20-5363

Die Bezirksversammlung Altona und die Hospizarbeit im Bezirk Alternativantrag von Dr. Claus Schülke (AfD) zur Drucksache 20-5300.1

Antrag öffentlich

Sachverhalt

Die Palliativmedizin und zugleich die mit ihr in der Hospizarbeit geleistete Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen – auch als Alternative zu einer bei ihnen viel zu oft auf die Spitze getriebenen und gnadenlosen Apparatemedizin – ist eine enorm wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Es besteht daher aller Anlass, den vielen hauptamtlichen und ebenso den ehrenamtlich tätigen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in der Hospizarbeit in Altona und darüber hinaus den ausdrücklichen Dank der Kommunalpolitik auszusprechen, dies gerade in einer Zeit großer personeller Engpässe. Mit der Drucksache-Nr. 20-5300.1 soll nun auch die Bezirksversammlung zur Würdigung dieser Arbeit aufgerufen werden.

 

Das soll aber und darum geht es hier – nach der Beschlussempfehlung ausschließlich dadurch geschehen, dass sie die – ihr nicht einmal vorgelegte "Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland" in toto unterzeichnet. Dagegen richtet sich dieser Alternativantrag.

 

Die Charta statuiert in den Leitsätzen Nrn. 2. bis 5. unbestritten ausschließlich gute und richtige Grundsätze. Im Leitsatz Nr. 1 Abs. 3 Satz 1 der Charta heißt es jedoch:

 

Wir werden uns dafür einsetzen, (…) insbesondere den Bestrebungen nach einer Legalisierung der Tötung auf Verlangen durch eine Perspektive der Fürsorge und des menschlichen Miteinanders entgegenzuwirken.

 

Nun hat seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland niemand ernstlich die Legalisierung der Tötung auf Verlangen, also die Abschaffung von § 216 StGB gefordert. Diese Bestrebungen gab und gibt es also nicht. Deshalb wendet sich der vorstehend zitierte Satz in Wahrheit – und bewusst mit falscher Wortwahl – gegen eine breite gesellschaftliche Befürwortung dessen, dass in bestimmten enumerativen Fällen die (bloße) Beihilfe zur Selbsttötung ("aktive Sterbehilfe“, „assistierter Freitod") wieder straflos gestellt wird, wie dies bis zur Neuregelung des § 217 StGB im Jahr 2015 der Fall gewesen war. Und an vorderster Front macht sich hier die Bundesärztekammer für die Fortgeltung des Verbots stark. Sie ist einer der drei Träger der Charta.

 

Dem sollte die Bezirksversammlung nicht folgen. De facto täte sie das aber durch die empfohlene vorbehaltlose Unterzeichnung. Ich zitiere exemplarisch aus der Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins (67.000 Mitglieder) vom August 2017:

 

Die Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung nach § 217 StGB verstößt gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und verletzt das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Personen.

Außerdem greift die Vorschrift ungerechtfertigt in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit von Ärzten, die im Bereich der Palliativmedizin tätig sind und Suizidwillige beraten bzw. für diese gutachterlich tätig sind, ein. Diesen Ärzten wird durch die in § 217 StGB angeordnete Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung die Möglichkeit genommen, Patientinnen und Patienten sachkundige Hilfe bei der Umsetzung deren selbstbestimmten Beschlusses zur Lebensbeendigung zu gewähren.

Der § 217 StGB verstößt gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und mit § 217 Abs. 2 StGB gegen das Bestimmtheitsgebot. Es bestehen bereits erhebliche Zweifel am Vorliegen eines legitimen Ziels und der Geeignetheit der Strafnorm. Jedenfalls aber bestehen eine Reihe denkbarer milderer gleich effektiver Mittel zur Sicherung des Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen, sodass die Strafnorm in ihrer gegenwärtigen Form nicht erforderlich ist.

 

Dem ist zuzustimmen und eben nicht der Bundesärztekammer und insoweit auch nicht der Charta: Zur grundgesetzlich geschützten Würde des Menschen und zu seinen elementaren Freiheitsrechten gehört, dass er selbstbestimmt auch über sein Lebensende entscheiden kann. Es gibt keinerlei Rechtfertigung dafür, die nicht-kommerzielle und medikamentengestützte Beihilfe durch sachverständige Dritte zum selbstbestimmten Suizid solange in sog. Handlungsherrschaft durchgeführt in nachgewiesenen Fällen schwerer, unheilbar tödlicher Krankheit und/ oder dauerhaften, nicht beherrschbaren Vernichtungsschmerzes zu untersagen.

 

Mehrere repräsentative Umfragen (DAK, YouGov u.a.) aus der jüngeren Zeit und vier Jahre nach der Proklamation der Charta belegen, dass durchgängig eine Mehrheit von mehr als 70 % der Deutschen die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe in diesem Rahmen bejaht.

 

Vor diesem Hintergrund würde eine (vorbehaltlose) Unterzeichnung der Charta durch die Bezirksversammlung ein ganz falsches Signal setzen. Sie möge daher stattdessen beschließen, worum es ihr ja auch tatsächlich geht, nämlich:

 

Die Bezirksversammlung Altona würdigt die aufopfernde Tätigkeit der vielen hauptberuflichen und ehrenamtlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Hospizarbeit in Altona und darüber hinaus.

 

Anhänge