Senat für alle sieben Bezirke eine Koordinierungsstelle für das Ehrenamt in der Flüchtlingshilfe geschaffen. Damit wird sichergestellt, dass das Bezirksamt Initiativen durch Beratung, die Bereitstellung von Informationen und die Organisation von Foren zum Austausch untereinander, unterstützen kann. Konkrete Hilfe kann z.B. sein:
Initiativen bei der Akquise von Projekt- oder Stiftungsmitteln für ihre Arbeit zu unterstützen. Über die Drucksache „Forum Flüchtlingshilfe“ (Drucksache 21/10870) besteht die Möglichkeit, niedrigschwellig und unbürokratisch ehrenamtliche Arbeit mit Geflüchteten zu unterstützen. Die Verwendung der Mittel wird über eine Förderrichtlinie geregelt.
In jeder Unterkunft und in den jeweiligen Stadtteilen gibt es nach wie vor viele ehrenamtliche Angebote. Diese reichen von Sprachkursen über Sportangebote, Kochen, dem Erlernen von PC Kenntnissen, Fahrradwerkstätten, Sportangebote, Cafés bis hin zu Nachhilfeangeboten.
Das Bezirksamt unterstützt die Bildung von Netzwerken, die für die Unterstützung und Förderung der Geflüchteten außerhalb der Unterkünfte hilfreich sind. Es wirkt darauf hin, dass für z. B. Lebensmittelausgaben und Kleiderkammern geeignete Räume in vertretbarer Entfernung zur Verfügung gestellt werden. Die Fahrradwerkstatt der Schnackschrauber und eine Kleiderkammer werden in der Regerstsraße in Bahrenfeld auf dem Gelände der Luthergemeinde vorgehalten.
Weitere Angebote:
Seit Dezember 2017 setzt das Bezirksamt die Veranstaltungsreihe: „Das Bezirksamt informiert“ in den verschiedenen Unterkünften um.
Im Rahmen einer Befragung wurde deutlich, dass es den Menschen in den Unterkünften an gezielten Informationen des Bezirksamtes über verschiedene Themenbereiche fehlt. Aus diesem Grund wurde oben benannte Veranstaltungsreihe entwickelt und zu den verschiedenen Themenkomplexen umgesetzt:
Hierzu wird jeweils mit einem mehrsprachigen Flyer geworben. Bei den Veranstaltungen sind Dolmetscher vor Ort.
Das „Männerprojekt“
Nachdem deutlich wurde, dass sehr viele ehrenamtliche und professionelle Angebote für Frauen und Kinder zur Verfügung gestellt wurden, hat das Bezirksamt einen eigenen Schwerpunkt auf geflüchtete Männer gelegt.
Über Mittel des Hamburger Integrationsfonds war es möglich, ein Konzept, das von der Fachkraft für Integration und Diversität entwickelt wurde, umzusetzen. Im Fokus des Projektes stehen geflüchtete Männer, von denen angenommen wird, dass sie durch Flucht und der Neuorientierung hier in einer individualisierten Gesellschaft mit Rollen- und Identitätskonflikten konfrontiert sein werden. Sie befinden sich in einer Situation (Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften, Sprachschwierigkeiten, Sicherheitsverlust durch geringe Orientierung, Arbeitslosigkeit u.v.m), ihrer Rolle als Ernährer der Familien nicht mehr gerecht werden zu können. Das führt u. U. zu Krisen und Konflikten, denen mit einem „peer-to-peer“ Ansatz begegnet werden sollte. Dafür wurden Männer mit Flucht- und / oder Migrationshintergrund, die hier bereits „angekommen“ waren, zu interkulturellen Mediatoren geschult. Die Idee war, in den Unterkünften Kontakt zu Männern aufzubauen, über gemeinsame Aktivitäten ins Gespräch zu kommen, Vertrauen aufzubauen, um Ihnen dann als Ansprech- und Orientierungsperson zur Verfügung zu stehen.
Das Projekt wurde in allen Altonaer Unterkünften angeboten, es wurde sehr unterschiedlich angenommen, es waren viele organisatorische Hürden zu überwinden und es läuft derzeit nur noch in drei Unterkünften.
Aktuelle Themen;
Ab Ende 2020 wird die Anforderung aus den Bürgerverträgen, bestehende Unterkünfte entweder zurückzubauen (Notkestraße 25) oder deren Belegung auf 300 Personen zu reduzieren eine erhebliche Herausforderung darstellen. Die Umsetzung dieser Anforderung liegt bei der Zentralen Koordinierungsstelle für Flüchtlinge (ZKF) und bei F&W. Die Verlegungen der Bewohner*innen und / oder die Suche nach Wohnraum sollten sensibel durch Angebote in den Quartieren begleitet und unterstützt werden.
Bei der Bevölkerungsgruppe mit Fluchthintergrund stehen insbesondere die Themen Arbeit, Sprache, Wohnraum im Vordergrund. Es besteht aber auch ein erheblicher Bedarf sich mit Bildungs- und Erziehungsthemen bezüglich der Kinder auseinanderzusetzen. Gewaltfreie Erziehung – aber wie, warum das Kind mit 1 oder 3 Jahren in die Kita, warum verbindlicher Ganztag in der Grundschule sind immer wieder Themen, die in professionellen und ehrenamtlichen Settings aufgegriffen werden müssen. Rollen- und Emanzipationsthemen, insbesondere von Frauen, werden sichtbar.
Aus der Praxis wird berichtet, dass viele Bewohner*innen in den Unterkünften erschöpft sind. Es werden Symptome posttraumatischer Belastungsstörungen sichtbar. Die Menschen verlieren ihre Perspektive, sie haben häufig den Eindruck in einer Sackgasse zu stecken, weil weiterhin viele Barrieren zu überwinden sind.
Das Thema gesellschaftliche Diversität, Integrationsbemühungen von allen Seiten der Gesellschaft, und das Herstellen von Gelingensbedingungen werden uns in den kommenden Jahren weiter begleiten und brauchen weiterhin unsere volle Aufmerksamkeit.
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